Nachbarschaftsstreit:Bundesgerichtshof rettet drei Birken

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Eine Birke steht auf einem Privatgrundstück. Ein Nachbarschaftsstreit um drei große Birken an der Grenze zweier Grundstücke wurde nun am Bundesgerichtshof verhandelt. (Foto: dpa)
  • Grundstückseigentümer müssen Laub und Pollen von Bäumen auf ihrem Grundstück hinnehmen, wenn der Nachbar die Abstandsgrenzen eingehalten hat.
  • Das entschied der Bundesgerichtshof am Freitag in Karlsruhe.
  • In dem Fall aus dem baden-württembergischen Heimsheim hatte ein Allergiker verlangt, drei gesunde Birken auf dem Nachbargrundstück fällen zu lassen - und zunächst vom Landgericht Karlsruhe recht bekommen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Ein Konflikt, wie er zehntausendfach in Deutschlands Gärten vorkommt, ist nun höchstrichterlich entschieden. Für Blätter und Pollen, die ein Baum in den Garten des Nachbarn hinüberwehen lässt, ist der Grundstückseigentümer nicht verantwortlich. Sondern eigentlich nur der Baum, aber den kann man nicht verklagen. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden - und damit drei Birken im baden-württembergischen Heimsheim gerettet, die das Landgericht Karlsruhe bereits zum Fällen freigegeben hatte.

Der Eigentümer will seine drei 18 Meter hohen Bäume als Lebensraum für Vögel und Insekten erhalten, vielleicht ein kleines Zeichen für den Artenschutz. Sein Nachbar dagegen wollte die Birken weghaben, am besten alle drei, mindestens aber eine davon. Zapfen, Blätter, Birkenreiser vom Frühjahr bis zum Herbst, das war ihm zuviel: Entweder Absägen oder Kostenersatz für monatelanges Fegen, lautete seine Forderung. Fast 1400 Euro pro Jahr wollte er in Rechnung stellen.

Juristisch lief das auf die sehr grundsätzliche Frage hinaus, ob ein Gartenbesitzer nur deshalb als "Störer" einzustufen ist, weil sein Baum tut, was Bäume eben tun - nämlich Laub oder Nadeln, Zapfen oder Pollen abzusondern. Oder ob Laubabwurf und Pollenflug Naturereignisse sind, die man hinzunehmen hat, wenn man dort wohnen will, wo Bäume stehen. Denn dem Baumbesitzer war eigentlich nichts vorzuwerfen. Weder stehen die Birken zu nahe am Zaun, noch ragen ihre Zweige über die Grenze. Alle Vorschriften sind eingehalten; der Grenzabstand entspricht den Regeln des baden-württembergischen Landesrechts.

Selbst wenn ein Baum besonders viel Schmutz macht, muss das der Nachbar aushalten

Der BGH fand dafür nun folgende Formel: Solange der Eigentümer sein Grundstück "ordnungsgemäß" bewirtschaftet, kann er nicht für die "natürlichen Immissionen" verantwortlich gemacht werden, die von seinem Grund und Boden ausgehen. Nach früheren Urteilen gilt das sogar für Bäume, die ein Sturm geknickt hat - jedenfalls dann, wenn sie nicht erkennbar krank waren. Auch Wollläuse, die auf Nachbars Bäume krabbeln, gehören zur hinzunehmenden Natur. Selbst wenn ein Baum - wie eben die Birke - besonders viel Schmutz macht, muss man das als Nachbar aushalten.

Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann das doch einmal anders sein, erläuterte die BGH-Senatsvorsitzende Christina Stresemann. Was genau damit gemeint ist, ließ sie offen - nur einen möglichen Einwand räumte sie von vornherein aus: Eine Pollenallergie reiche jedenfalls nicht, um die Bäume des Nachbarn fällen zu lassen.

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