München:Für ein Heim ohne Hindernisse

In der Stadt gibt es Zehntausende behinderte Menschen, die auf ein barrierefreies Zuhause angewiesen sind. Ein Kompetenzzentrum bietet dazu bald Beratung - sowie die Möglichkeit, die eigenen Wohnverhältnisse nachzustellen

Von Sven Loerzer

Der Weg war lang und nicht gerade hindernisfrei. Aber nach vier Jahren lässt sich die Idee, ein "Kompetenzzentrum zum barrierefreien Wohnen zu Hause" einzurichten, endlich verwirklichen. Die neue Einrichtung am Konrad-Zuse-Platz 11 in der Messestadt Riem bietet die Möglichkeit, Ratsuchenden nun bei einem Rundgang durch eine Ausstellung zu veranschaulichen, wie beispielsweise ein barrierefreies Bad aussehen kann. In den ebenerdig gelegenen Räumen kann die Beratungsstelle Wohnen des Trägervereins Stadtteilarbeit, bisher an der Aachener Straße 9 in Schwabing-West ansässig, von 2020 an unter erheblich besseren Bedingungen Menschen zum barrierefreien Umbau ihrer Wohnung beraten.

Auf einer Ausstellungsfläche von rund 450 Quadratmetern können Besucher dann einschlägige Hilfsmittel vom Lifter über das Pflegebett bis hin zum erhöhten Toilettensitz sehen und ausprobieren. Dort wird es auch eine Experimentierfläche geben, wo sich mit verschiebbaren Wänden und Objekten eigene Wohnverhältnisse nachstellen lassen, um dann zu zeigen, wie sich Wohnungsanpassung auswirkt. Etwa wenn es darum geht, ein Pflegebett in ein Schlafzimmer zu integrieren.

München: Im besten Fall werden Wohnungen von Anfang an barrierefrei oder rollstuhlgerecht geplant.

Im besten Fall werden Wohnungen von Anfang an barrierefrei oder rollstuhlgerecht geplant.

(Foto: Rupert Oberhäuser/imago)

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen wächst stetig: Waren es 2017 noch rund 167 000 Münchner, so sind es in diesem Jahr bereits knapp 170 000, darunter sind 118 000 Schwerbehinderte. Rund 27 000 Münchner sind pflegebedürftig, die meisten, etwa drei Viertel, leben zu Hause. Viele Wohnungen sind aber nicht altersgerecht gestaltet: Es gibt Schwellen und Stufen, die Bäder und Toiletten sind eng, statt einer bodengleichen Dusche gibt es noch Badewannen, die sich mit zunehmendem Alter und steigender Gebrechlichkeit nur noch schwer nutzen lassen.

Mit der Beratungsstelle Wohnen hilft der Verein Stadtteilarbeit schon seit 30 Jahren älteren, kranken und behinderten Menschen dabei, so weit wie möglich selbständig in der angestammten Wohnung zu leben. Das Team aus bislang drei Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, einer Psychologin und drei Architektinnen überlegt und plant mit Ratsuchenden, was sich verändern lässt, um die häusliche Umgebung an die individuellen Voraussetzungen anzupassen. Während die Grundberatung zu Hilfsmitteln die 32 Alten- und Service-Zentren (ASZ) in den Stadtvierteln übernehmen, kümmert sich die Beratungsstelle Wohnen um die Umbauplanung und deren Finanzierung durch Fördergelder. 2018 zählte der Träger 547 Beratungen, fast zehn Prozent mehr als 2017. Darunter waren 173 Beratungen für Menschen, die 80 Jahre oder älter waren.

München: Bitte barrierefrei: In der neuen Beratungsstelle können Besucher Wohnanpassungen, etwa für ihre Küche, ausprobieren.

Bitte barrierefrei: In der neuen Beratungsstelle können Besucher Wohnanpassungen, etwa für ihre Küche, ausprobieren.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das neue Kompetenzzentrum werde sich im selben Baukörper wie die neuen Räume des Bauzentrums befinden, wovon sich Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) wechselseitige Synergieeffekte erwartet. Die Angebote sollen nicht nur Bürgern offenstehen, sondern auch Trägern der Alten-, Behinderten- und Gesundheitshilfe, der Wohnungswirtschaft, dem Handwerk und der Architektenkammer. "Das Kompetenzzentrum wird somit ein Leuchtturmprojekt für München und die Region in Themen des Wohnens im Alter und bei Behinderung", ist Schiwy überzeugt.

Um die zusätzlichen Aufgaben leisten zu können, gibt es auch zusätzliches Personal: Zwei Stellen bekommt das Team hinzu. Für Raummiete und Personal veranschlagt das Sozialreferat zusätzliche Kosten in Höhe von 554 000 Euro jährlich. Das neue Kompetenzzentrum, in dem die Beratungsstelle Wohnen aufgeht, wird dann künftig insgesamt knapp 1,1 Millionen Euro jährlich kosten. Endgültig darüber entscheidet der Sozialausschuss des Stadtrats am Donnerstag, mit der Zustimmung wird gerechnet.

Von November an kann der neue Standort bezogen werden, im nächsten Jahr werde dann "mit neuem Schub, erweiterten Möglichkeiten und zusätzlichem Personal" die Arbeit der Einrichtung ganz neu ausgerichtet und aufgestellt, freut sich der Trägerverein. Groß ist auch die Freude bei der SPD-Stadtratsfraktion, die vor vier Jahren den Antrag zu dem Kompetenzzentrum gestellt hat. "Lang hat es gedauert", sagt Vizefraktionschef Christian Müller. "Die bisherigen Räume waren nicht wirklich barrierefrei. Für München ist das Thema, wie kann ich möglichst lang in meiner Wohnung bleiben, ein ganz wichtiges." Viele Menschen mit geringem Einkommen wüssten nicht, dass es auch Fördergelder für die Wohnungsanpassung gibt.

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