Greta Thunberg:Besser sachlich als laut

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Greta Thunberg überraschte am Montag mit ihrer emotionalen Rede bei den Vereinten Nationen. (Foto: REUTERS)

Bisher referierte sie ernsthaft die Fakten, auf dem UN-Gipfel brachen die Emotionen aus ihr heraus. Macron zeigte Sympathie, Trump verspottete sie. Vielleicht ist Thunberg in ihrer Rede im Ton über das Ziel hinausgeschossen. In der Sache hat sie recht.

Kommentar von Christian Zaschke, New York

Seit Wochen hatte Greta Thunberg auf diesen Moment zugesteuert, auf ihren Auftritt beim Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. Sie hatte dafür den Atlantik auf einem Segelboot überquert, sie hat im amerikanischen Kongress gesprochen und dort Senatoren ermahnt, sie hat einen Preis von Amnesty International entgegengenommen, und nicht zuletzt stand sie im Zentrum des weltweiten Klimastreiks am vergangenen Freitag, dem bisher größten der Geschichte. Die Rede am Montag sollte der Höhepunkt dieser Reise sein. Nach Thunbergs hochemotionalem Auftritt fragen nun allerdings manche, ob sie ihrem Anliegen einen Bärendienst erwiesen hat.

Sie wählte die ganz großen Worte. Sie rief den versammelten Staats- und Regierungschefs zu, diese hätten durch ihre leeren Reden ihre Kindheit gestohlen. Die Welt stehe am Beginn eines Massensterbens. Sie selbst sollte doch eigentlich gar nicht im Saal sein, sondern zu Hause, in Schweden, um in die Schule zu gehen. Das alles trug sie mit großem Zorn vor, ihre Stimme zitterte bisweilen, manchmal blickte sie bitterböse in den Saal.

Thunbergs Emotionalität spielt ihren Kritikern in die Hände

Die Reaktionen auf diesen Auftritt waren gespalten, gleichgültig ließen sie wohl niemanden. Die Kritiker der 16 Jahre alten Aktivistin sahen sich darin bestätigt, dass es sich um ein überdrehtes Kind handele, das zur Panikmache neige und nicht ganz ernst zu nehmen sei. Ein Kommentator des Senders Fox News ging so weit, Thunberg als geisteskrank zu bezeichnen - das ging allerdings selbst Fox News zu weit, der Sender entschuldigte sich.

Die Anhänger Thunbergs sahen hingegen einen Auftritt, der in seiner Emotionalität der Dringlichkeit des Themas angemessen war. Der Klimaschutz dulde keinen Aufschub, das habe Thunberg mit ihrer Rede mehr als deutlich gemacht. Zweifelsohne hat sie einigen Nachhall hinterlassen. Mehrere Redner, die ihr folgten, zeigten sich beeindruckt. Der französische Präsident Emmanuel Macron brachte seine Sympathie zum Ausdruck. US-Präsident Donald Trump fand hingegen Zeit, sie auf Twitter zu verspotten.

Womöglich wäre es effektiver gewesen, wenn Thunberg ihren üblichen Vortragsstil beibehalten hätte. Normalerweise referiert sie einfach die Fakten, sie tut das ernsthaft, beinahe monoton, und gerade dadurch entfalten ihre Worte besondere Wirkung. Andererseits hatte sie offenbar den Eindruck, auf dieser, der größten Bühne vor den Augen der Welt, eine andere Tonart anschlagen zu müssen, um wirklich gehört zu werden.

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Von Christian Zaschke

Vielleicht ist sie über das Ziel hinausgeschossen

Die Stärke von Thunbergs Auftritten vor diesem Montag lag darin, dass sie nicht getrieben wirkte. Sie trat auf als jemand, der die Welt in aller Ruhe an ihre Verantwortung der Natur gegenüber erinnert. Vor den Vereinten Nationen wirkte es dagegen nun, als brächen all die Emotionen aus ihr heraus, die sich aufgestaut hatten in einem Jahr, in dem sie von einem unbekannten Mädchen aus Stockholm, das freitags nicht in die Schule ging, zum weltweit bekannten Gesicht des Protests gegen den Klimawandel wurde.

Man muss sich immer wieder vor Augen führen, was für eine unwahrscheinliche Geschichte das ist: wie aus dem Schulstreik einer einzelnen, damals 15 Jahre alten Person eine Bewegung wurde, die mittlerweile den Erdball umspannt. Vielleicht ist Greta Thunberg in ihrer Rede vor den Vereinten Nationen im Ton über das Ziel hinausgeschossen. In der Sache hat sie weiterhin absolut recht.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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