Konflikt mit Iran:Europa muss Härte zeigen - und dennoch vermitteln

Nach Tagen der Zurückhaltung positionieren Merkel, Macron und Johnson sich sehr eindeutig gegenüber Iran - und machen das Land verantwortlich für Angriffe auf saudische Ölanlagen. Das kommt überraschend, ist aber notwendig.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Viel eindeutiger hätte das Signal nicht ausfallen können, das die Regierungschefs der drei wichtigsten europäischen Staaten Iran in der Nacht auf diesen Dienstag gesandt haben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premier Boris Johnson und Kanzlerin Angela Merkel weisen dem Regime in Teheran eindeutig die Verantwortung für die jüngsten Angriffe auf die Ölindustrie Saudi-Arabiens zu. "Es gibt keine andere plausible Erklärung", heißt es in ihrer Stellungnahme.

Sie kommt überraschend, nachdem sich Macron am Sonntag noch zurückhaltend geäußert und Berlin sich lange in allgemeinen Formulierungen ergangen hatte. Aber letztlich ist dieses gemeinsame Statement wohl unvermeidlich und richtig, wenn die Europäer ihre Glaubwürdigkeit wahren wollen. Zu erdrückend ist die Last der Indizien, dass Iran entscheidenden Anteil an diesem komplexen militärischen Angriff auf ein Nachbarland hatte. Damit ist ein Niveau der Eskalation erreicht, bei dem es ein weiter wie bisher nicht mehr geben kann.

Schon die Minen-Angriffe auf Schiffe im Golf trugen die Handschrift der iranischen Revolutionsgarden. Darauf hatte Europa noch mit Mahnungen zur Zurückhaltung reagiert und mit der Debatte über eine Schutzmission im Persischen Golf. Doch dieser neue Angriff löst, auch wenn er von irregulären Kräften und womöglich nicht von iranischem Boden aus geführt wurde, das Recht auf Selbstverteidigung aus. Die Region steht am Rande einer offenen militärischen Auseinandersetzung, die in einen großen Krieg münden kann.

Taktische Überlegungen müssen da hintanstehen. Bislang wollten die Europäer den moderaten Kräften in Iran den Handlungsspielraum nicht zu weit einengen. So nahm man hin, dass Teheran Bestimmungen des Atomabkommens brach. Denn die Europäer möchten das Abkommen erhalten und haben den Ausgangspunkt der Krise richtigerweise bei US-Präsident Donald Trump verortet: Er war ausgestiegen und hat neue, einschneidende Sanktionen verhängt.

Doch das Atomabkommen ist kein Freundschaftsvertrag mit Iran und schon gar kein Bündnisvertrag gegen Amerika oder andere Golfstaaten, der Iran Immunität verleiht. Natürlich zielt der Angriff auf Saudi-Arabien indirekt eigentlich auf die USA, aber das rechtfertigt ihn in keiner Weise.

Maximaler Gegendruck aus Teheran

Wenn auch diesmal eine entschiedene diplomatische Reaktion ausbleibt, ist die nächste Provokation eine Frage der Zeit. Das Atomabkommen hat seinen Wert für Europa nur so lange, wie es seinen Zweck erfüllt: Iran daran zu hindern, sich Atomwaffen zu verschaffen. Für Europa stellt sich die Frage, ob man in Teheran noch Partner hat, die an einer konstruktiven Lösung der Krise interessiert sind.

Groß sind die berechtigten Zweifel, ob Präsident Hassan Rohani noch den Kurs bestimmt. In Teheran haben sich vorerst jene durchgesetzt, die mit einer Strategie maximalen Gegendrucks auf Trumps Kampagne des maximalen Drucks antworten wollen. Sie sahen sich bestärkt, nachdem Trump darauf verzichtete, mit Marschflugkörpern und Bomben auf den Abschuss einer US-Drohne zu reagieren. Auch an der Entschlossenheit der Europäer hegen sie berechtigte Zweifel, nachdem die Diskussion über eine maritime Schutzmission über Ankündigungen nicht hinausgekommen ist.

Europa bleibt in dieser Situation nichts, als sich klar zu positionieren und zugleich weiter als Vermittler zu betätigen. Den Rahmen haben die drei Regierungschefs definiert: "Wir bekräftigen unsere Überzeugung, dass es an der Zeit ist, dass Iran Verhandlungen über einen langfristigen Rahmen für sein Atomprogramm akzeptiert ebenso wie zu Fragen der regionalen Sicherheit, die sein Raketenprogramm und andere Trägersysteme umfassen." Die Erfolgsaussichten sind vage - aber die Krise weiter eskalieren zu lassen, ist keine Alternative.

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