Europäische Zentralbank:Darum geht die deutsche EZB-Direktorin

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Sabine Lautenschläger saß seit 2014 im EZB-Direktorium (Foto: REUTERS)
  • Ein Schlusspunkt einer enttäuschten Beziehung zwischen ihr und der obersten EZB-Führung.
  • Bereits zum dritten Mal ein vorzeitiger Rücktritt des deutschen Mitglieds des EZB-Direktoriums.

Von Markus Zydra

Sabine Lautenschläger hat öffentlich keine Erklärung abgegeben, warum sie überraschend ihren Posten im EZB-Direktorium aufgibt. Das war vielleicht auch nicht nötig, denn im Jahr 2012, die Juristin hatte ihr Amt als Vizepräsidentin der Bundesbank ein paar Monate inne, antwortete sie auf die Frage, wie sich dieser Karrieresprung anfühle: "Sehr gut. Für mich ist es wichtig, dass ich mich bei meiner Arbeit nicht als Söldner fühle, sondern die Aufgabe mit Überzeugung ausfülle."

Diese Überzeugung ist Lautenschläger bei der Europäischen Zentralbank in den letzten Monaten wohl nach und nach verloren gegangen. Sie hat hingeworfen. Ihr Vertrag wäre noch bis 2022 gelaufen, doch Ende Oktober ist Schluss. Es ist der Schlusspunkt einer enttäuschten Beziehung zwischen der respektierten Bankenaufsichtsexpertin und dem obersten EZB-Führungsgremium, in dem sich die 55-Jährige nicht mehr wohlfühlte.

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Mario Draghi, der gleichzeitig mit ihr ausscheidende EZB-Präsident, soll Groll gehegt haben gegen sie. Der Italiener wollte, dass sie weitermacht als Vizepräsidentin der EZB-Bankenaufsicht. Dieses Mandat war Anfang des Jahres ausgelaufen. Doch Lautenschläger stand der Sinn nach einem Schlusspunkt. Sie strebte nach anderen - spannenden - Aufgaben im EZB-Direktorium. Draghi gab ihr daraufhin den wenig prickelnden Bereich Statistik, später noch den Banknotenbereich und Zahlungsverkehr. Das Verhältnis der beiden war getrübt, denn Lautenschläger übte auch scharfe Kritik an Draghis Entscheidung, die Geldpolitik erneut zu lockern.

Mit dem jüngsten Beschluss der EZB, den Leitzins erneut zu senken und das Anleihekaufprogramm wieder zu starten, hat der Italiener auch seiner Nachfolgerin Christine Lagarde die Hände gebunden. Lautenschläger befürchtete wohl, dass auch mit der Französin an der EZB-Spitze die "Überzeugung" leiden könne.

Ihr abrupter Abschied ist ein Politikum, denn Lautenschläger vollzieht bereits den dritten vorzeitigen Rücktritt eines deutschen Mitglieds im EZB-Direktorium. Jürgen Stark, der damalige Chefvolkswirt, warf 2011 hin aus Protest gegen das Anleihekaufprogramm der Notenbank. Sein Nachfolger Jörg Asmussen ging 2013 aus persönlichen Gründen. Als einziger Deutscher hat der Ökonom Otmar Issing die vorgesehenen acht Jahre auf diesem Posten bei der EZB durchgehalten. Europas Notenbank wurde 1998 nach dem Vorbild der Bundesbank geformt. Inzwischen spielt die strenge geldpolitische Tradition der deutschen Notenbank in der europäischen Institution kaum mehr eine Rolle.

Die erste Frau im Vorstandsgremium einer deutschen Notenbank überhaupt

Lautenschläger hat eine steile Karriere gemacht. Der damalige Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, beförderte sie 2008 zur obersten Bankenaufseherin der Behörde, wo sie zunächst auch als Pressesprecherin gearbeitet hatte. Im Jahr 2011 wurde sie Vizepräsidentin der Bundesbank, sie war die erste Frau überhaupt im Vorstandsgremium der deutschen Notenbank. Schließlich der Ruf in den Euro-Tower, es folgten erfolgreiche Jahre. Zusammen mit der Französin Danièle Nouy führte sie die neu gegründete Europäische Bankenaufsicht, die bei der EZB angesiedelt ist. Das Führungsduo harmonierte, beide etablierten eine strenge Aufsicht und nahmen die Großbanken an die kurze Leine.

Lautenschläger ist 1964 in Stuttgart geboren, ihre Eltern waren aus Ostdeutschland geflohen. "Sie haben mir mitgegeben, dass ein weiterer Krieg am besten dadurch vermieden wird, indem man den Zusammenhalt Europas stärkt", sagt sie. Nach dem Jurastudium arbeitete sie für das Auswärtige Amt in Chicago und absolvierte ein Förderprogramm bei der US-Finanzmarktaufsicht SEC. Sie ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.

Was bringt der nächste Job? Zu einer Großbank darf sie die nächsten zwei Jahre nicht wechseln, wegen des Interessenkonflikts. Aber sie wollte ja auch nie Söldnerin werden.

© SZ vom 27.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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