Ukraine-Affäre:Mehr Polit-Show als Befragung

Acting Director of National Intelligence Joseph Maguire due to testify in US Congress

US-Geheimdienstchef Joseph Maguire bei seiner Aussage vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses.

(Foto: AFP)

Der US-Kongress vernimmt Geheimdienstchef Maguire zum Hintergrund der Whistleblower-Beschwerde. Die Demokraten nehmen das ernst, die Republikaner verlachen es als "Parodie".

Von Thomas Kirchner

Nicht erst seit Donald Trump regiert, trennt ein Graben die beiden politischen Lager in den USA. Es ist, als lebten Republikaner und Demokraten längst in unterschiedlichen Welten. Wie tief der Graben inzwischen ist, hat am Donnerstag die Anhörung von Joseph Maguire im Kongress gezeigt.

Vom obersten nationalen Geheimdienstkoordinator wollte der zuständige Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses Näheres über den Umgang der Behörden mit der Beschwerde des Whistleblowers wissen, der Präsident Trump schwer belastet. So schwer, dass die Demokraten deswegen ein Amtsenthebungsverfahren in Gang setzen wollen. Im Mittelpunkt steht das umstrittene Telefonat Trumps mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij vom Juli 2019, von dem bisher nur eine Mitschrift bekannt ist, die das Weiße Haus am Mittwoch veröffentlicht hatte.

Die Demokraten sehen in dem Vorgang eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Republikaner werten ihn als Farce, als politische Travestie, die ihre Gegner in Zusammenarbeit mit den verhassten "Mainstream-Medien" aufführen. Der Erkenntnisgewinn dieses Morgens, um es vorwegzunehmen: eher gering.

Beide Perspektiven werden, wie in einer Fernsehshow, zu Beginn vom demokratischen Ausschussvorsitzenden Adam Schiff und seinem republikanischen Stellvertreter Devin Nunes präsentiert. Schiff rekapituliert die Umstände des Gesprächs: die Ukraine, zum Teil besetzt von russischen Truppen, verzweifelt angewiesen auf Hilfe der USA. Diese habe sie bekommen, aber nur bis kurz vor dem Telefonat. Dann fasst er Trumps weitere Worte zusammen, auf seine Art, die Nunes später wütend als "Parodie" bezeichnen wird.

Das geht, in Schiffs Worten, ungefähr so: "Wir waren sehr gut zur Ukraine. Aber ich sehe nicht viel Gegenleistung hier. Ich bringe Sie mal zusammen mit meinen Leuten, mit meinem Rechtsberater Rudy Giuliani und Justizminister William Barr. Mit dem ganzen Gewicht der US-Justiz also. Und ich sage Ihnen das lieber mehrmals, damit Sie mir auch vertrauen. Und übrigens: Rufen Sie mich lieber nicht an, ich rufe Sie an."

Diese Darstellung ist, natürlich, eine Überzeichnung des tatsächlich Gesprochenen, wenn auch nur eine leichte, und sie rührt an die Kernfrage: Hat Trump seine Befugnisse überschritten, als er Selenskij in dem Gespräch nahelegte, eine Untersuchung gegen seinen demokratischen Widersacher Joe Biden zu forcieren?

Aber darum geht es hier heute nur indirekt. Vielmehr versuchen die Demokraten zu klären, warum der Generalinspekteur der Geheimdienste, Michael Atkinson, die Beschwerde und ihren Inhalt für so "dringend besorgniserregend" und "glaubwürdig" hielt, dass er empfahl, den Kongress zu informieren. So wie es das Whistleblower-Gesetz vorsieht. Maguire hingegen befand, dass die rechtlich definierte Bedingung des "dringend besorgniserregend" nicht vorlag und man sich hier zudem im Bereich des executive privilege befinde, in dem der Präsident mehr oder oder weniger tun und lassen kann, was er will, ohne sich dafür verantworten zu müssen.

"Sie wollen keine Antworten, Sie wollen ein Spektakel"

Doch wie kam er zu dieser Einschätzung?, wollen die Demokraten wissen. Maguire muss gestehen, dass er sich an die obersten Rechtsberater der Regierung, das Office for Legal Counsel, und an das Justizministerium gewendet habe. Wie bitte, haken die Demokraten ein, er habe also zuerst jene kontaktiert, die in der Beschwerde als Beschuldigte firmieren? Er habe sich immer an den Buchstaben des Gesetzes gehalten, sagt Maguire.

Das ist Teil seiner Verteidigungslinie. Der langjährige Offizier versucht sich als treuer Diener des Staates zu präsentieren, der in Jahrzehnten beim Militär und nun im neuen Amt, um das er sich nicht beworben habe, nichts als die Interessen des Vaterlands im Sinne hatte. Und jedenfalls nichts mit Politik am Hut habe. Er muss jedes Zeichen der Parteilichkeit vermeiden. Trump wiederum hat den Whistleblower als political hack bezeichnet, dem es nicht um das Land ging, sondern um ein politisches Ziel.

Nun ist Nunes dran, er spricht von einem "Krieg" gegen Trump, von "Hysterie", "Fake News", einer "Scharade". "Sie wollen keine Antworten, Sie wollen ein Spektakel", sagt er zu den Demokraten in der Kammer. Und es sei ja klar, warum das geschehe. Er habe gehört, wie ein Demokrat sagte: "Wenn wir jetzt nicht versuchen, ihn des Amtes zu entheben, dann wird er wiedergewählt."

So geht es weiter: Die Demokraten wollen wissen, warum Maguire den Kongress erst jetzt informierte, als das Weiße Haus die Informationen freigab. Schließlich stehe im Gesetz, er "müsse" in solchen Fällen innerhalb von sieben Tagen den Kongress informieren. Aber er habe die Sache eben für nicht so dringend und besorgniserregend gehalten wie der Generalinspektor, wiederholt Maguire. Es sei auch eine komplexe Angelegenheit, noch dazu beispiellos.

Ob es ihm nicht verdächtig vorgekommen sei, dass Trump kurz vor dem Gespräch ein Ende der US-Militärhilfe an die Ukraine in Höhe von 400 Millionen Dollar verfügt habe, will Schiff wissen. Davon verstehe er nichts, sagt Maguire. Wiederholt kommt auch die Frage, ob er darüber mit Trump gesprochen hat. Die immer gleiche Antwort: Er treffe Trump kraft Amt mehrmals die Woche, über den Inhalt der Gespräche dürfe er nichts sagen.

Eine Demokratin beklagt, dass das Geschehene alle künftigen Whistleblower abschrecken müsse. Schließlich habe die Nation von dem Vorgang nur erfahren, weil der Generalinspektor schließlich selbst Alarm schlug. Woraufhin Maguire sich beeilt zu sagen, dass er höchsten Respekt vor dem Whistleblower habe, der sich völlig korrekt verhalten und "in gutem Glauben" gehandelt habe. Im Übrigen handle es sich nur um "Behauptungen", die noch dazu auf "Hörensagen" und "Informationen aus zweiter Hand" beruhten.

Drei Stunden und zwanzig Minuten dauert die Anhörung. Den Republikanern gehen die Fragen aus, sie nehmen den Vorgang schließlich nicht ernst. Nunes, in gespielter Verzweiflung, wendet sich an die Demokraten: "Versuchen Sie doch, den Präsidenten des Amtes zu entheben. Aber dazu müssen Sie in den Kongress kommen und eine Abstimmung herbeiführen."

Schiff dankt Maguire, versichert ihn seiner Hochachtung. Aber das Land hänge nun einmal von solchen Whistleblowern hab. "Anders funktioniert das System nicht." Und nicht zuletzt müssten auch die von Korruption geplagten Ukrainer an einer Aufklärung der Affäre interessiert sein. Schiffs letzter Satz: "Das ist Demokratie."

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Einerseits ist es geradezu geboten, dass die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump betreiben. Andererseits dürfte am Ende ausgerechnet Trump davon profitieren.

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