Essen:Fett for Fun

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Der Triple Bypass Burger, den man sich in Las Vegas einverleiben kann, hat 6000 Kilokalorien, und dann kommen noch Pommes dazu.

(Foto: Matt York/AP)

Der Gegentrend zum Veganismus: Dreifach- oder Vierfach-Burger mit bis zu 10 000 Kilokalorien oder paniertes Hühnchen zwischen Donuts mit Zuckerguss. Warum bloß zieht sich jemand so was rein?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Bevor es um dieses 720-Kilokalorien-Gerät geht, um dieses frittierte Hühnchen in der Mitte zweier glasierter Donuts, sollte die wohl meistgehasste Farbe der Vereinigten Staaten von Amerika erwähnt werden: Grau. Es gibt fast nur noch Schwarz und Weiß in diesem Land, links und rechts, dazwischen nichts mehr, und wer sich politisch oder gesellschaftlich in der Mitte positioniert, der wird von Anhängern beider Seiten schnell zur unerwünschten Person erklärt. Wer allen gefallen will, gefällt am Ende niemandem mehr.

Das könnte eine Erklärung sein für einen kulinarischen Trend, den die Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) gerade in den Bundesstaaten Pennsylvania und Virginia mit einem Testlauf auf die Spitze treibt: Da steckt also ein paniertes Hühnchen zwischen zwei Donuts mit Zuckerguss, und das Unternehmen sagt zu der Kalorienbombe: "Die Kunden wollen innovative Kombinationen für den Heißhunger, die ihnen das Beste aus den süßen und salzigen Welten bieten und für ein einzigartiges Geschmackserlebnis sorgen." Wird mit so einem Produkt eine Klientel angesprochen, die sich von all den Ermahnungen zu gesunder Ernährung in ihrer Junkfood-Freiheit eingeschränkt fühlt?

Wirklich neu ist diese Süß-salzig-Kombination nicht, in Houston gibt es das Restaurant "Sam's Fried Chicken and Doughnuts", das seit Jahren auf genau dieses Sandwich spezialisiert ist. Im Bundesstaat New Jersey bietet "Cars Sandwiches and Shakes" eine Hackfleischbulette mit Käse zwischen zwei Donut-Hälften an. Und in Chicago gibt es jedes Jahr die Sweets & Snacks Expo, auf der Kreationen wie zum Beispiel in Schokolade gehüllte Kartoffelchips, Bonbons mit Faule-Eier-Geschmack oder Wurst in Gummibärhülle präsentiert werden.

Donut Chicken

Der Chicken Donut ist mit 720 Kalorien im Vergleich zum Triple Bypass Burger schon fast ein Diätprodukt.

(Foto: AP)

Auch die Kombination zweier Nahrungsgenres gibt es seit mehr als 40 Jahren, in Los Angeles gerade sehr beliebt: mexikanisches Sushi, bei dem zum Beispiel die Zutaten für einen Burrito (Fleisch, gebackene Bohnen, Käse) in Japonica-Reis und Meeresalgen gerollt und mit Salsa-Soße übergossen werden. Oder umgekehrt der "Sushirrito", bei dem Sushi-Zutaten wie roher Thunfisch oder Lachs mit Wasabi-Soße in eine Weizentortilla gestopft werden. Oder die Pizza mit Bratwurst im Rand. Oder die Kalifornisierung sämtlicher Stile durch die Zugabe lokaler Früchte wie Avocados, die Bret Easton Ellis in seinem Roman "American Psycho" verkohlt hat.

Es gibt nicht nur in den USA eine Debatte darüber, wie sich Menschen ernähren sollten, und wie in vielen anderen Diskussionen gilt der Bereich in der Mitte als Minenfeld, weil derjenige, der sich dort positioniert, den Hass von beiden Seiten abbekommt. Das Subgenre "Foodporn" auf sozialen Netzwerken, also das Posten sämtlicher zu sich genommener Nahrung, sorgt dafür, dass viele Leute allen anderen immerzu mitteilen, was sie sich einverleiben werden - und alle anderen das dann begeistert oder angewidert kommentieren.

Thanksgiving-Truthahn, gefüllt mit Steak und umhüllt mit Speck

Es gibt auf der einen Seite der Front all jene, die Tiere als Nahrung kategorisch ablehnen. Das erklärt den Hype um angeblich besonders schmackhafte fleischlose Buletten, der mittlerweile auch das Wurstland Deutschland erreicht hat und für Debatten mit Fleisch-Grillern sorgt. Die Fast-Food-Kette Burger King bewirbt den veganen Impossible Whopper und die in veganem Öl frittierten Pommes derart offensiv, dass auch McDonald's, Taco Bell und KFC fleischlose Varianten anbieten. Die kalifornische Kette Fatburger, die sich selbst den "letzten großartigen Burgerladen" nennt, hat vor zwei Jahren den vegetarischen Impossible Burger eingeführt und verwendet mittlerweile veganen Käse.

Es muss allerdings zu jedem Schwarz ein Weiß geben, und so wie es ganz besonders stolze SUV-Eigentümer und Waffenbesitzer gibt, entsteht nun also der kulinarische Gegentrend zu veganem Essen, also zum Beispiel das Chicken-Donut-Sandwich von KFC. Das Unternehmen hat übrigens zuletzt häufig zu hören bekommen, es möge sich doch bitteschön auf einer Seite positionieren und nicht erst einen veganen Burger und dann eine Kalorienbombe anbieten. Wer allen gefallen will, der gefällt am Ende niemandem mehr. Es werden bereits Rezepte für den Thanksgiving-Truthahn herumgeschickt, gefüllt mit Steak und umhüllt mit Speck, der deshalb "Gobble-Oink-Muh" genannt wird. Es gibt die "Pizzagne", bei der eine Hackfleisch-Lasagne auf eine Vier-Fleisch-fünf-Käse-Pizza gestellt wird und bei der jeder, der ein Stück isst, eine Ahnung von der Masse eines Schwarzen Lochs bekommt. Es gibt "Creamwiches", Eiscreme zwischen Chocolate-Chip-Cookies, garniert mit Zuckerstreuseln und in Schokosoße getunkt - für 560 Kilokalorien.

Wer den "Quadruple Bypass Burger" schafft, wird im Rollstuhl zum Auto gebracht

Krassestes Symbol des Scheiß-auf-die-Gesundheit-Trends ist der "Heart Attack Grill" auf der Fremont Street in Las Vegas, der sich damit rühmt, dass jeder, der regelmäßig dort isst, ganz sicher einen Herzinfarkt erleiden wird. Es gibt einen Burger mit 910 Gramm Fleisch darauf, ein 8000-Kilokalorien-Ungetüm, und jeder, der ihn bestellt und nicht aufisst, bekommt von einer Bedienung im Krankenschwesterkostüm mit einem Paddel den Hintern versohlt. Wer mehr als 160 Kilogramm wiegt, der darf kostenlos so viel essen, wie er kann. Und wer den sogenannten "Quadruple Bypass Burger" (900 Gramm Fleisch, 20 Streifen Bacon, acht Scheiben Käse - 9982 Kilokalorien) schafft, der wird im Rollstuhl zum Auto gebracht. Im Februar 2013 ist ein Stammgast an der Bushaltestelle vor dem Restaurant an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

Ach, Amerika, ist man geneigt zu sagen, aber so einfach ist es nicht. Auch der Deutsche geht bisweilen nicht gerade zurückhaltend mit Deftigem um - das All-you-can-eat-Grillen ist noch immer fester Bestandteil des Speiseplans in deutschen Gärten. Wobei die Zahl derer größer wird, die angewidert mit dem Finger auf die Fleischberge zeigen. Leben und leben lassen, damit hat sich der Mensch immer schon schwergetan, mit leben und essen lassen scheint das noch schlimmer zu sein.

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