Großbritannien:Amtsmissbrauch? Johnson wehrt sich gegen Vorwürfe

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In seinen Aussagen über den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union habe er sich als "Vorbild für Zurückhaltung" erwiesen, sagte Boris Johnson am Sonntag in der BBC. (Foto: Screenshot Youtube BBC; Getty Images)
  • Die Labour-Partei wirft Premier Johnson vor, vorsätzlich Angst vor Unruhen zu schüren, sollte der Brexit-Termin ein weiteres Mal verschoben werden.
  • Die Abgeordneten der Opposition sehen dahinter die Absicht Johnsons, Notstandsgesetze aktivieren zu können, um einen Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Oktober zu vollziehen.
  • Auch im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Amtsmissbrauch, sieht Johnson keinen Grund für einen Rücktritt.

Kurz vor dem Parteitag der konservativen Tories, der an diesem Sonntag in Manchester beginnt, erhöht die Opposition den Druck auf Premierminister Boris Johnson. Die Labour-Partei wirft Johnson vor, vorsätzlich Angst vor Unruhen zu schüren, sollte der Brexit-Termin ein weiteres Mal verschoben werden. So bezichtigte Johnson Befürworter einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist der "Kapitulation" und des "Verrats". Die Abgeordneten der Opposition sehen dahinter die Absicht Johnsons, Notstandsgesetze aktivieren zu können und so einen Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Oktober vollziehen zu können.

Der Brexit-Experte der Labour-Partei, Keir Starmer, nannte Johnsons Handeln "unverantwortlich". Weiter schrieb er: "Wenn das Teil des Plans von Johnson ist, die Kompetenzen unter einer Notstandsgesetzgebung zu missbrauchen, werden wir ihn vor Gericht und im Parlament besiegen." Johnson hatte mehrfach angekündigt, dass Großbritannien die Europäische Union unter seiner Ägide in jeden Fall verlassen würde, im Zweifel auch ohne Austrittsabkommen, obwohl ihm das ein Gesetz verbietet. Wie Johnson dieses Gesetz umgehen will, ist unklar.

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Johnson hingegen lehnt einen Rücktritt ab. Auf die Frage, ob er zurücktreten würde, damit er nicht um eine Verzögerung des Brexits bitten muss, sagte Johnson am Sonntag in der britischen BBC: "Nein, ich habe mich verpflichtet, die Partei und mein Land in einer schwierigen Zeit zu führen, und ich werde das auch weiterhin tun. Ich glaube, es liegt in meiner Verantwortung, das zu tun."

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Auch im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Amtsmissbrauch, sieht Johnson keinen Grund für einen Rücktritt. Ihm wird vorgeworfen, in seinen Jahren als Londoner Bürgermeister von 2008 bis 2016 Jennifer Arcuri, eine Geschäftsfrau aus den USA mit Fördergeldern und der Teilnahme an Reisen bevorzugt zu haben. Arcuri soll diese Vorteile erhalten haben, obwohl sie nicht die erforderlichen Bedingungen für die Zuwendungen erfüllte. Die Sunday Times berichtete am Sonntag, dass Johnson mit dem Ex-Model ein Verhältnis gehabt habe.

Sowohl Johnson als auch die Geschäftsfrau weisen die Vorwürfe zurück. Er habe sich an die Vorschriften gehalten, sagte Johnson der BBC. Es lägen Indizien für eine Straftat vor, teilte die Londoner Stadtverwaltung mit. Bewiesen sei aber noch nichts. Ob ermittelt werde, müsse die Polizeiaufsicht entscheiden.

Auf dem Tory Parteitag in Manchester wird es ebenfalls um den Streit über den Brexit-Kurs gehen. Fünf Wochen vor dem geplanten Austrittsdatum zeichnen sich weder im Parlament noch bei Gesprächen zwischen London und Brüssel Fortschritte ab. Außenminister Heiko Maas sagte der Welt am Sonntag, dass Deutschland bereit sei, Großbritannien unter gewissen Umständen erneut einen Aufschub zu gewähren. "Sollte Großbritannien einen weiteren Verlängerungsantrag stellen, prüfen wir diesen konstruktiv", sagte Maas. "Wir verfolgen das klare Ziel, noch eine Einigung mit Großbritannien zu erreichen." Klar sei aber, dass eine Verlängerung über den bisher festgelegten Ausstiegstermin hinaus "mit einer Perspektive verbunden" sein müsse, wie es weitergehen solle. Allerdings müssen alle 27 EU-Mitgliedsstaaten einer neuerlichen Verschiebung des Austrittsdatums zustimmen. Frankreich hat bereits deutlich gemacht, dem skeptisch gegenüber zu stehen.

Johnson selbst hat die Opposition zu einem Misstrauensvotum ermutigt. Seine Regierung hat keine Mehrheit im Parlament und ist dringend auf Neuwahlen angewiesen. Die Opposition will aber keine Wahl, bevor ein ungeregelter EU-Austritt am 31. Oktober nicht absolut ausgeschlossen ist. Eine Koalition mit der Brexit-Partei von Nigel Farage, die den Tories die benötigte Mehrheit von 100 Sitzen verschaffen könnte, schloss Johnson in einem BBC-Interview allerdings obligatorisch aus.

© Sz.de/dpa/Reuters/hij - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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