Social Media:Justizministerin Lambrecht will Gesetz gegen Online-Hetze verschärfen

Social Media: Die Bundesministerin für Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht (SPD), bei einer Rede im Juni im Bundestag.

Die Bundesministerin für Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht (SPD), bei einer Rede im Juni im Bundestag.

(Foto: AFP)
  • Facebook, Youtube und Twitter sollen strafbare Kommentare direkt an die Behörden weitergeben.
  • So sollen Ermittler die Täter hinter den Posts leichter enttarnen können, wo sie bisher an der mangelnden Kooperation mit den Tech-Konzernen scheitern.
  • Weil es wohl um viele Tausende Posts pro Monat ginge, dürfte das für die Justiz einen massiven Mehraufwand bedeuten.

Von Max Hoppenstedt

Kaum ein neues Gesetz ist in den vergangenen Jahren so heftig und von so vielen Seiten kritisiert worden wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). 2017 von Heiko Maas auf den Weg gebracht, sollte es dafür sorgen, dass strafbare Hetze und illegale Posts aus den sozialen Netzwerken verschwinden. Es war eines von Maas' Prestigeprojekten als Justizminister. Doch wer heute Facebook, Youtube und Twitter öffnet, merkt schnell, dass dieses Gesetz nicht funktioniert.

Nun hat sich Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem ARD-Interview dafür starkgemacht, das Gesetz zu verschärfen: Social-Media-Konzerne sollen Posts mit Morddrohungen oder Volksverhetzungen direkt den Ermittlungsbehörden melden müssen. Zurzeit verpflichtet das NetzDG die Anbieter nur dazu, die Beiträge zu löschen. Für die Verfolgung der Urheber sind Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig - doch sie ermitteln nur, wenn Anzeige erstattet wird. Hier setzt Lambrechts Vorschlag an: "Ich weiß nicht, warum man erst abwarten muss, bevor die Opfer aktiv werden", begründet sie ihren Vorstoß in der Sendung "Bericht aus Berlin".

Sollte Lambrechts Plan vom Kabinett und vom Bundestag gebilligt werden, könnte dies die Arbeitslast deutscher Staatsanwälte und Ermittler gravierend erhöhen. Allein Youtube hatte es im ersten Halbjahr 2019 mit mehr als 300 000 gemeldeten Inhalten zu tun, die unter das NetzDG fallen. Zu den rund 20 dort aufgeführten Straftaten zählen kinderpornografisches Material, Kommentare mit Hakenkreuzen, Holocaustleugnung, Gewaltaufrufe, Beleidigungen. Ob Lambrecht plant, dass alle NetzDG-Delikte an die Ermittler weitergeleitet werden müssen, ist noch unklar. Im Interview sprach sie von Offizialdelikten - Taten, die von Amts wegen verfolgt werden müssen. Allein die Posts, die soziale Netzwerke wegen Morddrohungen und Volksverhetzungen sperren oder prüfen, dürften in die Zehntausende gehen.

Jeden Tag Tausende Posts

Aber Beleidigungen, die gemäß NetzDG ebenfalls gelöscht werden müssen, gehören zu jenen Verstößen, die erst verfolgt werden, wenn eine Anzeige vorliegt. Hessen plant im Bundesrat bald eine Gesetzesinitiative, die auch Beleidigungen zum Offizialdelikt erklärt. Sollte die Initiative erfolgreich sein, würde Lambrechts Vorschlag das Arbeitsvolumen der Ermittler noch einmal um ein Vielfaches steigern: Beleidigungen machen den größten Anteil der nach dem NetzDG gemeldeten Posts aus. Die Konzerne würden dann jeden Tag Tausende Posts melden.

Die amerikanischen Tech-Konzerne brächte Lambrechts Plan in eine schwierige Lage: Nur ungern wollen sie als diejenigen dastehen, die ihre eigenen Nutzer bei den Behörden anschwärzen. Wer mit Ermittlern spricht, die tagtäglich Online-Hetzer verfolgen, erfährt dagegen, dass Lambrechts Vorschlag tatsächlich etwas bewirken könnte. Eines ihrer größten Probleme nämlich ist fehlende Geschwindigkeit.

Immer wieder kommt es vor, dass Ermittler Täter nicht identifizieren können, weil die Posts, deretwegen sie ermitteln, schon vor mehreren Wochen veröffentlicht wurden. Um die Täter zu identifizieren, ist häufig die sogenannte IP-Adresse nötig - eine individuelle Nummer, die Provider jedem Nutzer zuweisen. Anbieter wie Facebook, Youtube oder Twitter kennen die IP-Adressen ihrer Nutzer, geben diese jedoch nicht schnell genug heraus. Gerade bei Taten wie der Holocaustleugnung, die in Amerika nicht illegal sind, kommt es des Öfteren zu Verzögerungen.

Eigentlich könnten Ermittler mit der IP-Adresse von Providern wie Vodafone, Telekom oder O2 Adresse und Name eines Nutzers erfahren. Da IP-Adressen aber höchstens ein paar Tage gespeichert werden, stehen Ermittler mit leeren Händen da, sobald ein Tech-Konzern die fragliche Nummer zu spät liefert. Lambrechts Plan wäre hier durchaus eine Hilfe: Die Ermittler könnten schon kurz nach der Veröffentlichung eines unzulässigen Kommentars die Arbeit aufnehmen. Schließlich verpflichtet das NetzDG die Konzerne, strafbare Posts innerhalb von 24 Stunden zu löschen.

Außer der fehlenden Geschwindigkeit haben die Ermittler noch ein Problem, mit dem sie kämpfen: Schon heute sind sie überlastet. Bisher gibt es nur wenige Dutzend auf Online-Hetze spezialisierte Staatsanwälte in Deutschland. Auch wenn die Ressourcen mithilfe mehrerer Schwerpunktstaatsanwaltschaften momentan langsam ausgebaut werden: Für Zehntausende Posts reicht das Personal noch lange nicht.

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