Tennis:Das gleiche Los wie Boris Becker

2019 China Open - Day 2

In Peking: der schottische Tennisprofi Andy Murray.

(Foto: Lintao Zhang/Getty Images)

Auch der schottische Profi Andy Murray wird eines Tages eine künstliche Hüfte benötigen.

Von Gerald Kleffmann, Peking/München

Am Sonntag beginnt das Masters-Turnier in Shanghai, das ein besonderes wird. Erstmals seit den Australian Open im Januar werden die "Big Four" in einem Feld sein. Wenn sich Roger Federer, 38, Rafael Nadal, 33, Novak Djokovic, 32, und Andy Murray, 32, begegnen, können sie sich diesmal mehr als sonst die Frage stellen: Wie geht's? Dass auch die vier prägenden Figuren des Tennissports in die Jahre kommen, ist ein Fakt und ließ sich auch daran erkennen, dass in den vergangenen Monaten nur von den "Großen Drei" die Rede war. Zwar zwickte es auch mal bei dem Schweizer (Rücken), dem Spanier (Hand) und dem Serben (Schulter), doch sie agierten wenigstens auf der Tour, was auf Murray nicht zutraf. Nachdem der Schotte in Melbourne vom Karriereende gesprochen hatte, ließ er sich an der Hüfte operieren, kehrte im Sommer im Doppel zurück, und nach ersten Versuchen im Einzel, die nur zu einem Sieg auf ATP-Level führten, erkannte er: "Ich erwarte nicht, dass ich wieder meine Bestleistung erreiche." Koketterie war das keineswegs, denn im Gespräch mit der britischen Zeitung Express verriet Murray nun: Seine Hüfte, die verknappt geschildert teils metallisch ummantelt ist, wird er spätestens in 20 Jahren durch eine künstliche ersetzen müssen.

Murray wird es demnach ergehen wie Boris Becker, 51, der vor 20 Jahren seine Karriere beendete und später eine künstliche Hüfte benötigte, zu groß waren die Verschleißerscheinungen aus seiner aktiven Zeit. Trotzdem versucht Murray, im Einzel weiterhin Anschluss zu finden, an diesem Dienstag trifft er in Peking (dank Protected Rankings) in der ersten Runde auf den US-Open-Halbfinalisten Matteo Berrettini (Italien), für Shanghai erhielt er eine Wildcard. Er sei beschwerdefrei, sagte Murray, auch nach zweieinhalb Stunden auf dem Platz habe er keine Schmerzen, weshalb er daran glaube, sich "auf hohem Niveau messen zu können". Doch er räumte auch ein: "Es gibt eine psychologische Folge. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist unbewusst etwas in mir, das mir immer sagt: Du wirst körperlich nie mehr so sein wie vorher."

Dass Murray das Wagnis des Comebacks einging, lag an seiner Ärztin, die ihn dazu ermutigte. Und auch daran, dass er hofft, das Ende seiner Karriere, die zu drei Grand-Slam-Titeln und zwei olympischen Goldmedaillen geführt hat, frei bestimmen zu können. Nach Shanghai wird er 2019 noch in Antwerpen antreten, für Wien läge eine Wildcard bereit. Auch bei der neuen Finalwoche im Davis Cup Mitte November könnte er antreten, mit Großbritannien. Sogar von einer letzten Olympia-Teilnahme sprach Murray. Denn in ihm sind nicht nur Zweifel. "Manchmal muss man sich auch die Frage stellen: Warum nicht? Warum sollte ich nicht der gleiche werden?" Murray, das ist offensichtlich, bestreitet auf der letzten Etappe weniger einen Kampf mit Gegnern. Er ringt vielmehr mit sich selbst.

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