Komödie:Wisch und weg

Glitzernde Overknee-Stiefel, schwer abhängige Handynutzer auf und neben der Leinwand, dazu eine wunderbar grantlige Hauptdarstellerin: Bei der Kino-Premiere von "Eine ganz heiße Nummer 2.0" geht es hektisch, heiter und harmonisch zu. Gisela Schneeberger verliert sogar ihr Herz

Von Josef Grübl

Die Zeiten, in denen liebestolle Menschen zwecks Triebabfuhr zum Telefon griffen, sind längst vorbei: Heute geht man dafür online, nutzt Porno- oder Dating-Seiten, lädt sich Apps aufs Handy und wischt und glotzt so lange darauf herum, bis sich das mit dem Trieb irgendwann von selbst erledigt hat. Unbefriedigt bleiben nur die, die all die schönen Onlineangebote nicht nutzen können. Offline drehen die Menschen durch, und zwar nicht nur die liebestollen, wie man in "Eine ganz heiße Nummer 2.0" sehen kann.

Bei der Premiere am Montagabend im Mathäser-Kino geht es zwar eigentlich um diese Komödie, doch bevor sie läuft, wird viel geglotzt und herumgewischt, bevorzugt auf Handydisplays natürlich. Gerade erst hat ein Handy-Unternehmen die Smartphone-Nutzung nach Ländern aufgezählt und kommt für Deutschland auf eine beachtliche Zahl: Im Durchschnitt scrollt der Deutsche 173 Meter über Smartphonebildschirme täglich. Das ist zehn Mal die Länge des roten Teppichs am Montagabend. Dort herrscht die höchste Online-Dichte: Man twittert, whatsappt oder checkt nur mal schnell die Mails, als Auslegeware machen derweil die Hauptdarstellerinnen Rosalie Thomass, Bettina Mittendorfer und Gisela Schneeberger Dreier-Selfies. Nicht auszudenken, wenn es hier kein Internet gäbe: Dann würden sie alle durchdrehen, die liebestollen und die anderen natürlich auch. "Kein Netz, keine Liebe", steht auf den Plakaten hinter ihnen. Einer großen Fan-Liebe ist dieser Abend und der dazugehörige Film überhaupt erst zu verdanken: Im Jahr 2011 kam die bayerische Komödie "Eine ganz heiße Nummer" heraus, in der drei Dorffrauen aus dem Bayerischen Wald eine Telefonsex-Hotline gründeten und fortan so laut stöhnten, dass selbst der Pfarrer rote Ohren bekam. Im Film hatten sie damit nur mäßig Erfolg, im Kino dagegen umso mehr: 1,3 Millionen Zuschauer kauften sich ein Ticket für diese gar nicht mal so heiße Nummer. Denn das fernmündliche Gestöhne war schon damals ein Anachronismus, selbst im Bayerischen Wald gab es in jenen Jahren schon Internet. Nur eben kein so starkes, deshalb klappt es bis heute nicht so gut mit all den Apps, den Porno- und den Dating-Seiten. Genau deshalb haben die Macher eben das zum Thema dieser späten Fortsetzung gemacht.

Und wer weiß, vielleicht sind ja wirklich ein paar Premierengäste da, die sich für die schlechte Netzabdeckung in den äußersten Winkeln des Freistaats interessieren und darüber einen Film sehen wollen. Die meisten Zuschauer aber werden über eine ebenso leichte wie seichte Komödie lachen, in der es ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten gibt. Ein paar Neuzugänge sind auch dabei, Jorge González etwa.

Der TV-Tanzlehrer darf sich praktischerweise selbst spielen und soll den drei semiprofessionellen Sexarbeiterinnen von damals Schrittfolgen und Drehungen beibringen. Das ist zwar ein rechter Schmarrn, aber ein leidlich amüsanter, außerdem kann González zu diesem Anlass mit hohen Absätzen über den Teppich stiefeln. Damit beherzigt er eine der ältesten Showregeln überhaupt: Wer den großen Auftritt sucht, sollte dafür die richtigen Schuhe anhaben. In seinem Fall sind es glitzernde Overknee-Stiefel mit gefühlten 20-Zentimeter-Absätzen, selbstverständlich überragt er damit alle anderen im grell erleuchteten Premierengewimmel. Bettina Mittendorfer etwa ist mindestens zehn Zentimeter niedriger unterwegs, Rosalie Thomass noch niedriger, während Gisela Schneeberger gleich auf weiße Sneakers setzt. Doch die Münchner Schauspielerin steht ohnehin nicht so sehr auf Staraufläufe: "Am liebsten würde ich mich jetzt ins Kino setzen und den Film anschauen", sagt sie am Rand des roten Teppichs, "den Rest brauch' ich ned." Der Rest, das sind für Schneeberger an diesem Abend aber auch Jacken, Taschen oder süße Backwaren von der Wiesn. "Ich hab gerade mein Herz verloren", sagt sie freimütig und meint damit das Lebkuchenherz, das sie sich für die Fotografen umgehängt hat. Dort hängt es aber nicht lange, fleißige Helfer nehmen es ihr wieder ab, ihre Handtasche und den Blazer haben sie hoffentlich auch noch irgendwo zur Hand. Ihre Kollegen seien nachmittags auf der Wiesn gewesen, erzählt Schneeberger, das habe sie aber ausgelassen. Denn wenn es etwas gibt, was die Schneeberger noch weniger mag als Staraufläufe, dann sind das Menschenaufläufe.

Insofern hätte sie auf dem Oktoberfest wohl in der Tat wenig Spaß gehabt. Rosalie Thomass dagegen mag die Wiesn, sie mag auch Tanznummern und Traktorfahren - beides durfte sie im Film ausgiebig machen. Doch am liebsten mag sie Paul, der im Film nicht von ihrer Seite weicht, bei der Premiere aber fehlt: "Wahrscheinlich hat er einen anderen Gig, er ist sehr begehrt", sagt Thomass. Paul ist ein Minischwein aus Brandenburg, ein echtes Filmtier, das auf Befehl grunzen, schnuppern und vielleicht sogar ein bisschen stöhnen kann. Das passt gut zum Film, der sich ein bisschen versaut gibt, im Grunde aber völlig harmlos ist.

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