Zum Tod von Karel Gott:Die goldene Stimme aus Prag ist verstummt

Schwarzer Smoking und tschechischer Akzent waren sein Markenzeichen: Der Sänger und Komponist Karel Gott ist im Alter von 80 Jahren gestorben.

Von Violetta Simon

Karel Gotts größter Hit in Deutschland, heißt es, sei in 20 Minuten entstanden. In einem Interview mit dem Stern erzählt der tschechische Sänger, der Produzent Karel Svoboda habe ihn 1975 in München auf der Straße getroffen und gefragt: "Was machst du heute Nachmittag?" So sei Karel Gott spontan ins Studio mitgekommen, um den Song für die Zeichentrickserie "Biene Maja" aufzunehmen. Es folgten: 1,25 Millionen verkaufte Singles, fünf Goldene Schallplatten. Gedämpft wurde der Erfolg möglicherweise durch die Erkenntnis, dass er, die "goldene Stimme aus Prag", den meisten Menschen als der Mann in Erinnerung blieb, der ein Insekt besang.

Geboren am 14. Juli 1939 in Pilsen, trat der gelernte Elektriker zunächst in Prager Tanzcafés und bei Nachwuchswettbewerben auf und wechselte im Alter von 20 Jahren schließlich ans Prager Konservatorium. Sein erster Auftritt beim Grand Prix Eurovision de la Chanson 1968 in London, wo er Österreich mit dem Udo-Jürgens-Lied "Tausend Fenster" vertrat, machte ihn im deutschsprachigen Raum bekannt. Von da an war er regelmäßig zu Gast in deutschen Musiksendungen wie bei der ZDF-Hitparade in Köln oder im Palast der Republik in Berlin, der damaligen Hauptstadt der DDR.

Bei seinem ersten Auftritt 1969 in der "Hitparade" schmetterte Gott - etwas ungelenk von Moderator Dieter Thomas Heck angekündigt als "unser sympathischer Freund aus der Tschechoslowakei" - den Titel "Weißt Du wohin?", eine Coverversion der "Schiwago"-Melodie von Maurice Jarre. Der tschechische Akzent, den er bis zuletzt beibehielt, die metallisch klare und zugleich sanft klingende Stimme wurden zu seinem Markenzeichen. Ebenso der Smoking, der ihn deutlich abhob von den Schlagersängern und ihren bis zum Bauchnabel geöffneten Hemden.

Bekannt wurde Karel Gott in den Siebzigerjahren - neben der Titelmusik für "Biene Maja" - vor allem für Hits wie "Einmal um die ganze Welt" sowie die Hymne an seine Großmutter "Babička", in deren Haus er als Kind mit seinen Eltern drei Jahre wohnte. Die größten Erfolge feierte Karel Gott in seiner Heimat und in Deutschland, dabei sang er auch auf Französisch, Italienisch, Russisch, Hebräisch, Spanisch, Romani, Polnisch, Ungarisch, Serbokroatisch, Slowakisch und anderen Sprachen. Im Laufe seiner Karriere stand der Sänger mehr als 60 Jahre auf der Bühne, hat Schätzungen zufolge mehr als 100 Alben herausgebracht und 30 Millionen Tonträger verkauft. Die meisten seiner Lieder sang er in tschechischer und deutscher Sprache.

Nur wenige wissen, dass Karel Gott als junger Mann Maler werden wollte. 1990 dann sollte eine Abschiedstournee seinen Rückzug aus dem Business besiegeln - der Sänger wollte sich wieder intensiver der Malerei widmen. Doch ließen ihn seine chronisch treuen Fans nicht davonkommen. Also machte er weiter. Versuchte, den Anschluss nicht zu verlieren, am Puls der Zeit zu bleiben, sich auch beim jungen Publikum ins Spiel zu bringen.

Im Jahr 2000 coverte er den Alphaville-Hit "Forever Young" ("Für immer jung") für sein gleichnamiges Album. Die Idee, sich 2008 für eine Coverversion mit Bushido zusammenzutun, erntete bei seinen Fans gemischte Reaktionen. In dem Video wirkt es eher, als würde der tschechische Sänger dem Berliner Rapper zuarbeitet als mit ihm zusammenzuarbeiten.

Seine letzte Studioaufnahme veröffentlicht er zunächst auf Youtube: ein Dialog zwischen ihm und seiner 13-jährigen Tochter Charlotte Ella mit dem Titel "Srdce nehasnou" ("Herzen erlöschen nicht"). Das Video wurde mittlerweile von mehr als 14 Millionen Menschen angesehen. Er habe immer gewollt, dass ihm jemand zum Ende seiner Karriere einen Song wie "My Way" schreibe, sagte Gott in einem Interview. "Und das ist das Duett jetzt geworden, mein ganz eigenes My Way".

Karel Gott war der einzige Musiker aus dem Ostblock, der auch jenseits des Eisernen Vorhangs dermaßen berühmt wurde. Allerdings war er im eigenen Land nicht unumstritten. Kritiker nahmen ihm seine Nähe zum tschechoslowakischen Staats- und Parteiapparat in der Zeit des Kommunismus übel. "Er war immer jemand, der um jeden Preis singen wollte. Gesellschaftliche und politische Themen hielt er aus seiner Musik heraus", schreibt das tschechische Kulturmagazin Respekt.

Als der Sänger und Komponist am 14. Juli seinen 80. Geburtstag feierte, wurde ihm zu Ehren ein Null-Euro-Schein mit seinem Konterfei gedruckt, ein Souvenir-Sonderdruck, der von einem Plattengeschäft in Prag verkauft wurde. Etwa 800 Menschen hatten am Sonntag im strömenden Regen Schlange gestanden, um einen Geldschein zu ergattern. Zu der Zeit war Gott bereits auf Sardinien, wo er an seiner Biografie weiterschrieb. "Mein Motto war immer: Das Beste kommt noch!", zitierte die Bild-Zeitung den Schlagersänger. "Solange mich die Menschen sehen wollen, mache ich weiter."

Nach monatelangen Spekulationen um seinen Gesundheitszustand - Ende 2015 war Karel Gott an Lymphkrebs erkrankt, galt jedoch nach der Behandlung als geheilt - hatte er im September auf seiner Facebook-Seite bekannt gegeben, dass er an Leukämie erkrankt sei.

Am Dienstagabend nun ist Karel Gott seiner Krankheit erlegen, wie seine Frau Ivana Gottová auf dessen offiziellen Webseite mitteilte: "Mit tiefster Trauer im Herzen gebe ich bekannt, dass mein geliebter Ehemann Karel Gott uns gestern, kurz vor Mitternacht, nach schwerer und langer Krankheit verlassen hat. Er ist zu Hause von uns gegangen, in ruhigem Schlaf, im Kreis seiner Familie." Karel Gott hinterlässt vier Kinder. Charlotte Ella (geb. 2006) und Nelly Sofie (geb. 2008), sind die gemeinsamen Töchter mit Ehefrau Ivana, die beiden älteren Töchter Dominika (geb. 1973) und Lucia (geb. 1987) stammen aus früheren Beziehungen.

Unter den zahlreichen Trauerbekundungen in den sozialen Medien finden sich auch Posts von Politikern. So twitterte etwa der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš: "Karel Gott begleitete mich seit meiner Jugend (...) Ich dachte, er würde für immer hier sein. Es tut mir unermesslich leid. Ich zünde eine Kerze an und höre mir etwas von ihm aus den Sechzigerjahren an. Meister, ich habe Sie verehrt. Mehr, als ich sagen kann." Und Präsident Miloš Zeman ließ über seinen Sprecher ausrichten: "Karel Gott war ein wahrhafter Künstler, der sich an andere verschenkte. Das ist erschöpfend, aber gerade das macht den Künstler zum Künstler. Karel Gott widmete sein Leben Generationen, er widmete es uns allen."

Am Nachmittag trifft sich das tschechische Parlament zu einer außerordentlichen Sitzung, um zu entscheiden, ob Karel Gott ein Staatsbegräbnis im Veitsdom auf der Prager Burg bekommen wird und ob am Tag seines Begräbnisses Staatstrauer ausgerufen werden soll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: