China:Allein auf der Seidenstraße

Security personnel stand guard near a 'Golden Bridge on Silk Road' decoration for the Belt and Road Forum outside the China National Convention Center in Beijing, China

Gut bewacht: Sicherheitsbeamte vor der "Goldenen Brücke" in Peking, die die Neue Seidenstraße bewirbt.

(Foto: Jason Lee/Reuters)

Die deutsche Wirtschaft würde gerne mehr Geschäft mit China machen. Aber wie?

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Gute dreieinhalb Kilometer lang ist die Magnetschwebebahn-Teststrecke in der chinesischen Metropole Chengdu. "Wir haben alle Betonteile komplett bei uns in Neumarkt produziert und mit dem Zug nach China transportiert", sagt Johann Bögl, Gesellschafter der gleichnamigen bayerischen Baufirma. "Das hat reibungslos geklappt." Weshalb das Familienunternehmen nun überlege, "ob auch die Belt and Road Initiative weitere Möglichkeiten für uns eröffnet". Seit 20 Jahren machen die Bögls, denen eine der größten privaten Baufirmen Deutschlands gehört, Geschäfte in China. Sie kennen Land und Markt genau. Aber sollen sie sich auch um Aufträge bei besagter BRI abgekürzten Initiative bewerben, hierzulande besser bekannt als "Neue Seidenstraße"?

So wie Bögl geht es vielen deutschen Firmen. Sie trauen sich nicht recht, sind hin und her gerissen, fasziniert und abgeschreckt vom Vorhaben der Regierung in Peking, namentlich angelehnt an die historische Seidenstraße, China mit Europa über neue Handelskorridore besser zu verbinden. 900 Milliarden US-Dollar sind dafür veranschlagt. "Es ist die größte jemals von einem Land allein gestartete Handelsinitiative", sagt Thomas König, China-Experte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Straßen und Schienenwege werden gebaut, Pipelines, Flug- und Seehäfen, Brücken und Tunnels, Kraftwerke, Industriezonen und Logistikumschlagplätze. Ein gigantisches Konjunkturprogramm also - und das in weltökonomisch volatilen Zeiten.

Und wo bleibt bei alledem die deutsche Wirtschaft?

Mitmachen oder Seinlassen - das ist die große Frage für viele Mittelständler

Viele Unternehmen würden schon gerne einsteigen. Eigentlich. Vielleicht zumindest, oder besser doch nicht? So in etwa war die allgemeine Gemütslage unter mehreren Hundert Firmenvertretern bei einem Seidenstraßen-Kongress in Nürnberg. Neugier, Skepsis und Unsicherheit dominierten; Euphorie und Begeisterung sehen definitiv anders aus. Thomas König zitierte aus einer noch unveröffentlichten DIHK-Umfrage, bei der 40 Prozent der befragten Firmen das Seidenstraßen-Projekt als für sie irrelevant bezeichneten. Was den Rückschluss zulässt, dass es 60 Prozent doch interessant finden. Irgendwie jedenfalls.

Andererseits gehört Deutschland bislang nicht zu jenen 130 Ländern, die offiziell mitmachen. Von den G-7-Staaten ist nur Italien dabei. "Wenn die G 7 insgesamt auf das Projekt setzen würden, hätte dies weltweite Signalwirkung", sagt DIHK-Experte König. Es würde als Legitimation für chinesische Dominanzansprüche in Sachen Welthandel und Weltwirtschaft verstanden. Groß sind auch die Befürchtungen, China treibe ökonomisch schwache Länder bewusst in die Schuldenfalle, um sie von sich abhängig zu machen.

Vor diesem Hintergrund wartet die deutsche Wirtschaft händeringend auf klare Wegweisung durch die deutsche und die europäische Politik. Mitmachen oder sein lassen? Markt und Unternehmen allein könnten das nicht entscheiden. "Eine gewisse Zaghaftigkeit" warf DIHK-Experte König der Bundesregierung vor.

Die Seidenstraße sei "vielleicht das letzte, ganz große Programm, das auf multilaterale Strukturen ausgerichtet ist", sagte Markus Taube, Professor für Ostasienwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Was eigentlich im Sinne Berlins sei. Und im Übrigen: "Das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft liegt bereits auf der Seidenstraße", so Taube. Denn die Regionen entlang der neuen Korridore, die sich durch mehr als 60 Länder erstrecken, würden durch das Projekt massiv industrialisiert. Doch so groß die ökonomischen Potenziale auch sind - aus der Sicht vieler Firmen ist die BRI vor allem riskant, weil undurchsichtig bis unseriös. Allein was die Vergabe von Aufträgen angehe, von denen bislang 90 Prozent an chinesische Firmen gingen.

Einer, der Chancen und Risiken für sein Unternehmen gerade abwägt, ist Ulrich Hanus. Die Firma Baboons organisiert Sport-Events, vor allem Lauf-, Rad- und Motorradwettkämpfe. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir das auch in Ländern entlang der Seidenstraße tun", sagt Hanus. Von ihr könnten, wenn überhaupt, nicht nur Bau- und Infrastrukturfirmen profitieren, meint er, sondern womöglich auch Baboons. "Schließlich verbindet Sport Menschen und Länder."

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