Grünwald:Im Schatten berühmter Söhne

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Ulrike Leutheusser hat einen Sammelband herausgegeben, über Julia Mann und ihre berühmte Familie. (Foto: Claus Schunk)

Ulrike Leutheusser liest aus ihrem Buch über Julia Manns Leben

Von Claudia Wessel, Grünwald

Sie kam am 14. August 1851 mitten im brasilianischen Urwald zur Welt. Ihr Vater und ihre hochschwangere Mutter, die von schwitzenden Sklaven auf einer Trage geschleppt wurde, waren gerade unterwegs von einer Besitzung zur anderen. Dem Deutschen und seiner portugiesisch-kreolischen Ehefrau gehörte eine Kaffee- und Zuckerrohrplantage, sie wollten in den Ort am Meer namens Paraty, als Baby Julia da Silva-Bruhns unverhofft das Licht der Wildnis erblickte. Sie war das vierte Kind ihrer Eltern. Julia sollte später in Deutschland berühmt werden, allerdings "nur" als Mutter zweier berühmter Söhne, nämlich Heinrich und Thomas Mann.

Die Grünwalder Autorin Ulrike Leutheusser möchte mit ihrem Buch "Julia Mann und ihre Kinder", das im Juli im Allitera Verlag erschienen ist, diesem "nur" etwas entgegensetzen. Zum einen ist es ihr wichtig, die Person der Julia Mann hervorzuheben, deren Geschichte nicht zuletzt für das Werk ihrer Söhne wichtig war. Zum anderen möchte Leutheusser die drei weiteren Kinder von Julia Mann nicht außen vor lassen: die Töchter Carla und Lula und den jüngsten Sohn Viktor. In ihrem Sammelband hat sie daher acht Beiträge von ebensovielen Autoren - inklusive ihrer selbst - veröffentlicht. Alle außer ihr sind Germanisten - Leutheusser selbst Historikerin - und haben ihr Fachwissen eingebracht, zugleich aber das Leben von Julia Mann und ihrer Kinder anschaulich und auch für Nicht-Wissenschaftler verständlich dargestellt. Die Autoren sind Heinrich Detering, Manfred Eickhölter, Dirk Heißerer, Willi Jasper, Paulo Astor Soehte und Dieter Strauss. "Es war mir wichtig, auch einen Bogen zur Jetzt-Zeit zu spannen", sagt Leutheusser. Daher ist in dem Buch auch ein Interview mit dem noch lebenden Urenkel von Julia Mann, Professor Frido Mann, enthalten. Darin geht es um das im Sommer 2018 eröffnete Thomas-Mann-Haus in Kalifornien.

Auf die Idee für das Buch kam Leutheusser beim Besuch einer Ausstellung in Ismaning über Julia Mann. Sie gibt zu, dass ihr die Mutter der berühmten Schriftsteller bis dahin auch kein Begriff war. Da es Leutheusser jedoch schon immer wichtig war, starke Frauen aus dem Schatten von Männern herauszuholen - als Programmchefin beim Bayerischen Fernsehen von 1991 bis 2006 etwa schuf sie das Frauenmagazin "Frauensache" und förderte viele Filme über Frauen - war ihr Interesse für Julia Mann sofort geweckt. Besonders wichtig für die Entstehung des Sammelbands war Dieter Strauss, so Leutheusser. Strauss war ehemals Leiter von Goethe-Instituten, unter anderem in Brasilien. Mit seinen internationalen Kontakten habe er die renommierten Autoren für das Buch gefunden, freut sich Leutheusser.

Julia Mann verbrachte eine glückliche Kindheit in Brasilien, musste das Land aber leider im Alter von sechs Jahren verlassen. Sie selbst schrieb 1903 ihre Autobiografie, in der sie sich an den nie wieder erlebten intensiven Duft von Orangenblüten beim Haus ihrer Großeltern, an den Meeresstrand, die Kokosnüsse und Bananen hinter dem Haus und an das wilde Geschrei der Brüllaffen und Papageien im Urwald erinnert.

Da Julias Mutter bei der Geburt des sechsten Kindes starb, brachte ihr Vater die Kinder nach Lübeck. Während die blond gelockte Julia sich in Brasilien über ihre Besonderheit gefreut hatte, litt sie im kalten Deutschland darunter ebenso wie unter der Ehe mit einem strengen, nicht sehr lebenslustigen deutschen Mann. Die Sehnsucht nach der Leichtigkeit ihres Lebens in Brasilien blieb Julia Mann ein Leben lang erhalten und unerfüllt, da das Reisen seinerzeit noch zu schwierig und teuer war. Auch in den Büchern ihrer Söhne kam dieses Thema des Hin- und Hergerissenseins zwischen den Kulturen vor. Heinrich Mann etwa schrieb in seinem Roman "Zwischen den Rassen" über eine gewisse Lola Gabriel, in der eindeutig seine Mutter zu erkennen ist. Thomas Mann beschrieb Brasilien einmal als sein "Mutterland". Auch Julia Manns Urenkel Frido Mann ist noch von ihrem Erbe beeinflusst. Er schrieb drei Brasilienromane, die unter anderem in Paraty spielen.

Ulrike Leutheusser hält am Donnerstag, 10. Oktober, um 19 Uhr in der Gemeindebibliothek Grünwald, Südliche Münchner Straße 7, einen Vortrag über Julia Mann und liest aus ihrem Buch "Julia Mann und ihre Kinder". Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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