Impeachment-Verfahren:Neuer Tag, neuer Verdacht

Trump delivers address on healthcare

Gibt sich unbeeindruckt von all der Kritik an ihm - und legt sogar nach: Donald Trump: "China sollte ebenfalls eine Untersuchung gegen die Bidens beginnen, weil das, was in China passiert ist, ist genauso schlimm wie das in der Ukraine", sagt der US-Präsident.

(Foto: Brendan Smialowski/AFP)
  • "Biden und sein Sohn sind eiskalte Gauner", sagt Donald Trump über seinen politischen Gegner.
  • Mit den bisher bekannten Fakten lässt sich dieser Vorwurf jedoch nicht belegen.
  • Doch für Trump ist das nicht so wichtig. Er will Joe Biden nicht vor Gericht überführen, sondern - sofern dieser demokratischer Präsidentschaftskandidat wird - in einem Wahlkampf schlagen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die meisten Artikel, die derzeit über Hunter Biden und seine Geschäftstätigkeit in der Ukraine und China geschrieben werden, haben eins gemeinsam: Es fehlt etwas. Zwar weiß man, mit welchen Unternehmen der Sohn des früheren US-Vizepräsidenten und heutigen demokratischen Präsidentschaftskandidaten in diesen Ländern verbandelt war. Aber niemand kann offenbar genau erklären, welche Leistungen der 49-Jährige für die Firmen eigentlich erbracht hat, in deren Aufsichtsräten er saß.

Glaubte man Donald Trump - was man freilich nur sehr bedingt tun sollte -, dann steckt dahinter ein gewaltiger Korruptionsskandal. Hunter Biden, so behauptet der US-Präsident, habe die politische Macht seines Vaters für seine Geschäfte ausgenutzt. In China habe Joe Biden seinem Sohn geholfen, 1,5 Milliarden Dollar für einen Investmentfonds einzusammeln. In der Ukraine habe der Vizepräsident Druck auf die Regierung gemacht, damit diese einen Staatsanwalt rauswirft, der gegen den Gaskonzern ermittelte, für den Hunter Biden tätig war. "Biden und sein Sohn sind eiskalte Gauner", so Trump.

Mit den bisher bekannten Fakten lässt sich dieser Vorwurf jedoch nicht belegen. Hunter Biden, der in Washington als Anwalt und Lobbyist arbeitet, hat wohl schon davon profitiert, dass er einen prominenten und einflussreichen Vater hat. Nähe zur Macht ist in der US-Hauptstadt immer bares Geld wert. Und es ist nicht unüblich, dass amerikanische und ausländische Firmen Posten an hochrangige US-Politiker oder deren Verwandte vergeben. Das verleiht einem Unternehmen Respektabilität, was zum Beispiel bei Gesprächen mit Banken und Investoren nicht schadet. Aber es gibt keinen tragfähigen Beweis dafür, dass Joe Biden sein Amt missbraucht hat, um seinem Sohn bei Geschäften zu helfen.

Es ist schwer zu erkennen, was Hunter Biden in diesen Jobs geleistet hat

Andererseits sieht es aber auch nicht gut aus, wenn der Sohn des US-Vizepräsidenten in Ländern Geschäfte macht, in denen sein Vater dienstlich unterwegs ist. Die Grenze zwischen der in Washington üblichen Vetternwirtschaft und echter Korruption ist zuweilen für den Normalbürger nur schwer zu erkennen. Das ist das politische Problem, das der Präsidentschaftskandidat Biden jetzt hat. Er muss sich gegen Vorwürfe wehren, die statt auf Fakten eher auf einem unguten Gefühl bei vielen Wählern beruhen.

U.S. Vice President Biden, with sons Beau and Hunter, delivers remarks after he and his family helped assemble care kits for U.S. military service members during a pre-inauguration service project in Washington

Gerät durch seinen Sohn Hunter (links) unter Druck: Joe Biden (rechts), der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten werden will.

(Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

In China geht es um Hunter Bidens Tätigkeit bei einem Investmentfonds aus Shanghai namens BHR. Biden sitzt dort seit 2013 im Aufsichtsrat. Er erhält nach Angaben seines Anwalts kein Honorar dafür. Was genau seine Aufgabe ist, ist unklar. Die Firma wird vor allem von großen staatlichen Finanzinstitutionen in China getragen. Seit 2017 besitzt Hunter Biden einen Anteil von zehn Prozent, den er für 420 000 Dollar gekauft hat.

Geleitet wird BHR von dem Chinesen Jonathan Li. Im Dezember 2013, wenige Tage bevor BHR von der chinesischen Regierung eine Zulassung bekam, nahm Hunter Biden an einer offiziellen Dienstreise seines Vaters nach China teil. In einer Hotellobby stellte Hunter Biden Li seinem Vater vor. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dieses Treffen über ein Händeschütteln hinausging. Immerhin: Ein Handschlag mit dem US-Vizepräsidenten ist für einen chinesischen Investmentmanager vermutlich auch nicht ohne Wert.

Wie Trump auf die Idee gekommen ist, die Bidens hätten BHR 1,5 Milliarden Dollar besorgt, ist unklar. Die Summe tauchte einmal im Wall Street Journal als Akquiseziel für 2014 auf. Und die chinesische Regierung, mit der Joe Biden offiziell zu tun hatte, ist über diverse Staatsfirmen Mehrheitseigner von BHR, wo Hunter Biden im Aufsichtsrat saß. Dennoch gibt es keine Beweise, dass Vater und Sohn ihre Posten auf korrupte Art verquickt hätten.

Joe Biden ließ ukrainischen Staatsanwalt entlassen

Ähnliches gilt für die Ukraine. Dort war Hunter Biden, der weder über das Gasgeschäft noch über Osteuropa viel wusste, von 2014 an Mitglied im Aufsichtsrat des Gaskonzerns Burisma. Angeblich bekam er dafür ein Honorar von bis zu 50 000 Dollar im Monat. Worin seine Tätigkeit für Burisma bestand, ist nicht geklärt. Was man weiß: Sein Vater war damals für die US-Politik gegenüber der Ukraine zuständig und drängte Kiew, mehr einheimisches Gas zu fördern, um von Russland unabhängiger zu werden. Vor allem aber machte der damalige US-Vizepräsident erfolgreich Druck auf die ukrainische Regierung, einen Staatsanwalt zu entlassen, der wegen Korruption gegen Burisma ermittelt hatte.

Das sah durchaus verdächtig aus. Ein Geschäftspartner hatte Hunter Biden sogar vor dem Posten bei Burisma gewarnt. Allerdings spricht bisher nichts dafür, dass Biden mit seiner Forderung, den Staatsanwalt zu entlassen, seinem Sohn einen Gefallen tun oder diesen gar vor der Justiz retten wollte. Der Staatsanwalt galt in den USA und Europa eher als Hindernis im Kampf gegen Korruption. Auch die EU begrüßte seine Ablösung. Zudem hatte der Staatsanwalt seine Ermittlungen gegen Burisma ohnehin bereits auf Eis gelegt. Man kann daher den Bidens wohl einen eklatanten Mangel an politischem Gespür vorwerfen, nach allem, was man bisher weiß, aber keine korrupte Zusammenarbeit.

Doch für Trump ist dieser Unterschied nicht so wichtig. Er will Joe Biden nicht vor Gericht überführen, sondern - sofern dieser demokratischer Präsidentschaftskandidat wird - im Wahlkampf schlagen. Und politisch ausschlachten lässt sich bereits der Verdacht der Korruption. Umfragen zufolge findet eine relative Mehrheit der Amerikaner, dass Trumps Vorwürfe gegen Joe Biden untersucht werden sollten.

Brisante Textnachrichten

Wie besessen Trump von den Bidens und der Ukraine ist, zeigen auch neue Enthüllungen. Danach war das Telefonat Ende Juli, in dem der US-Präsident seinen ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij zu Ermittlungen gegen Joe und Hunter Biden drängte, nur ein Teil eines größeren Puzzles. Schon davor hatte Trumps Anwalt Rudy Giuliani Druck auf Selenskij gemacht. Trump hatte zudem die Auszahlung einer Tranche von Militärhilfe in dreistelliger Millionenhöhe an die Ukraine gestoppt. Nach dem Telefongespräch arbeiteten zwei US-Diplomaten, EU-Botschafter Gordon Sondland und der Ukraine-Beauftragte Kurt Volker, an einer Erklärung, welche die ukrainische Regierung abgeben sollte. Darin sollte sich Kiew öffentlich verpflichten, die Vorgänge um Burisma zu untersuchen. Aus Textnachrichten, die Giuliani, Sondland und Volker verschickten und die am Donnerstag bekannt wurden, geht hervor, dass Trump Selenskij erst im Weißen Haus empfangen wolle, wenn dieser die Ermittlungen zugesagt hatte.

Dass das alles eine recht eigenwillige Art der Diplomatie war, mehr zum Nutzen Trumps als der USA, fiel einigen Leuten durchaus auf. "Ich finde es verrückt, Militärhilfe zurückzuhalten, um eine parteipolitische Kampagne zu betreiben", schrieb der frühere US-Botschafter in Kiew, Bill Taylor, Anfang September an Volker und Sondland. "Bill, ich glaube, du missverstehst die Absichten des Präsidenten", antwortete Sondland. "Es gibt hier absolut keine Tauschgeschäfte."

Aber genau das werfen die Demokraten Trump vor, ein erpresserisches Tauschgeschäft: Washington zahlt nur, wenn Kiew gegen die Bidens ermittelt. Und genau deswegen haben sie ein Impeachment begonnen. Am Freitag richteten sich drei führende Demokraten zudem auch an Vizepräsident Mike Pence. Er solle alle relevanten Dokumente zur Frage bereitstellen, ob er Trump dabei half, Ermittlungen in der Ukraine gegen Biden anzuregen. Trump, der sich ziemlich sicher sein kann, dass seine republikanischen Parteifreunde im Senat eine Verurteilung verhindern und ihn im Amt halten werden, scheint all das egal zu sein. Am Donnerstag stand er vor dem Weißen Haus und wiederholte nicht nur seine Forderung, dass Kiew gegen den früheren Vizepräsidenten ermitteln sollte. Auch Peking riet er, sich Vater und Sohn Biden einmal genauer anschauen: "Was in China passiert ist, ist genauso schlimm wie das in der Ukraine."

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