Umweltschutz im Fürstenfeldbrucker Wald:Vorbereitung auf den Klimawandel

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Eine Fridays-for-Future-Gruppe pflanzt Laubbäume im Rothschwaiger Forst, die Hitze und Trockenheit gut vertragen. Die Forstleute bemühen sich schon seit Jahren, den Wald so umzubauen, dass er die Erderwärmung überstehen kann

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

28 junge Laubbäume sind am Donnerstag beim Einheitsbuddeln im Rothschwaiger Wald westlich von Fürstenfeldbruck eingesetzt worden, von etwa 50 Mitgliedern und Freunden der neuen Fürstenfeldbrucker Fridays for Future-Gruppe. Revierförster Alexander Beer hatte der Gruppe eine Fläche zugewiesen. Die Idee zu der Pflanzaktion unter dem Titel "Einheitsbuddeln" zum Tag der Deutschen Einheit kommt aus Schleswig-Holstein, das heuer die Feiern zum Nationalfeiertag ausgerichtet hat. Das "Einheitsbuddeln" soll eine neue Tradition für den Feiertag begründen und gleichzeitig einen kleinen Beitrag gegen den Klimawandel leisten. Die Baumsetzlinge stammen aus dem Forstlichen Versuchsgarten Grafrath und wurden der Gruppe zum Teil als Spende von den Stadtwerken Fürstenfeldbruck zur Verfügung gestellt.

Unter dem Schirm alter Nadelbäume wächst junger Mischwald heran. (Foto: Matthias F. Döring)

Wenn Bäume wachsen, nehmen sie aus der Luft Kohlendioxid auf und bauen es in Holz und Laub ein. Ein wachsender Wald entzieht also der Atmosphäre CO₂. Es ist festgelegt, solange der Baum oder sein Holz nicht verbrannt werden oder verrotten, erklärt Günter Biermayer. Ein "erwachsener" Wald, der sich in einem stabilen Zustand befinde, setze ebenso viel CO₂ frei, wie er binde, sagt der Forstwissenschaftler und Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürstenfeldbruck weiter. Nur ein bewirtschafteter Wald, aus dem Holz entnommen werde, während neues nachwachse, wirke dem Klimawandel entgegen. Vor allem, wenn aus dem Holz langlebige Produkte entstehen, wie Häuser, Fußböden oder Möbel. Dann bleibt das CO₂ darin gebunden.

"Aus jeder befallenen Fichte werden zehn neue befallen. Man muss deshalb dahinter her sein, dass man ständig auf Käferholz kontrolliert und befallene Bäume fünf- oder sechsmal pro Jahr rausholt." - Peter Graser, Forstbetrieb Landsberg am Lech. (Foto: Matthias F. Döring)

Die Forstleute stecken viel Arbeit in einen artenreicheren Wald, von dem sie hoffen, dass er dem Klimawandel gewachsen ist. Dessen Auswirkungen sehen sie schon heute. Sie sind, weil sie weit in die Zukunft planen, besonders sensibel dafür und sie wissen, was mit dem Wald passieren wird, wenn die Erderwärmung ungebremst weitergeht: Er könnte weitgehend verschwinden. Deshalb versuchen sie schon seit einiger Zeit gegenzusteuern, mit neuen Konzepten und neuen Baumarten. Günter Biermayer und Peter Graser, Stellvertretender Forstbetriebsleiter, erklären im Rothschwaiger Wald, wie sie dabei vorgehen. Doch auch wenn die Förster versuchen, den Wald stabiler zu machen, müsse die Erderwärmung gestoppt werden, betont Biermayer: "Wir sind dauerhaft darauf angewiesen, dass der Klimawandel nicht eskaliert." Steige die globale Durchschnittstemperatur um mehr als zweieinhalb Grad, "halten das die bisherigen Baumarten nicht aus".

Im Rothschwaiger Wald macht sich wegen des kiesigen Bodens der Wassermangel durch trockene Jahre besonders negativ bemerkbar. Die Bäume leiden. Direkt an der Kiesgrube kann man das gut sehen. Die großen Nadelbäume sind fast alle weg, nur im Hintergrund stehen noch ein paar Fichtenstangen mit sehr schütteren Kronen. "Die Fichtenbestände zerfallen im mittleren Alter", sagt Biermayer. Etwa 50 Jahre alt sind die Bäume dort. Die Orkane von 2007 und 2015, Kyrill und Niklas, haben große Lücken in den Bestand geschlagen. Dann kam der Borkenkäfer.

Die Forstleute hoffen, dass er dem Klimawandel trotzen kann. Etwa 50 Menschen pflanzen beim Einheitsbuddeln junge Laubbäume. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei bereits gestressten Bäumen haben die Schädlinge leichtes Spiel. Die winzigen Insekten legen ihre Eier unter die Borke. Die Larven zerstören die Wasserleitungen der Bäume, die absterben. Oder sie werden gefällt und entrindet, um den Befall zu stoppen. Man müsse ständig kontrollieren, befallene Bäume aus dem Wald holen, sonst gehe der Befall immer weiter, erklärt Graser. In warmen Sommern können die Käfer drei statt zwei Generationen ausbilden und noch mehr Bäume befallen. Dazu kommt, dass bei Temperaturen von 39 oder 40 Grad, wie sie auch in diesem Sommer vorkamen, viele Bäume eingehen, weil sie nicht genug Wasser nach oben transportieren können um Nadeln oder Blätter zu kühlen. Schon einige wenige solcher Tage können zahlreiche Bäume töten.

Leer ist die Fläche, die mehreren privaten Waldbesitzern gehört, aber keineswegs. Brombeeren und Goldrute haben sich ausgebreitet. Dazwischen wachsen junge Bäume, Ahorn, Esche und Eberesche, auch Eichen. So ist es den Forstleuten am liebsten - die Bäume säen sich selbst aus; Naturverjüngung nennen sie das. Manchmal braucht es dazu eine Initialzündung wie die fünf hohen Tannen, die etwas weiter westlich im Staatswald gepflanzt wurden. Rund um diese Mutterbäume sprießen junge Tannen.

"Wir sind dauerhaft darauf angewiesen, dass der Klimawandel nicht eskaliert. Zu hohe Temperaturen halten die bisherigen Baumarten nicht aus. Deshlb müssen wir den Klimawandel begrenzen." - Günter Biermayer, Leiter des AELF, Forstwissenschaftler. (Foto: Matthias F. Döring)

Die Naturverjüngung klappe aber nur, wenn es nicht zu viele Rehe im Wald gebe, sagt Biermayer. Denn denen schmecken junge Baumtriebe richtig gut, und die von Laubbäumen noch besser als die stachelige Fichte. Ist zu viel Wild im Wald, wird es schwer, einen Mischwald zu bekommen, weil die hungrigen Tiere die Laubbäume abfressen und die Fichten stehen lassen. Im Staatswald schießen die Förster laut Biermayer selber, wie sie es für notwendig erachten. Entsprechend sind die Verbissschäden sehr gering, die Bäume, die selbst aus Samen aufgegangen sind, können wachsen und groß werden.

Dennoch stehen auf einigen Flächen Bäume in hellgrünen, transparenten Schutzhülsen aus Plastik. Es sind besondere Baumarten, die versuchsweise in den Wald eingebracht werden, wie die Elsbeere, die Walnuss und die Esskastanie - alles wärmeliebende Arten, von denen man annimmt, dass sie dem Klimawandel trotzen können. Sie schmecken den Rehen besonders gut und müssen deshalb geschützt werden. Auch Baumhaseln sind dabei, eine mit der heimischen Hasel verwandte imposante Baumart, die auf dem Balkan, in Rumänien, in der Türkei und im Kaukasus vorkommt und mehr als 30 Meter hoch werden kann.

Selten und wärmeliebend

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Flatterulmen, Linden, Berg- und Feldahorn haben Klimaaktivisten am Donnerstag gepflanzt, vor allem aber zehn Elsbeeren (Sorbus torminalis). Die jungen Bäumchen wachsen in einem 190 Hektar großen Kiefernwald, den der Forstbetrieb Landsberg am Lech ohnehin zu einem Mischwald umwandeln will, wie Revierleiter Alexander Beer erklärt. Etwa 5000 Elsbeeren seien dort in den vergangenen Jahren gepflanzt worden. Die Elsbeere ist ein seltener heimischer Baum, der gut angepasst ist an Hitze und Trockenheit. Er ist verwandt mit Mehlbeere und Eberesche. Der Baum kann 25 Meter hoch und bis 300 Jahre alt werden. Die Blätter erinnern an Ahornblätter. Die großen weißen Blütenstände, die aus vielen Einzelblüten bestehen, erscheinen von Ende Mai bis Anfang Juni - ein gute Nahrungsquelle für blütenbesuchende Insekten. Aus den Blüten entwickeln sich kleine, birnenähnliche Früchte, aus denen man Marmelade oder Schnaps machen kann, die getrocknet aber auch eine geschätzte Zutat fürs Müsli sind. Auch Vögel fressen sie im Winter gerne. Von den Förstern wird sie gerne gepflanzt, wenn ein artenreicher, widerstandsfähiger Mischwald entstehen soll, denn sie wächst auch auf Standorten mit wenig Humus und kommt mit hohen Temperaturen zurecht. Allerdings sind die Bäume schwer zu vermehren und Setzlinge schlecht zu bekommen. Außerdem müsse die Herkunft passen zu dem Standort, an dem die jungen Bäumchen wachsen sollen. "Wenn man 1000 im Jahr pflanzen kann, ist das gut", sagt Beer. Auch die Stadtwerke Fürstenfeldbruck pflanzen im Rahmen der Initiative "Zukunftswald" Elsbeeren. Die Aktion der "Fridays for Future"-Gruppe ist also gut eingebettet. Die Gruppe hat dem Forst laut Beer nicht einfach Arbeit abgenommen, obwohl die Fläche ohnehin für Pflanzungen vorgesehen war. "Wir schließen da an und pflanzen woanders zusätzlich."

Um die Artenvielfalt zu fördern, bleibt Totholz im Staatswald viel häufiger stehen oder liegen. Es ist wertvoll für Pilze, allerlei Käferlarven und die Vögel, die sich von ihnen ernähren. Im Schutz alter, umgefallener Stämmen wachsen neue Bäume empor. Das Ziel der Forstleute ist, unter den hohen Nadelbäumen jüngere Bäume zu haben. Sie sollen die Lücken füllen, die der Klimawandel reißt. Entstehen soll so ein widerstandsfähiger Mischwald. "Wir wollen vorsorglich handeln, nicht erst nach einer Katastrophe", erklärt Biermayer. An vielen Stellen ist das bereits geglückt. "Die steht hoffentlich 200 Jahre hier", sagt Graser über eine Eiche. Sicher sei das nicht, denn auch Eichen bekommen Probleme bei zu hohen Temperaturen. Auch Graser hofft darauf, dass der Klimawandel begrenzt werden kann. Resignieren gilt für Biermayer und Graser aber nicht: "Wir sind natürliche Optimisten."

Hoffnung haben auch die Klimaschützer, die am Donnerstag gepflanzt haben. 28 junge Bäume in einem ganzen Wald sind natürlich nicht besonders viel. Bei den Pflanzaktionen des Forstbetriebs zählen die Bäume nach tausenden. Immerhin 50 000 Bäume sind beim Einheitsbuddeln schon gepflanzt, beziehungsweise über Spenden bezahlt worden. In den kommenden Jahren sollen es noch mehr werden. Die Aktion läuft noch den ganzen Oktober. Der Fürstenfeldbrucker Stadtrat hat am Dienstag beschlossen, die Pflanzaktion zu unterstützen. Am Freitag wurden weitere zehn Bäume eingesetzt.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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