Theater & Politk:Courage in Dresden

Joachim Klement; Joachim Klement

Joachim Klement, geboren 1961 in Düsseldorf, sieht sich der Tradition der Aufklärung verpflichtet. Seit der Saison 2017/18 ist er Intendant am Staatsschauspiel Dresden.

(Foto: Sebastian Hoppe)

Intendant Joachim Klement positioniert das Staatsschauspiel gegen die Neue Rechte. Dazu gehört auch Armin Petras' Inszenierung von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder". Der Dreißigjährige Krieg wird zur Weltgeschichte.

Von Peter Laudenbach

Neulich hätte im Dresdner Kulturpalast eine interessante Diskussion stattfinden sollen. Eva-Maria Stange, die sächsische Staatsministerin für Kultur und Wissenschaft, und der Intendant des Staatsschauspiels Joachim Klement wollten mit dem Geschäftsführer der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, Bernd Lommel, über Kunstfreiheit debattieren. Angekündigt war die Veranstaltung im Rahmen der Reihe "Streitbar", die schon im vergangenen Jahr für Aufsehen sorgte. Damals waren die Schriftsteller Durs Grünbein und Uwe Tellkamp über angebliche "Meinungskorridore" und eine von Rechtsextremen betriebene gesellschaftliche Polarisierung aneinander geraten.

An Anlässen, die sächsische AfD nach ihrem Verständnis von Kunstfreiheit zu fragen, fehlt es nicht. Im Wahlkampf hängte sie vor das Staatsschauspiel Plakate mit einer unverhüllten Drohung: "Kein Cent für politisch motivierte Kunst". Dem renommierten Festspielhaus Dresden Hellerau würde sie am liebsten die Subventionen kürzen. Als die Kultureinrichtungen der Stadt, darunter die Semperoper, die Staatlichen Kunstsammlungen und das Staatsschauspiel, sich in ihrer "Dresdner Erklärung der Vielen" gegen Intoleranz und Rechtspopulismus wandten, reagierte die AfD auf ihre Weise. Sie verlangte vom Freistaat Sachsen Abmahnungen und Unterlassungserklärungen. Es wäre interessant gewesen, im Kulturpalast zu erfahren, wie der AfD-Vertreter dieses aggressive Auftreten mit Kunstfreiheit in Einklang bringt.

Wegducken geht nicht in dieser Stadt, in der Pegida aufmarschiert und die AfD die Kunst attackiert

Zu dieser Debatte kam es nicht. Das Kulturhauptstadtbüro Dresden musste die Veranstaltung absagen, weil "nach einer ersten Zusage" der AfD-Landtagsfraktion von dieser "trotz mehrerer Kontaktversuche" keine Rückmeldung mehr kam. Der Rückzieher der AfD kann viele Gründe haben, Dialogverweigerung oder schlechte Kommunikation. Vielleicht passen Frontalangriffe gegen Kultureinrichtungen auch nicht mehr zur neuen Strategie, die in Teilen rechtsextreme Partei zu Wahlkampfzwecken als bürgerlich-konservativ zu verkleiden. Auf Nachfrage der SZ war von der Pressestelle der sächsischen AfD-Landtagsfraktion keine Auskunft zu erhalten.

Für Joachim Klement, seit gut zwei Jahren Intendant des Staatsschauspiels Dresden, ist Dialogverweigerung keine Option. In Dresden habe er "noch einmal auf neue Weise zuhören gelernt" sagt Klement. Wegducken funktioniert in der Stadt, in der die rechtsradikale Pegida das gesellschaftliche Klima vergiftet, ohnehin nicht. Die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten ist für den Intendanten schlicht "Bestandteil der künstlerischen Arbeit des Theaters und unseres Bildungsauftrags. Wir kommen aus der Tradition der Aufklärung, das ist eine Verpflichtung". Schließlich ist das Ensemble des Theaters schon 1989 bei den Montagsdemonstrationen für Bürgerrechte auf die Straße gegangen. Heute versteht sich das Staatsschauspiel offensiv als Teil der Zivilgesellschaft und engagiert sich mit vielen anderen Kultureinrichtungen in der Initiative "Weltoffenes Dresden".

Die Polarisierung der Stadt durch die Pegida-Aufmärsche hat sich in Klements Wahrnehmung in den letzten Jahren beruhigt. "Das war ein Lernprozess", beobachtet der Intendant. "Man hat gelernt, mit den Provokationen der Rechtsextremen umzugehen und zu zeigen, dass die Verteidiger der Demokratie weit zahlreicher sind als ihre Gegner."

Natürlich findet die Auseinandersetzung auch auf der Bühne statt. Eine der ersten Produktionen dieser Spielzeit, "Mit der Faust in die Welt schlagen" nach dem Roman von Lukas Rietzschel, fragt nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen für Verrohung und rechte Radikalisierung. Volker Lösch hat mit seiner Inszenierung "Das blaue Wunder" eine Machtergreifung der Rechtsextremen durchgespielt. Nach jeder Vorstellung finden gut besuchte Publikumsgespräche statt. Genau der Dialog, dem sich die AfD im Kulturpalast verweigert hat, findet hier statt.

Gewalt ist auch der Kern der neuesten Dresdner Premiere, Armin Petras' Bilderbuch-Brecht-Aufführung "Mutter Courage und ihre Kinder". Auf einer frei im Raum stehenden Schräge (Bühne: Olaf Altmann) zeigt sie ein Schlachthaus. Schon zu Beginn ist die Spielfläche mit Leichenbergen bedeckt: Das ist der Grund, auf dem wir stehen. Die Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg dehnt Petras auf die Menschheitsgeschichte aus. Die verrohten Soldaten könnten in ihren zerrissenen Fellumhängen direkt aus der Steinzeit kommen, später tragen sie Wehrmachtsuniformen. Wenn sie einander in Stücke hauen und die Leichenteile in einem großen Kochtopf zubereiten, ist das eine etwas plumpe Illustration des ökonomischen Kalküls der Marketenderin Courage, die von der Versorgung der Soldaten lebt: "Der Krieg nährt den Krieg."

Eine beeindruckende Ursula Werner in der Titelrolle zeigt die ewige Kriegsgewinnlerin, die mit ihrem Planwagen dem Regiment hinterherzieht, mit nüchterner Härte und Klarheit. Trotz dieses Kraftzentrums ist die bilderverliebte, in den Figurenzeichnungen robust plakative Inszenierung eher professionelle Staatstheater-Brecht-Routine als ein Höhepunkt im Schaffen des hier erstaunlich konventionellen Regisseurs.

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