Kosovo:Absage an die Korruption

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Kosovo wendet sich von den Milizenführern ab, das Land vollzieht einen Machtwechsel: Bei den Wahlen setzen sich zwei bisherige Oppositionsparteien durch.

Von Peter Münch, Wien

Albin Kurti kann mit dem Auftrag zur Regierungsbildung rechnen. (Foto: STR/AP)

Kosovo steht vor einem einschneidenden Politikwechsel. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl haben sich die Wähler im jüngsten Staat Europas am Sonntag von den bislang regierenden ehemaligen Milizenführern abgewendet. Wahlsieger wurden zwei bisherige Oppositionsparteien: die links-nationale Partei Vetëvendosje (Selbstbestimmung), die mit rund 26 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz kam, sowie die konservative Demokratische Liga Kosovos (LDK), die mit etwa 25 Prozent knapp dahinter landete. Vetëvendosje-Chef Albin Kurti kündigte an, aus den beiden siegreichen Parteien trotz ideologischer Unterschiede eine Regierung bilden zu wollen.

Ihre Niederlage eingestanden hat die Demokratische Partei Kosovos (PDK), die vom Staatspräsidenten und früheren Anführer der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK Hashim Thaçi dominiert wird. Seit der Unabhängigkeit Kosovos 2008 war die PDK in allen Regierungen vertreten. Nun kam sie mit rund 21 Prozent auf den dritten Platz, und ihr Spitzenkandidat Kadri Veseli kündigte noch am Wahlabend den Gang in die Opposition an. Als vierte Partei der albanischen Bevölkerungsmehrheit zieht die Allianz für die Zukunft Kosovos (AAK) von Ex-Premier Ramush Haradinaj mit knapp zwölf Prozent ins Parlament ein. Haradinaj war im Juli überraschend zurückgetreten, nachdem er vom Kosovo-Sondergericht in Den Haag vorgeladen worden war. Er sieht sich ebenso wie andere frühere UÇK-Führer mit Vorwürfen wegen möglicher Kriegsverbrechen in den späten Neunzigerjahren konfrontiert. Zehn Sitze im 120-köpfigen Parlament sind für die serbische Minderheit reserviert. Hier dominiert die von Belgrad unterstützte Serbische Liste, auf die rund 90 Prozent der serbischen Stimmen entfielen.

Früher präsentierte Kurti sich gern als Enfant terrible der Politik

Mit dem Wahlsieger Kurti, 44, und der knapp dahinter liegenden LDK-Spitzenkandidatin Vjosa Osmani, 37, könnten künftig zwei Vertreter einer neuen Generation die Geschicke Kosovos bestimmen. Beide haben der Korruption den Kampf angesagt, die sich unter den alten UÇK-Kadern im gesamten Staatsaufbau eingenistet hat. Kurti rief nun bei einer Siegesfeier in der Hauptstadt Pristina seinen Anhängern zu: "Wir haben die Republik vor der Geiselnahme durch die Politik gerettet."

Der frühere Studentenführer Kurti gilt als unbestechlich und radikal. Er verbindet marxistische Grundsätze mit nationalistischer Rhetorik und fordert eine Vereinigung Kosovos mit Albanien. Früher präsentierte er sich gern als Enfant terrible der kosovarischen Politik. Die internationale Gemeinschaft provozierte er mit Straßenprotesten, bei denen es zu Gewalt kam. Im Parlament zündeten seine Abgeordneten Tränengasgranaten aus Protest. In jüngster Zeit gibt er sich allerdings gemäßigter.

Innenpolitisch erwarten die Menschen in einem der ärmsten Staaten Europas eine rasche Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage. Neben dem Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität wird sich Kurti um eine Justizreform bemühen müssen. Außenpolitisch steht vor allem ein Ausgleich mit Serbien auf der Agenda. Zwei Jahrzehnte nach dem Kosovokrieg und elf Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung der früheren serbischen Provinz sind die Fronten immer noch verhärtet. Seit 2018 liegt ein von der EU initiierter Verhandlungsprozess brach.

Kurti hatte sich im Wahlkampf grundsätzlich offen gezeigt für einen Dialog. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić erklärte noch am Wahlabend, dass er zu neuen Gesprächen unter der Bedingung bereit sei, dass die in Kosovo 2018 vom früheren Premierminister Haradinaj verhängten Zölle auf serbische Güter in Höhe von 100 Prozent wieder aufgehoben werden. Vom Tisch sein dürfte unter neuer kosovarischer Führung der Plan eines Gebietstausches, der von Vučić und dem kosovarischen Präsidenten Thaçi aufgebracht worden war. Neue Anstöße von Seiten der EU werden nötig sein.

Auch die USA haben ein verstärktes Engagement signalisiert. Präsident Donald Trump ernannte dazu jüngst seinen Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, zum Sonderbeauftragten für den Dialog zwischen Serbien und Kosovo.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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