New-York-Kolumne (XXXIX):Regen in Hell's Kitchen

Unser New-York-Kolunmnist wartet seit eineinhalb Wochen darauf, dass sein Balkon renoviert wird. Er fragt nach - und bekommt eine Antwort, die kaum zuversichtlich stimmt.

Von Christian Zaschke

Vergangene Woche hatte Hausmeister Giovanni angekündigt, dass auf meinem Balkon Reparaturen anstünden. Er habe organisiert, dass einige Handwerker die Blasen unter der Teerpappe wegmachten und ein paar Schrauben ins Geländer drehten. Es gehe sofort los, und nach drei bis vier Tagen sei alles vorbei. Hm, dachte ich.

Giovanni ist ein sehr guter Hausmeister, vor allem, weil er mit Cicero ein Anhänger der "otium cum dignitate" ist, der würdevollen Muße. Der Nachteil ist, dass er sich um fast nichts kümmert, was im Haus passiert. Der Vorteil ist, dass er sich um fast nichts kümmert, was im Haus passiert.

Es ist zum Beispiel verboten, auf dem Balkon zu grillen. Dass ich ganzjährig sowohl einen Gas- als auch einen Holzkohlegrill betreibe, wenn nicht gerade extreme Minusgrade herrschen, ignoriert er. Wenn ich mit einer neuen Gasflasche an ihm vorbeilaufe, die unverkennbar für den verbotenen Grill bestimmt ist, sagt er einfach: "Hey Chris." Giovanni ist so sehr ein Mann der Muße, dass er meinen Vornamen nicht komplett ausspricht.

Dass er nun angeblich etwas "organisierte", war untypisch, und ich hatte umgehend die Befürchtung, dass diese Arbeiten niemals über den Status der Ankündigung hinauskommen würden. Das wäre mir unter normalen Umständen egal gewesen, ich mag es sogar, wenn die Dinge allein in der Halbwelt des Gesagten existieren. In diesem Fall aber bedeutete Giovannis Organisation, dass ich meinen Garten samt der Grills abbauen und in mein Wohnzimmer verpflanzen musste, um Platz für die Arbeiten zu schaffen.

Als sich nach eineinhalb Wochen kein Arbeiter auf dem Balkon gezeigt hatte, fragte ich per SMS nach.

"Chris", schrieb Giovanni, "Wetter!"

"Gio!", schrieb ich. Sonst nichts.

Das wirkte, er kam sehr ausnahmsweise in meiner bescheidenen Bleibe im 17. Stock vorbei, obwohl er derart lange Reisen ungern unternimmt.

"Chris", sagte er, "die Arbeiter können erst beginnen, wenn es eine Woche lang nicht geregnet hat, weil die Teerpappe komplett trocken sein muss."

"Giovanni", sagte ich, "es gibt in New York zwischen Oktober und Mai keine Woche, in der es nicht mindestens einmal regnet."

Giovanni schaute überrascht. Er wirkte, als durchlebe er in seiner Erinnerung noch einmal all die nassen Herbste, all die kalten Winter und jeden feuchten Frühling. "Das stimmt", sagte er schließlich. Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt, er machte sich auf die Rückreise, den ganzen Weg hinunter bis in den zweiten Stock.

Ich blickte auf die Gartentische im Wohnzimmer, auf die Blumenkübel und die Blumentöpfe, auf den eingeklappten Sonnenschirm und auf die beiden weiß gestrichenen Eisenbänke. Ich blickte auf die Grills.

Dann spannte ich den Sonnenschirm auf und goss die Blumen.

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