Wurst-Skandal:Das Kontrollsystem hat versagt

Wursthersteller Wilke

Ein LKW-Anhänger steht auf dem Werksgelände des nordhessischen Wurstherstellers Wilke.

(Foto: dpa)

Lebensmittel werden heute viel besser überwacht als noch vor einigen Jahren. Die Kontrolleure sind jedoch heillos überlastet - und selbst das beste System hat Schwachstellen, wenn das Personal fehlt.

Kommentar von Silvia Liebrich

Im Mittelalter herrschten raue Sitten. Lebensmittelkontrolleure, die es damals schon gab, waren nicht zimperlich. Ein Bäcker, der minderwertiges oder ekelerregendes Brot verkaufte oder beim Gewicht schummelte, musste sich auf einiges gefasst machen. Ihm drohte nicht nur der Pranger, sondern obendrein das Bäckerschupfen. Die so Bestraften wurden erst in Wasser oder Unrat getaucht und dann dem Volkszorn ausgesetzt. Das harte Durchgreifen hatte seinen Grund. Brot galt als wichtigstes Nahrungsmittel, die Herrschenden verstanden da keinen Spaß. Schließlich neigen hungrige Untertanen zum Aufruhr - wer will das schon.

Die Prügelstrafe ist längst abgeschafft. Aber eine Art Pranger gibt es noch immer, nur eben in digitaler Form. Und das ist gut so. Fallen zum Beispiel Imbissbuden, Kneipen oder Restaurants mit gravierenden Verstößen gegen Hygienevorschriften auf, so wird das veröffentlicht. Im Handel verkaufte Nahrungsmittel, die nicht in Ordnung sind ist, müssen zurückgerufen und die Namen der Hersteller veröffentlicht werden. Dank digitaler Medien geht das viel einfacher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Verbraucher erfahren so, wenn ein Gastgeber oder Hersteller nicht ordentlich wirtschaftet, und können gesundheitliche Risiken meiden.

Doch manchmal versagt das System, wie der Fall des hessischen Wurstherstellers Wilke klarmacht. Ein Grund, gleich die gesamte Lebensmittelüberwachung infrage zu stellen, ist das jedoch nicht. Tatsache ist, Lebensmittel waren noch nie so sicher. Läuft dennoch etwas schief, starten die meisten Hersteller selbst eine Rückrufaktion, die sie in der Regel rasch und transparent abwickeln, sodass kein großer Schaden entstehen kann. Kein Wunder also, dass Verbraucher von den meisten dieser Aktionen kaum Notiz nehmen.

Beim Wursthersteller Wilke hat die Lebensmittelüberwachung allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht versagt: Obwohl Hygieneprobleme schon länger bekannt waren, schritten die Behörden nicht konsequent ein. Das Unternehmen durfte weiterproduzieren und unterließ nach dem Fund gefährlicher Keime auch einen raschen Rückruf der Produkte. Die Behörden warnten zugleich viel zu spät die Öffentlichkeit. Möglicherweise mit tragischen Folgen: Die verunreinigte Wurst wird mit zwei Todesfällen in Verbindung gebracht. Dutzende Menschen sollen schwer erkrankt sein.

Damit sich das nicht wiederholt, ist es wichtig, jeden einzelnen Fall von Systemversagen genau zu analysieren. Es gilt, die Schwachstellen zu finden und zu beseitigen. Keimbelastete Wurst oder Glassplitter im Babybrei sind keine Bagatellen, sie bedeuten Gefahr für Leib und Leben. Aufgabe des Staates ist es, Bürger davor zu schützen. Diese Aufgabe hat er in der Vergangenheit nicht immer gut erfüllt.

Das beste Kontrollsystem versagt, wenn das Personal fehlt

Das Recht auf Information und Transparenz haben sich Verbraucherschützer mühsam erkämpfen müssen, zum Teil gegen erhebliche Widerstände der regierenden Parteien. Denn es geht bei solchen Fällen auch um wirtschaftliche Interessen. Wird bekannt, dass ein Unternehmen schlampig arbeitet, kann das dem Image schaden und finanzielle Einbußen bedeuten. Im schlechtesten Fall droht die Pleite.

Lebensmittelskandale haben ihren Teil beigetragen, die Lebensmittelüberwachung transparenter zu machen. Die Funde von giftigem Dioxin in Eiern, lebensgefährlichen Keimen in Sprossen oder der Betrugsfall mit Pferdefleisch in Lasagne verunsicherte und erzürnte viele Konsumenten. Die für die Kontrollen zuständigen Länder, aber auch der Bund und die EU-Länder haben reagiert und bessere Warnsysteme installiert. Präzisiert wurden auch die Regeln, bei welchen Verstößen die Öffentlichkeit informiert werden muss. Fällt ein Restaurant auf, weil nur einmal die Töpfe nicht sauber waren, wäre die Veröffentlichung des Hygieneverstoßes übertrieben. Stoßen Kontrolleure jedoch mehrfach auf gravierende Mängel wie Ungezieferbefall, Schimmel oder Keime, sieht es schon anders aus.

Und genau hier liegt eine Schwachstelle: Das beste Kontrollsystem versagt, wenn das Personal fehlt. Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre sind heillos überlastet. Dies hat zur Folge, dass nicht alle Betriebe regelmäßig kontrolliert werden können. Hier sind die Länder gefordert nachzubessern: Sie müssen für den Schutz von Verbrauchern mehr Geld und Personal bereitstellen.

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