EU-Kommission:Aus Rache an Macron

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Sylvie Goulard während ihrer Anhörung im Europäischen Parlament. (Foto: dpa)
  • Die französische Kandidatin für den Posten der Binnenmarkt-Kommissarin, Sylvie Goulard, ist im Europäischen Parlament durchgefallen.
  • Das ist ein harter Rückschlag für die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
  • Sie muss nun drei neue Kandidaten präsentieren.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Der französische Präsident Emmanuel Macron muss Ursula von der Leyen eine neue Kandidatin für die EU-Kommission präsentieren. Sylvie Goulard, die eigentlich das Ressort Binnenmarkt, Industrie und Verteidigung übernehmen sollte, war am Donnerstag auch im zweiten Anlauf damit gescheitert, die zuständigen Fachausschüsse des Europaparlaments von ihrer Eignung zu überzeugen. Die Ablehnung war deutlich: Während lediglich 29 Abgeordnete für die 54-Jährige stimmten, votierten 82 gegen sie.

In Paris bezeichnete man das Veto zunächst in einer Mitteilung als "politisches Spiel". Anschließend gab Macron der designierten EU-Kommissionspräsidentin die Schuld für das Scheitern seiner Bewerberin. Er habe von der Leyen drei Namen präsentiert und auf die laufenden Ermittlungen gegen Goulard in der Scheinbeschäftigungsaffäre hingewiesen, sagte er in Lyon. Von der Leyen habe Goulard ausgewählt und versichert, die Zustimmung der drei großen Fraktionen für diese Personalie erhalten zu haben. Sowohl Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), als auch Iratxe García Pérez, die oberste Sozialdemokratin, bestritten am Abend auf Twitter, ihr Okay gegeben zu haben. Nachdem der Rechtsausschuss bereits die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien wegen grundsätzlicher Interessenkonflikte blockiert hatte, sind nun drei Posten in von der Leyens Team offen.

Ob dieses am 1. November die Arbeit aufnehmen kann, erscheint nun fraglich, da die neuen Bewerber das Anhörungsverfahren in weniger als zwei Wochen durchlaufen müssten. Die Abstimmung im Europaparlament über die Kommission von der Leyens ist für den 23. Oktober geplant. Die CDU-Politikerin betonte in einer Mitteilung, sie wolle "nun gemeinsam mit dem Parlament" den weiteren Prozess zügig so gestalten, dass Europa rasch handlungsfähig werde. Goulard, die als Vertraute Macrons gilt, war nach der ersten Anhörung nur von ihrer eigenen Fraktion unterstützt worden. Weder eine 58-seitige Antwort auf zusätzliche schriftliche Fragen sowie eine 90-minütige Anhörung konnten die Zweifel an ihrer Integrität beseitigen.

Der CDU-Abgeordnete Christian Ehler kritisierte Goulard dafür, doppelte Standards zu haben: "Man kann nicht auf der einen Seite in Frankreich für etwas zurücktreten, wofür man dem Europaparlament 45 000 Euro zurückzahlen musste, und auf der anderen Seite EU-Kommissarin werden wollen." Ehler spielt darauf an, dass Mitarbeiter von Goulards Partei MoDem offenbar früher für einen Teil ihrer Arbeitszeit als Assistenten von EU-Parlamentariern bezahlt wurden. Deswegen hatte Goulard 2017 das Amt der Verteidigungsministerin aufgegeben. Die Partei hatte den Verdacht der Scheinbeschäftigung zurückgewiesen, aber die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf ermittelt ebenso wie die französische Justiz. Auch im zweiten Anlauf konnte Goulard nicht die Zweifel zerstreuen, die durch ihre Beratertätigkeit für einen Thinktank des Investors Nicolas Berggruen entstanden. Parallel zur Arbeit als Europaabgeordnete hatte Goulard zwischen 2013 und 2016 mehr als 10 000 Euro monatlich erhalten, was damals rechtskonform war.

Durch das Veto gegen die liberale Französin ist jeweils ein Bewerber der drei großen Fraktionen aus dem Rennen geworfen worden. Daher erklärten manche Beobachter in Brüssel die massive Kritik an Goulard mit Webers Rachegelüsten gegenüber Macron. Der CSU-Vize hatte als EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl selbst Chef der EU-Kommission werden wollen, woraufhin Frankreichs Präsident Weber die nötige Exekutiverfahrung absprach.

Ein weiterer Grund für die harte Haltung gegenüber Goulard dürfte die stets spürbare Spannung zwischen Ost- und Westeuropäern sein. Der Eindruck, dass in Brüssel mit zweierlei Maß gemessen werde und Bewerber aus Rumänien, Ungarn oder Polen (Janusz Wojciechowski schaffte es im zweiten Anlauf, als Agrarkommissar bestätigt werden) strenger beurteilt würden, ist weit verbreitet. Wie der Spiegel zuerst berichtete, hielt die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier am Mittwoch in der EVP-Fraktion ein Anti-Goulard-Plädoyer. Auf ihre Aussage, dass jeder Osteuropäer, den solche Affären begleiten, schon längst aus dem Rennen wäre, folgte donnernder Applaus. Hohlmeiers Auftritt hat besondere Glaubwürdigkeit: Als Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses ist sie die oberste Kämpferin des Parlaments gegen Korruption und die Verschwendung von Mitteln.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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