Literaturnobelpreis:Entscheidung mit sehr engem Horizont

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Literaturnobelpreise: Der Staatssekretär der Schwedischen Akademie, Mats Malm, gibt die Gewinner der Jahre 2018 und 2019 bekannt. (Foto: dpa)

Um den Nobelpreis als bedeutendsten Preis der Weltliteratur wieder stark zu machen, hätte man den Blick weiten müssen - auf Afrika und Asien. Die Leserschaft ist schon weiter.

Kommentar von Marie Schmidt

Es war unvermeidlich, dass die beiden zugleich vergebenen Nobelpreise für Literatur doppelt politisch aufgeladen sein würden. Die Schwedische Akademie hat ihren Ruf in Skandalen zerstört und musste sich mühevoll wieder sammeln. Deswegen hat sie voriges Jahr nichts entschieden und dieses Jahr die Preisträger der Jahre 2018 und 2019 in einem Atemzug genannt. Es war zu erwarten, dass sie versuchen würde, ihr labiles Renommee mit einer besonders sorgfältigen oder aufregenden Entscheidung zu retten.

Dabei handelte sie sich eine besondere Verantwortung ein, weil die Werke und Personalien der zwei Preisträger unweigerlich miteinander verglichen werden. Zwei einzigartige Künstler werden durch dieses merkwürdige Ereignis auf ewig verbunden bleiben. Dass eine Frau und ein Mann ausgezeichnet werden müssten, schien klar. Um Geschlechterproporz bemüht man sich in wichtigen, repräsentativen Entscheidungen mittlerweile relativ selbstverständlich.

Immerhin: die Entscheidung lässt Fronten europäischer Nationalitätskonflikten unversöhnt dastehen

Bleibt der politische Kontext: Die Schriftstellerin Olga Tokarczuk wird von den Nationalisten ihres Landes Polen hart attackiert. Auch wenn sie jetzt Gefahr läuft, vereinnahmt zu werden. Das polnische Staatsfernsehen meldete den Nobelpreis schon als "nächster Erfolg Polens". Peter Handke ist seine Parteinahme für den serbischen Nationalismus, etwa als er am Sarg von Slobodan Milošević zu dessen Anhängern sprach, nie verziehen worden. Weil sie die Fronten von europäischen Nationalitätskonflikten unversöhnt dastehen lässt, könnte man die Entscheidung der Akademie als mutig bezeichnen.

Man kann aber nicht daran vorbeischauen, dass ihr Horizont sehr eng bleibt. Zumal wenn man die vielen Namen aus afrikanischen, karibischen und asiatischen Literaturen noch im Ohr hat, über die in den vergangenen Wochen spekuliert worden ist - Schriftstellerinnen und Schriftsteller, denen Chancen auf den Literaturnobelpreis ausgerechnet wurden. Um den Nobelpreis als bedeutendsten Preis der Weltliteratur wieder stark zu machen, hätte man den Blick weiten müssen. Eine lebendige Übersetzungskultur sorgt dafür, dass die internationale Leserschaft darin längst weiter ist.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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