Deutsche Bahn: Datenaffäre:Tag des Bruchs

Die Bahn vollzieht ihren Führungswechsel, doch der Konzern kommt nicht zur Ruhe: In der Datenaffäre werden neue Vorwürfe laut.

Michael Bauchmüller

Dieser Montag könnte bei der Bahn der Tag des großen Bruchs sein. Am Mittag wird Bahn-Chef Hartmut Mehdorn im Berliner Technik-Museum offiziell und mit einigem Tamtam verabschiedet. Gleich anschließend wird der Aufsichtsrat über den Radikalwechsel im Bahn-Vorstand befinden, auf vier von sieben Vorstandsposten kommen neue Manager. Vier Monate lang hat die Datenaffäre die Bahn in Schach gehalten, jetzt könnte sie endgültig besiegelt sein. Doch so leicht wird es nicht.

Deutsche Bahn, ddp

In der Datenaffäre bei der Bahn werden neue Vorwürfe laut, die den ehemaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn erneut belasten.

(Foto: Foto: ddp)

Insgesamt gut 600 Seiten umfassen die geheimen Protokolle zu den Berichten der Sonderermittler der KPMG einerseits und des Anwälteduos Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum andererseits. Die Protokolle sind streng geheim, sie enthalten einiges brisantes Material. Einige Bahner nutzten offenbar die Chance, auszupacken.

So soll ein Computerexperte der Konzernrevision ziemlich detailliert aufgelistet haben, wie die Fahndung nach Informationslecks genau aussah - und wie angeblich auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn selbst darauf drang, das Verfahren zu perfektionieren. Dem seien die Ergebnisse seiner eigenen Aufklärer zu dürftig gewesen, heißt es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in einem der Protokolle.

Systematische Kontrolle

Die Sonderermittler der Prüfungsgesellschaft KPMG hatten den Experten den Informationen zufolge Mitte März mehr als drei Stunden lang vernommen. Vor allem an einen Vorgang im Jahr 2005 konnte er sich gut erinnern, er markierte den Beginn der systematischen Kontrolle von internem und externem Informationsverkehr. Damals waren Informationen aus dem Konzern nach außen gelangt, die Quelle aber blieb unbekannt. Mehdorn sei verärgert gewesen -und habe die Revision gebeten, der anderen Schnüffel-Abteilung, der Konzernsicherheit, unter die Arme zu greifen.

Die Revisoren arbeiteten gründlich - und mit Erfolg. Vom Konzernstrategen der Bahn, Alexander Hedderich, hatten sie sich dem Internet-Experten zufolge eine Liste mit externen E-Mail-Adressen geben lassen. Dann fahndeten sie nach verdächtigen Kontakten von Bahnern zu diesen E-Mail-Adressen. Täglich hätten sie ihre Netze ausgeworfen und wieder eingeholt, schließlich mit Erfolg. Ein Bahn-Manager ließ sich auf diese Weise als Leck einkreisen, die Bahn machte ihm später den Prozess. Der Fall ist bis heute umstritten.

Der Erfolg der Revisoren bei der Suche nach Lecks scheint den bahneigenen Informationsdienst beflügelt zu haben. Den Unterlagen zufolge lobte die Abteilung im November 2005 bei einem Treffen des Vorstandsressorts G ihre eigene, erfolgreiche Ermittlungstechnik nochmals ausführlich.

"Permanente Filterung"

Habe die Konzernsicherheit, gewissermaßen die Konkurrenzabteilung der Revision, zuvor nur aufgrund "negativer PR" den E-Mail-Verkehr überprüft, wandten die Revisoren nun eine "permanente Filterung" an, nach Adressen und Schlagworten. Ein äußerer Anlass war also gar nicht mehr notwendig. Bei Verdacht wurden die Festplatten überprüft.

Dieses Verfahren, so geht aus den Unterlagen hervor, sei schließlich von der Konzernsicherheit übernommen worden. Die hatte, so hielten die Sonderermittler in ihrem Abschlussbericht fest, ihre Filterung schon im April 2005 auf die neue Methodik umgestellt.

Keine vier Jahre später sollten diese Vorgänge das Schicksal von Hartmut Mehdorn besiegeln: Erste Hinweise auf diese Methoden waren es, die den Vorstandschef Ende März nötigten, sein Amt herzugeben.

Mehdorn weist Verantwortung von sich

Bis heute will Mehdorn von einer Verantwortung für die Vorgänge in seinem Unternehmen nichts wissen. Als der Aufsichtsrat sich jüngst von drei weiteren Vorständen trennte, verband er es mit einer Ehrenerklärung. "Ein aktives, persönliches Fehlverhalten ist keinem Vorstand vorzuwerfen", sagte Aufsichtsratschef Werner Müller. Wer wie viel wusste, ist dagegen immer noch offen. So sei Mehdorn seinerzeit stolz auf den schnellen Erfolg der Revision gewesen, soll deren leitende Mitarbeiter zu Protokoll gegeben haben - die Revision war dem Bahn-Chef direkt zugeordnet.

Die Protokolle sollen Staatsanwälten vorbehalten bleiben, die nun überprüfen können, inwieweit die internen Dienste der Bahn gegen das Gesetz verstießen - und wer dafür verantwortlich war. An diesem Mittwoch wollen die Sonderermittler vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages ihre Ergebnisse vortragen.

Die Parlamentarier, die in der Vergangenheit schon einigen Druck aufgebaut hatten, um Licht in die Datenaffäre zu bringen, dürften abermals kritische Fragen stellen, möglicherweise zum letzten Mal in dieser Causa. Und einer wird sehr genau zuhören, denn er könnte noch Konsequenzen ziehen: Rüdiger Grube - er will auch in den Ausschuss kommen.

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