Studienplatz:Welche Uni passt zu mir?

Studienplatz: Sie haben sich schon entschieden: Studierende vor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

Sie haben sich schon entschieden: Studierende vor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

(Foto: Thomas Mauersberg/Universität Bonn)

Als wäre die Wahl des Fachs nicht schwer genug: Viele Studienanfänger quält auch die Frage nach der richtigen Universität. Dabei ist die gar nicht so wichtig.

Von Johann Aschenbrenner

An den Rand der Verzweiflung habe die Suche nach der richtigen Uni sie beinah getrieben, erzählt Aurelia Janari: "Manchmal war ich kurz davor zu heulen". Wie oft sie in Studiensekretariaten angerufen hat, ohne hilfreiche Antworten zu kriegen, weiß sie nicht mehr - zu oft jedenfalls. Oder diese unübersichtlichen Internetauftritte, in denen man sich zwischen veralteten, oft widersprüchlichen Informationen verheddert. "Ich glaube, die Websites der Institute für Kunstgeschichte sind besonders schlimm, vielleicht, weil es nur ein Nischenfach ist", sagt Janari. Und die jeweiligen Fachberater der Unis? Sind oft nur in persönlichen Sprechstunden anzutreffen, einmal pro Woche oder in den Semesterferien einmal pro Monat.

Wie Aurelia Janari ergeht es vielen Studienanwärtern. Die 19-Jährige hat in Hamburg Abitur gemacht, ein Jahr Freiwilligendienst angehängt, dann sollte das Hochschulleben beginnen. Kunstgeschichte, das wusste sie immerhin. Mehr als 50 Studienorte bieten sich dafür an. Zulassungsbeschränkt ist das Fach an den allermeisten Unis nicht, Janari hatte also größte Wahlfreiheit. Oder soll man sagen: die größte Qual der Wahl? Eine "hübsche Stadt" sollte es sein, die kulturell etwas zu bieten hat und mit einer guten Uni aufwarten kann. Nicht zu groß allerdings, "sonst geht man unter und hat nicht so eine gute Community wie in einer kleineren Stadt". Aber auch nicht zu klein. Und nicht zu nah an Hamburg, das wäre ja langweilig. Lüneburg etwa schied schon mal aus.

Wie lichtet man diesen Dschungel aus Kriterien und Möglichkeiten? Die allermeisten Studienanfänger vertrauen auf den Rat ihrer Eltern, wenn sie sich für ein Fach und eine Hochschule entscheiden. Das verrät eine Studie der University of Applied Sciences Europe (UE) vom April diesen Jahres. Ronald Hoffmann, Leiter der Studienberatung an der Universität Hamburg, findet das nur zu verständlich. Die Entscheidungsfreiheit nach der Schulzeit sei für die meisten erst einmal ungewohnt, da wende man sich natürlich an nahe Angehörige, er selbst tue das bei schwierigen Fragen heute noch. Wichtig sei aber, am Ende selbst zu entscheiden. Heute gebe es kaum noch Eltern, die sagen: Ich bin Jurist, also studierst du Jura. Die UE-Studie bestätigt das, mehr als 80 Prozent der befragten Studienanfänger geben dort an, ihre Eltern hätte ihnen dazu geraten, etwas zu studieren, das ihnen Spaß macht und sie interessiert.

"Für Bachelorstudenten sind Rankings zumeist irrelevant", sagt Studienberater Hoffmann

Bei Aurelia Janari verlief es letztlich ähnlich. Professoren für Kunstgeschichte aus dem Freundeskreis ihrer Eltern gaben der jungen Frau einige Tipps. Zum Beispiel, dass das kunsthistorische Seminar in Heidelberg akademisch etwas angestaubt sei, das in Bonn dagegen lebendig und modern. Janari vertraute ihren Ratgebern gern, zumal nicht weit von Bonn, in Köln, ihr Freund studiert. Die Wahl fiel also auf die frühere Hauptstadt, in dieser Woche fängt sie dort ihr Studium an.

Studienplatz: Aurelia Janari hat sich für den Studienort Bonn entschieden.

Aurelia Janari hat sich für den Studienort Bonn entschieden.

(Foto: privat)

Bei der Entscheidung für die eine oder andere Hochschule rät Studienberater Hoffmann zur Gelassenheit. Wer seinen Master machen will, solle ruhig etwas genauer hinschauen, wie und wo er sich spezialisiert. Aber zu Beginn des Studiums sei die Uni nicht so ausschlaggebend, abgesehen vom Fach Medizin vielleicht, wo die Curricula von Ort zur Ort abweichen können. In den meisten grundständigen Fächern seien die Lehrpläne im Bachelor aber vergleichbar. Studienanwärter, die sich um den Einfluss der Hochschulwahl auf ihre späteren Berufsaussichten sorgen, sagt Hoffmann: "Macht euch keine Gedanken!" Entscheidender als der Ort des Studiums seien die Studienleistungen und praktischen Erfahrungen.

Dieser Rat beinhaltet indirekt auch die Empfehlung, sich nicht über Hochschulrankings den Kopf zu zerbrechen. Jedes Jahr bringen etwa die britische Times Higher Education und das ebenfalls britische QS World University Ranking oder auch das Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh Ranglisten heraus, die Hochschulen nach verschiedenen Qualitätskriterien beurteilen. Der Einfluss der Rankings ist allerdings begrenzt, fanden die Meinungsforscher der UE heraus. Nur wenige angehende Akademiker orientieren sich daran. Gut so, sagt Hoffmann: "Für Bachelorstudenten sind Rankings zumeist irrelevant. Der Name der Uni im Lebenslauf ist hier nur in Ausnahmefällen wichtig."

Abiturienten könnten besser auf die Hochschulwelt vorbereitet werden

Charlyn Evert hat sich darüber tatsächlich keine Gedanken gemacht. Sie war in ihrer Familie die erste, die das Abitur auf dem ersten Bildungsweg ablegte und sich zu einem Studium entschloss, inzwischen studiert sie im fünften Semester Islamwissenschaften in Leipzig. Sie sei gar nicht auf die Idee gekommen, Hochschulen zu vergleichen, für sie galt: "Uni ist Uni. Ich wusste nicht, welche mehr oder weniger renommiert ist", sagt Evert. Für die 22-Jährige zählte vor allem der Eindruck der Stadt, in Leipzig habe der "Vibe" gestimmt. Auch Göttingen habe sie sich angesehen, fand es aber "zu provinziell".

Studienberater Hoffmann hält eine solche Herangehensweise für richtig: sich die zur Diskussion stehenden Studienorte anzuschauen, um herauszufinden, was einem gefällt. Für Evert ist diese Methode aufgegangen: Sie fühlt sich in Leipzig wohl, der Wohnungsmarkt sei noch entspannt, die Uni sagt ihr zu. Wie sich herausstellte, hat das Orientalische Institut in Leipzig insbesondere bei der Sprachvermittlung einen ausgezeichneten Ruf.

Studienplatz: Charlyn Evert kam es auf den "Vibe" an, den fand sie in Leipzig.

Charlyn Evert kam es auf den "Vibe" an, den fand sie in Leipzig.

(Foto: privat)

Wer also überlegt, in welche Unistadt er gehen soll, der hat - sofern bei zulassungsbeschränkten Fächern der Abischnitt stimmt - die größte Freiheit, sollte sich aber nicht unnötig verzetteln. Für eine Vielzahl der Studierenden sind ohnehin die Höhe der Mieten und Lebenshaltungskosten relevanter als das Image der Uni. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek erteilte zu diesem Problem vor mehreren Monaten den Rat: "Man muss ja nicht in die teuersten Städte gehen." Solange die Bafögsätze ihres Ministeriums den realen Bedarf nicht decken, werden sich Studierende aus Elternhäusern mit kleinem Einkommen notgedrungen daran halten müssen.

Hinfahren, mit Menschen sprechen, das scheint generell das beste Mittel auf der Suche nach der richtigen Hochschule zu sein. Ganz am Anfang aber, wenn aus allen möglichen Unistädten noch keine Vorauswahl getroffen ist, kann die Weichenstellung junge Menschen überfordern. "Das hat mir total Angst eingejagt. Deshalb hab ich nach dem Abi erst mal ein Freiwilliges Kulturelles Jahr im Buddenbrookhaus in Lübeck gemacht", so Evert. Dieses eine Jahr "Pause" liege im Trend, sagt Ronald Hoffmann, jede dritte Studienanwärter entschließe sich dazu. Für Evert war es auch deshalb gut investiert, weil sie im Buddenbrookhaus Studierende traf, die ihr rieten: "Geh nach Leipzig, die Stadt ist im Kommen!" Das tat sie dann auch, ging dort zum Tag der Offenen Tür der Uni und sprach mit Dozenten.

Manche wollen auf keinen Fall, dass man sie bei der Studienwahl unterstützt

Aber eine richtige Studienberatung hat Evert nie gemacht. Nicht etwa weil so viele Informationen online zu finden sind und der Beratungsbedarf dadurch generell kleiner wäre. Das Gegenteil trifft zu. Die Nachfrage nach Terminen in seiner Studienberatung steige stetig, schon wegen des enormen Angebots an Studiengängen, so Hoffmann. Portale wie Studis online oder Hochschulkompass bieten zwar einen Überblick über Fächer, Orte, Zulassungsvoraussetzungen und Bewerbungsfristen, aber bei der Entscheidung für den richtigen Studiengang, die oft auch eine Selbstfindungsfrage ist, helfen sie kaum. Wer hierbei noch am Anfang steht, verliert sich noch leichter im Labyrinth der Möglichkeiten.

Charlyn Evert hat sich auch über Kommunikationswissenschaften und Psychologie informiert, jedoch vom "Bauchgefühl" her von vornherein Islamwissenschaften bevorzugt. Das hat ihr die Entscheidung letztlich erleichtert. Im Rückblick sagt sie aber auch: "Ich hätte mich mehr beraten lassen können." Dann hätte sie zum Beispiel erfahren, dass sie mit ihrem Abiturdurchschnitt für Islamwissenschaft sicher einen Studienplatz bekommt. So aber bewarb sich Evert mehrfach, um ihre Chancen zu erhöhen. "Ich wusste nicht, dass das safe ist, dass ich reinkomme." Also saß sie da und wartete auf Zusagen der Unis. Die aus Leipzig kam als letzte.

600 Jahre Universität Leipzig - Festakt

Das Paulinum der mehr als 600 Jahre alten Universität Leipzig.

(Foto: Peter Endig/dpa)

Ronald Hoffmann weiß um die "Einzelkämpfer", junge Menschen, die sich so wie Evert beschreiben: "Ich lass mir von wenigen Menschen was sagen." Der Studienberater gibt zu: "Da haben wir bis jetzt keine packende Idee, wie wir die erreichen." Abgesehen von diesen "Verzagten", wie Hoffmann die Einzelkämpfer auch nennt, gebe es noch die Ratsuchenden, die schon wüssten, was sie studieren wollen und nur ein paar ergänzende Fragen haben. Und jene, die insgesamt sehr wenig über das Studieren wüssten und eine umfassende Beratung brauchten.

Dass Schulen ihre Abiturienten ohne jeden Schimmer von der Hochschulwelt ins Leben entlassen, kommt selten vor. Doch offenbar könnten sie mehr tun. In der bereits erwähnten UE-Studie äußern sechs von zehn Befragten die Ansicht, in ihrer Schule habe es zu wenig Informationen zu Studiengängen gegeben. Ein Vorwurf, den Ronald Hoffmann für Hamburg nicht gelten lässt: Dort sei die Studien- und Berufsorientierung fest in den Curricula der Sekundarstufe II verankert. Im Rahmen der Lehrpläne fänden auch Veranstaltungen in Kooperation mit der Universität Hamburg statt. Dort würden die grundlegenden Fragen geklärt, etwa wie ein Studium aufgebaut ist und wie man sich informieren kann. Damit sei schon viel erreicht, sagt Hoffmann.

Charlyn Evert, die 2016 in Lübeck Abitur gemacht hat, fühlte sich dagegen nicht gut vorbereitet. Als Kind aus einem Nichtakademikerhaushalt hätte sie mehr Input gebraucht, sagt sie. Bis auf eine kurze Einheit in der 8. Klasse habe es an ihrer Schule kein Orientierungsangebot gegeben. Damals machte sie einen Interessenstest - und erfuhr im Anschluss, sie solle doch Bestatterin werden.

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