Großbritannien:Johnsons Worte aus dem Mund der Queen

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Königin Elizabeth II. wurde von Kronprinz Charles begleitet, als sie zum 65. Mal im Oberhaus vom Thron die "Queen's Speech" verlas. (Foto: TOBY MELVILLE/AFP)
  • Bei der Queen's Speech liest Königin Elizabeth II. traditionell die Regierungserklärung des Premierministers vor, ohne Einfluss auf den Inhalt zu haben.
  • Johnson hat im britischen Parlament derzeit keine Mehrheit. Seine Gesetzesvorhaben könnte er wohl erst nach Neuwahlen umsetzen.
  • Der Premier will das Land weiterhin am 31. Oktober aus der EU führen. Doch die Verhandlungen in Brüssel sind schwierig.

Von Alexander Mühlauer, London

Auf dem Weg zur Queen versuchte Boris Johnson ein paar Worte mit Jeremy Corbyn zu wechseln. Doch der Labour-Chef hatte offensichtlich keine Lust auf Small Talk mit dem Premierminister; er blickte stur geradeaus. So blieb Johnson nicht viel mehr übrig, als den Mund zu halten und neben Corbyn das House of Lords zu betreten, wo Königin Elizabeth II. schon auf dem Thron wartete, um sogleich die "Queen's Speech" zu verlesen.

Die Monarchin hat darin eine gewisse Übung. Die Rede am Montag war für sie bereits die 65. dieser Art. Im Vereinigten Königreich ist eine Queen's Speech stets etwas Besonderes, denn die Zeremonie dient nicht zuletzt der Selbstvergewisserung eines Landes, in dem althergebrachte Rituale auch in unruhigen Zeiten gepflegt werden. Der Brexit mag das Land gespalten haben, doch die Eröffnung einer neuen Sitzungsperiode des Parlaments folgt noch immer klaren Regeln, die in dieser Form seit 1852 gelten.

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Und so ließ sich die Queen an diesem verregneten Londoner Montag wie gewohnt vom Buckingham Palace zum Parlament kutschieren. Die vergoldete Diamond Jubilee State Coach wurde von sechs weißen Pferden gezogen. Eskortiert vom Wachregiment der Household Cavalry kam sie um kurz vor halb zwölf Uhr am Westminster Palace an. Prinz Charles und seine Ehefrau Herzogin Camilla begleiteten die Königin.

Vom geplanten EU-Austritt hängt alles andere ab

Im Oberhaus verlas sie schließlich im Beisein der Abgeordneten des Unterhauses die Regierungserklärung des Premierministers. Auf deren Inhalt nimmt die Queen keinen Einfluss. Corbyn hatte Johnson schon vor der Rede vorgeworfen, den Auftritt der Königin zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Der Premierminister entgegnete, dass seine Regierung ambitionierte Gesetzesvorhaben geplant habe, die mit einer Queen's Speech gewürdigt werden müssten. Johnson will mehr Geld für das Gesundheitswesen investieren, Straßen und Breitbandnetze ausbauen und dafür sorgen, dass die Kriminalität besser bekämpft wird. Es waren die üblichen Ankündigungen, die er seit seinem Amtsantritt immer wieder vorgetragen hatte. Nun durfte das die Queen für ihn übernehmen.

Doch all der Prunk konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Johnson derzeit über keine Mehrheit im Parlament verfügt. All die Pläne, die Königin Elizabeth II. verlas, dürften also - wenn überhaupt - erst nach Neuwahlen umgesetzt werden können. Insofern war es nicht überraschend, dass der erste Satz der Queen's Speech dem Brexit galt. Vom geplanten EU-Austritt hängt alles andere ab. Die Königin also sagte im Auftrag von Boris Johnson: "Die Priorität meiner Regierung war es immer, einen Austritt aus der Europäischen Union am 31. Oktober zu sichern." Die Regierung wolle auf eine "neue Partnerschaft mit der EU hinarbeiten, die auf freiem Handel und freundschaftlicher Zusammenarbeit beruhen soll".

Spekulationen über neuen Brexit-Gipfel

Doch wie schwer das ist, zeigten am Montag erneut die Brexit-Verhandlungen. In Brüssel stritten die Unterhändler weiter über die Frage, ob Nordirland dem britischen Zollregime unterliegen kann, wenn es in der Praxis auch EU-Zollregeln anwendet. So will Johnson eine harte Grenze zu Irland vermeiden. Die Zeit, um eine Lösung zu finden, ist knapp. Bereits am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs zu ihrem EU-Gipfel. Dann wird es zum Schwur kommen: Gibt es doch noch einen Deal zwischen Brüssel und London?

Johnson zeigte sich am Montag jedenfalls fest dazu entschlossen, denn nur so kann er das Versprechen einlösen, sein Land am 31. Oktober aus der EU zu führen. Gelingt es dem Premier beim Gipfel nicht, eine Einigung zu erzielen, ist er gesetzlich verpflichtet, eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen. Johnson hat allerdings mehrmals betont, dass er dies nicht tun werde. Für den Tag nach dem Gipfel ist bereits eine Sondersitzung des Unterhauses geplant. Sollte es einen Deal geben, würde dann wohl darüber abgestimmt - mit ungewissem Ausgang. Kein Wunder, dass es schon Spekulationen über einen weiteren Brexit-Gipfel kurz vor dem 31. Oktober gibt.

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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