Deutsche Bank:Geschenke für mächtige Freunde

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In einem Vergleich mit der US-Börsenaufsicht SEC hat die Deutsche Bank insgesamt etwa 16 Millionen Dollar gezahlt. (Foto: Stefan Dimitrov/SZ Illustration)

Über Jahre verteilte die Deutsche Bank großzügig Geld, Präsente und Jobs unter Chinas Kadern und Managern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem dubiosen System der Gefälligkeiten.

Von Christoph Giesen, Nicolas Richter, Meike Schreiber und Petra Blum

Die Deutsche Bank fällt seit Jahren durch immer neue Skandale auf. Jetzt kommen neue Enthüllungen hinzu. Süddeutsche Zeitung, WDR und New York Times haben interne Unterlagen der Bank ausgewertet. Sie erzählen vom Aufstieg der Bank in China - und den zweifelhaften Methoden, die diese dabei nutzte.

Was hat die Deutsche Bank getan?

Die Deutsche Bank soll sich von 2002 bis 2014 mit Hilfe von Geschenken und Gefälligkeiten Zugang zu mächtigen Politikern und Managern in China verschafft haben. Internen Unterlagen zufolge verteilte sie kostbare Präsente im Gesamtwert von mehr als 200 000 Dollar an hochrangige Kader. Der damalige Staats- und Parteichef Jiang Zemin erhielt demnach einen Kristalltiger für etwa 15 000 Dollar sowie eine Stereoanlage von Bang & Olufsen. Dem früheren Ministerpräsidenten Wen Jiabao schenkte die Bank entsprechend seinem chinesischen Sternzeichen ein Kristallpferd im Wert von rund 15 000 Dollar. Zudem heuerte die Bank offenbar dubiose Berater an, unter anderem einen Mann, der der Familie von Premier Wen nahestand. Er bekam den Dokumenten zufolge zwei Millionen Euro, weil er der Bank dabei half, Anteile der staatlich kontrollierten Huaxia-Bank zu übernehmen. Weitere 100 000 Dollar flossen an eine mutmaßliche Briefkastenfirma, um ein Treffen zwischen dem damaligen Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann und Staatspräsident Jiang im Februar 2002 zu ermöglichen.

Außerdem stellte die Bank mehr als einhundert Kinder von bestehenden oder künftigen Geschäftspartnern ein. Meist handelte es sich bei den Eltern um Manager staatlicher Unternehmen, von denen sich die Deutsche Bank Aufträge erhoffte. Einige der damals bedachten Kader gehören mittlerweile zum höchsten Führungszirkel der chinesischen Macht, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros. So arbeiteten etwa die Töchter von Wang Yang und Li Zhanshu für das Geldhaus. Wang war früher Parteichef der Provinz Guangdong, danach Vize-Premierminister, derzeit ist er der Chef der chinesischen Konsultativkonferenz und steht in der Hierarchie der Kommunistischen Partei an vierter Stelle. Nummer drei ist Parlamentspräsident Li Zhanshu, erst Anfang September traf ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel in Peking. Auch Lis Tochter arbeitete für die Deutsche Bank.

Wie hat man das herausgefunden?

Im September 2013 erschienen Medienberichte, wonach die amerikanische Bank JP Morgan Chase Probleme mit der Bankenaufsicht hatte, weil sie Kinder einflussreicher Chinesen eingestellt hatte. Die Deutsche Bank überprüfte daraufhin ihre eigene Personalpolitik in China. Wenig später verlangte die US-Börsenaufsicht Security and Exchange Commission (SEC) auch von der Deutschen Bank Auskunft über deren Einstellungspraxis. Die Bank heuerte zunächst die Kanzlei Allen & Overy an, um sich bei der Aufklärung helfen zu lassen. Die externen Anwälte sichteten Dokumente und sprachen mit mehr als 200 Mitarbeitern aus dem Asien-Pazifik-Geschäft. Im Jahr 2015 beauftragte die Bank eine weitere Kanzlei, Gibson Dunn & Crutcher. Diese sollte die "Integrität" der ersten Untersuchung durch Allen & Overy bewerten und ferner beurteilen, ob die Deutsche Bank noch weitere dubiose Vorgänge an die SEC melden musste.

Zu diesen weiteren Vorgängen gehörten die Geschenke und Reisen für diverse chinesische Politiker, Manager und Beamte; ebenso die Verpflichtung von Beratern. Gibson Dunn & Crutcher befand, eine mögliche Korruption im Zusammenhang mit Geschenken und Beratern sei bereits verjährt, allerdings könnten die SEC und das US-Justizministerium argumentieren, sämtliche dubiose Vorgänge von den frühen Nullerjahren bis 2014 stünden in einem Zusammenhang, dann könnten sie auch mögliche Straftaten und Regelverstöße aus früheren Jahren verfolgen.

Was hat die Bank den Aufsichtsbehörden mitgeteilt?

Die Deutsche Bank hat der SEC über ihre umstrittene Personalpolitik in China berichtet, dazu gehörten die Recherche-Ergebnisse der Kanzlei Allen & Overy. Unklar ist jedoch, ob die SEC Kenntnis über Geschenke und dubiose Beraterverträge erhalten hat. Die SEC äußert sich auf Anfrage nicht dazu. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin und die Europäische Zentralbank, die in Europa für die Überwachung der Deutschen Bank zuständig sind, nehmen ebenfalls keine Stellung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt erklärt, sie habe in dieser Sache nie ermittelt.

Welchen Umfang hatten die beanstandeten Geschäfte?

Die Kanzlei Allen & Overy hat ermittelt, an wie vielen Geschäften die Kinder von chinesischen Politikern und Managern mitgewirkt haben: Demnach konnten 19 Mitarbeiter mit familiären Beziehungen mit 103 Geschäften in Verbindung gebracht werden, mit denen die Bank den Anwälten zufolge einen Umsatz von knapp 190 Millionen Dollar erzielt hatte. Aufgrund dieser Zahlen prognostizierte die Kanzlei Allen & Overy im Jahr 2017, dass die Deutsche Bank für einen Vergleich mit der SEC einen Betrag zwischen 84 und 252 Millionen Dollar würde zahlen müssen.

Welche Konsequenzen hatte das für die Bank?

Die SEC hat sich am 22. August dieses Jahres zu einem Vergleich mit der Deutschen Bank bereit erklärt. Die Aufsichtsbehörde stellte fest, dass die Bank zwischen 2006 und 2014 mit ihrer Personalpolitik in verschiedenen Ländern gegen ein US-Gesetz zur Bestechung im Ausland, den sogenannten Foreign Corrupt Practices Act (FCPA), verstoßen habe. Von 2006 an habe die Bank in der Asien-Pazifik-Region (überwiegend in China) Jobs an die Angehörigen von (möglichen) Geschäftspartnern vergeben. Das Ziel dieser Personalpolitik sei es gewesen, gute Geschäfte zu generieren, indem die Bank ihren Kunden "persönliche Gefallen" tat, nämlich deren Angehörige einzustellen. Die Bank habe damit ihr eigenes, strenges Bewerbungsverfahren umgangen. Der SEC zufolge haben Mitarbeiter der Bank Unterlagen gefälscht, um die korrupte Einstellungspraxis zu vertuschen. Die Bank habe diese Praxis erst im Jahr 2015 mit dem notwendigen Ernst beendet.

Laut SEC hat die Deutsche Bank selbst keine illegalen Handlungen eingeräumt. Sie erkenne aber an, dass es gegen Anti-Korruptions-Gesetze verstoßen könne, Angehörige ausländischer Regierungsmitarbeiter und anderer Kunden einzustellen. Laut SEC hat sich die Deutsche Bank durch korrupte Geschäfte in China und Russland um knapp elf Millionen Dollar bereichert. Als Teil des Vergleichs musste die Bank diese elf Millionen Dollar an die SEC abführen (Gewinnabschöpfung), hinzu kamen Zinsen sowie eine Geldbuße in Höhe von drei Millionen Dollar - insgesamt also etwa 16 Millionen Dollar.

Damit kam die Bank sehr glimpflich davon. JP Morgan Chase musste im Jahr 2016 deutlich mehr, nämlich 264,4 Millionen Dollar, an das US-Justizministerium zahlen. Die SEC würdigte, dass die Deutsche Bank bei der Untersuchung kooperiert habe. Sollte die Deutsche Bank allerdings Informationen zurückgehalten haben, etwa zu den Geschenken und Beraterhonoraren, könnte dies für neue Probleme mit den Aufsehern sorgen.

Was wusste der damalige Vorstandschef Josef Ackermann?

Der ehemalige Vorstandschef der Deutschen Bank gibt an, nichts davon mitbekommen zu haben, wie in China Gefälligkeiten verteilt wurden. Ein hochrangiger Mitarbeiter hat bei den internen Untersuchungen angegeben, dass Ackermann zwar nie verlangt habe, Regeln zu brechen oder Schmiergeld zu zahlen. Er habe aber enormen Erfolgsdruck ausgeübt. Ackermann erklärt heute, er habe seinen Mitarbeitern stets eingeschärft, dass kein Geschäft es wert sei, den Ruf der Bank zu gefährden.

Ackermann hatte in seiner Zeit bei der Deutschen Bank den Aktionären eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent versprochen. Um dieses Ziel erreichen zu können, ließen sich einige Banker offenbar auch auf krumme Geschäfte ein. Der Libor-Zinssatz wurde manipuliert, die Umsatzsteuer beim Handel mit CO₂-Zertifikaten hinterzogen und, wie sich nun zeigt, war auch das China-Geschäft alles andere als sauber. Befördert wurde das System vor allem durch hohe Bonus-Zahlungen.

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