Fürstenfeldbruck:Messerscharfer Witz

Beim Finale des Paulaner-Solo-Kabarettwettbewerbs setzt sich Gregor Pallast gegen seine drei Mitstreiter durch. Weil ihm gelingt, woran Politik und Werbung scheitern: Komplexe Zusammenhänge erklären und ihre Absurdität herausstellen

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Publikum und Jury sind sich an diesem Abend einig: Gehirn gewinnt. Mit hochaktuellem und bestechend klugem Polit-Kabarett hat Gregor Pallast den Doppelsieg beim großen Finale des Kabarettwettbewerbs Paulaner Solo errungen. Aus den Vorrunden hatten sich Künstler unterschiedlicher Genres fürs Finale im Veranstaltungsforum qualifiziert. Musikkabarett versus Stand-up. Schwer vergleichbar. Dass sich die Mehrheit der 600 Zuschauer und auch die Jury für das Polit-Kabarett entscheiden würden, war nicht vorhersehbar. Das ehrt Doppelsieger Gregor Pallast umso mehr.

Pallast gelingt, woran Politiker und Werbeleuten scheitern: Komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, die Absurdität herauszustellen und unterhaltsam zu präsentieren. Beeindruckend: sein unglaublicher Intellekt. Im Publikum weiten sich die Augen vor Überraschung und das eine oder andere "Ah" mischt sich in die Lacher. So richtig schallend gerät das Gelächter natürlich nicht, denn seine Witze schmecken bitter. Beispielsweise die ewig währenden Lügen und Betrügereien in der Autoindustrie. Niemand macht sich die Mühe, Energieeffizienzklassen nach zu rechen. Pallast schon. Dass nicht nur bei den Resultaten getrickst wird, sondern schon die Berechnungsformeln falsch sind, führt vor Augen, was "postfaktisch" heißt. Genauso läuft es bei der Klimadebatte und der Erderwärmung.

Finale Kabarettwettbewerb Paulaner Solo, Stadtsaal Veranstaltungsforum Fürstenfeld

Siegerpose: Gregor Pallast gewinnt sowohl die Jury als auch die Publikumswertung. Sein Triumph zeigt, dass kluges politisches Kabarett auch begeistern kann.

(Foto: Matthias Döring)

Fast im Trump'schen Twittertempo kommentiert Pallast verborgene Skandale: Benzinpreiserhöhung für den Klimaschutz und parallele Erhöhung der Pendlerpauschale, Klimaangst der Reichen als Synonym für Angst vor kleineren Autos und kürzeren Reisen, "Ökofaschisten" als Facebook-Begriff, Greta Thunberg und ein SUV-Käfer-Vergleich. Denn der Arschloch-Faktor steigt mit der PS-Zahl. Pallast wählt Wege und Kausalketten, die auf Kringeln und Kreisen zum Olymp des Polit-Kabaretts hinaufsteigen. Verdient gewonnen, kann man nur sagen.

Mia Pitroff punktete sich mit fränkischem Charme auf Platz zwei. Der Saal war gebauchpinselt, denn wegen der sommerlichen Temperaturen am Sonntag nannte sie "Fürstenfeld Beach" gleich das "Kalifornien Deutschlands". Eine erstklassige Überleitung zum Herbst-Thema, das neben der Krux mit Kastanienmännchen und Kindergartenbasteleien auch das anspruchsvollere Arte-Publikum in die Mangel nahm. Ein Bildungsbürgertum, das seltene Rotweine sammelt und Architektursendungen auf französisch genießt. Der Gegenentwurf: Pitroffs Lebenspartner mit seiner Stammkneipe und der Not-Stammkneipe, der dort immer seine Stammhose trägt und manchmal auch die Not-Stammhose. Mia Pitroff brachte auch ihr bitterböses Lied über den brutalen Spießbürger Jürgen. In der Vorrunde musste sie aufgrund einer technischen Panne an dieser Stelle improvisieren. Das war beim Finale nicht der Fall. Vielleicht hätte aber so eine Panne die Gelegenheit geboten, die lässige Bühnenpräsenz und den spontanen Witz von Mia Pitroff noch mehr zu betonen.

Finale Kabarettwettbewerb Paulaner Solo, Stadtsaal Veranstaltungsforum Fürstenfeld

Moderiert wird der Abend im vollen Veranstaltungsforum von der Kabarettistin Constanze Lindner.

(Foto: Matthias Döring)

Der 18-jährige Kabarett-Fan und Nachwuchs-Experte Markus Farmbauer aus Olching findet politisches Kabarett hervorragend, hätte den Sieg aber Florian Wagner gegönnt. "Ich liebe eben Musik," sagt er. Nicht nur er. "Jeder liebt Musik" heißt eines der Lieder von Florian Wagner: Ein Medley vom Bacardi-Song bis Hip-Hop, Texte voller Esprit "Manche lieben Game of Thrones, aber keiner die letzte Staffel".

Auf Instagram und Youtube findet man Florian Wagners Mini-Serie "Wie hätten klassische Komponisten bekannte Lieder geschrieben?" Beim Finale stellte er "Atemlos durch die Nacht" als Mozart-Komposition vor. Vor allem zum Refrain wurde begeistert im Takt mitgeklatscht. Trotzdem bleibt Musik-Kabarett Liebhabersache und so erreichte Florian Wagner nur den dritten Platz.

Nicht nur kurz nach dem Oktoberfest geht es bei Christina Baumer viel ums Essen und Trinken. In den Rollen zweier Schwestern - Chris aus der Stadt und Tina vom Land - erklärte "ChrisTina" Baumer die Welt der Vegetarier, Veganer und Frutarier. Dazu kommen noch Syrer, Sex und Trump. Ihr Programm deckte alles ab, was bewegt. Umwerfend natürlich die temperamentvolle Darbietung, der man Baumers Schauspielerkarriere anmerkt. Allerdings waren die Feinheiten ihres Spiels ganz hinten in der riesigen Stadthalle weniger sichtbar als in Bühnennähe. Ein Manko, das den vierten Platz einbrachte.

Finale Kabarettwettbewerb Paulaner Solo, Stadtsaal Veranstaltungsforum Fürstenfeld

Für Christina Baumer reicht es im Finale nur für den vierten Platz, beim Publikum kommt sie trotzdem gut an.

(Foto: Matthias Döring)

Neben den vier Künstlern, die im Wettbewerb auftraten, war natürlich die Moderation Constanze Lindner ein Magnet des Abends. In Fast-Lederjacke und Glitzerchucks heizte sie dem Saal gründlich ein und zeigte spektakuläre Auszüge ihres aktuellen Programms. Von Lifestyle-Themen wie der "Miss Wal" auf Ibiza bis zur Kunstfigur Cordula Brödke mit der Wollmütze und einer clownesken Zaubernummer - ein Schenkelklopfer nach dem anderen. Aus diesem Wirbelwind erwuchs schlussendlich der Song "Taifun des Glücks", den Constanze Lindner mit Hula-Hula-Bikini auf der Ukulele begleitete.

Glücklich waren alle. Welch Harmonie. Die Preisgelder waren willkommen, das Bier auch. Man darf sich also die nächste Runde im Jahr 2020 freuen.

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