Literatur:Die Stimmung hat sich gegen Handke gewendet

Literaturnobelpreisträger Handke

"Ich komme von Tolstoi, von Homer, von Cervantes": Peter Handke fühlt sich von Kritikern verfolgt.

(Foto: Francois Mori/dpa)

Der Autor hatte offenbar gehofft, mit dem Nobelpreis den Debatten um sein Engagement für die serbische Seite in den Jugoslawienkriegen zu entkommen. Um so größer scheint seine Enttäuschung, dass das Gegenteil eingetreten ist.

Von Thomas Steinfeld

Seit Peter Handke am Donnerstag der vergangenen Woche den diesjährigen Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam, wird eine Debatte um sein Verhalten zu den Kriegen geführt, die während der Jahre 1991 bis 2001 auf dem Territorium des früheren Staates Jugoslawien ausgetragen wurden. Waren zu Beginn der Debatte noch freundliche Stimmen zum Nobelpreis zu hören, hat sich die Stimmung nun eindeutig gegen Peter Handke gewendet.

Nicht alles, was in dieser Debatte gesagt wird, hält dabei einen Vergleich mit den tatsächlichen Äußerungen Peter Handkes aus: Wenn der dänische Schriftsteller Carsten Jensen in der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter Peter Handke zu einem gefährlichen Rechtsextremisten erklärt, der den Völkermord begrüße, tut er das ohne Textgrundlage. Gleiches gilt für den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek, der aus Peter Handke einen "Apologeten des Völkermords" macht. In den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren ist eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur zu Peter Handkes Verhältnis zum ehemaligen Jugoslawien entstanden. Das Meinen zu Peter Handke scheint sich jedoch immer weiter von Textkenntnis zu entfernen, was sowohl für seine literarischen Werke (etwa 200 Titel) wie für die Sekundärliteratur gilt.

In diesen Tagen hält sich Peter Handke in Griffen auf, der kleinen Gemeinde im Süden Kärntens, nicht weit von der slowenischen Grenze, in der er aufwuchs und wohin er auch als Erwachsener immer wieder zurückkehrte. Dort fand am Dienstagabend eine gesellige Runde mit Lokalpolitikern und Journalisten mit dem Schriftsteller statt. Sie begann zivil, mit einer Erklärung Handkes, er fühle sich durch den Nobelpreis befreit, wie "losgebunden" von sich selber. Er hatte offenbar gehofft, durch die Auszeichnung den Debatten um sein Engagement für die Serben zu entkommen.

Er sehe sich in der Tradition eines Homer, eines Cervantes, eines Tolstoi

Um so größer scheint die Enttäuschung zu sein, dass das Gegenteil eingetreten ist. Die Frage einer Journalistin, wie er denn zu den Äußerungen des Schriftstellers Saša Stanišić stehe, der seine Dankrede für den Deutschen Buchpreis mit einer heftigen Kritik an Peter Handke verband, beantwortete er mit dem Abbruch der geselligen Runde. Er sei Schriftsteller, rief er. Er sehe sich in der Tradition eines Homer, eines Cervantes, eines Tolstoi. Nie aber gehe es im Gespräch mit Journalisten um sein literarisches Werk. In der Folge erklärte Peter Handke, er hasse den Journalismus.

Die Journalistin reagierte besonnen. Sie verstehe Peter Handke, der eben ein Schriftsteller sei und dennoch immer wieder mit denselben politischen Fragen konfrontiert werde. Sie schätze außerdem sein literarisches Werk. Einige ihrer Kollegen waren weniger zurückhaltend und verwandelten eine ländliche Szene mit einem Schriftsteller, den die Auseinandersetzungen der vergangenen Tage offenbar mitgenommen hatten, in einen prinzipiellen Affront gegen die selbstverständlichen Ansprüche des Journalismus. Auch das ist eine Übertreibung: Denn es gibt kein allgemeines Zugriffsrecht des Journalismus auf den einzelnen Menschen. Das gilt auch für Menschen, die berufsbedingt in der Öffentlichkeit stehen.

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