Mietmarkt in Berlin:Es war einmal ein mildtätiger Investor

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Die Hausgemeinschaft: Eine bunte Mischung aus Freiberuflern, Familien, älteren Paaren und jungen Zugezogenen. (Foto: OH)

Ein Märchen in Zeiten der Gentrifizierung: In Bestlage in Berlin stand ein Gebäude zum Verkauf, den Mietern sollte gekündigt werden. Jetzt hat die Hausgemeinschaft einen Käufer gefunden, der sie weiter dort wohnen lassen will.

Von Verena Mayer, Berlin

Heutzutage gehen Märchen so: Es war einmal ein Haus, das stand zum Verkauf. Die Wohnungen darin sollten in Eigentum verwandelt, die Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Doch sie taten sich zusammen und zogen los, um selbst einen Käufer zu finden, der sie weiter in dem Haus wohnen lassen würde.

Das Märchen trug sich tatsächlich zu und zwar in Berlin, der Hauptstadt, deren überhitzter Immobilienmarkt täglich neue Geschichten von Luxussanierungen, Mieterhöhungen und Eigenbedarfskündigungen hervorbringt. Nun sieht es so aus, als gäbe es ein Happy End: Einen Käufer, der das Haus so übernehmen will, wie es ist.

Es geht um ein Gebäude auf dem Strausberger Platz in Friedrichshain, sieben Stockwerke hoch, historische Bausubstanz. Zu Pfingsten erfuhren die Mieter, dass der Eigentümer, eine Erbengemeinschaft aus Westdeutschland, es für 6,9 Millionen verkaufen wollte. Kurz darauf standen erste Interessenten vor der Tür: Leute aus aller Welt, die den Mietern offen sagten, dass sie die Wohnungen selbst nutzen wollten.

Die Hausgemeinschaft, eine bunte Mischung aus Freiberuflern, Familien, älteren Paaren und jungen Zugezogenen, machte erst einmal, was viele andere in einer solchen Situation tun: Sie ließen sich beraten, wandten sich an den Bezirk, loteten aus, ob die Möglichkeit bestehe, dass das Land Berlin das Haus über das Vorkaufsrecht an sich zieht. Als nichts davon Erfolg versprach, gingen sie Mitte Juli mit folgendem Inserat an die Öffentlichkeit: "Freundliche Mieter suchen Investor mit Herz."

"Beitrag zu mehr Menschlichkeit auf dem Wohnungsmarkt"

Ein gutes Dutzend privater Interessenten habe sich davon angesprochen gefühlt, sagt Sven Wärren, Geschäftsführer der Immobilienfirma, die für den Verkauf zuständig ist. Den Zuschlag bekam nun der Unternehmer Michael Kölmel. Der promovierte Mathematiker ist kein Unbekannter, Kölmel hat den Filmverleih Kinowelt aufgebaut und sich mit Beteiligungen an Fußballklubs einen Namen gemacht. In Berlin trat er schon einmal als Retter auf, als er Ende der Neunzigerjahre den jetzigen Bundesligaverein 1. FC Union Berlin vor der Pleite bewahrte. Die Geschichte von Kölmels Unternehmertum ist allerdings auch wechselvoll: So kam er mit der Kinowelt AG auf dem Neuen Markt ins Schleudern und musste 2001 Insolvenz anmelden.

Wieviel Kölmel für das Haus bezahlte, will Wärren nicht sagen, nur, dass der Kaufpreis "ambitioniert" sei und nahe an den Vorstellungen des Verkäufers liege. Kölmel selbst sagte, er wolle "einen Beitrag zu mehr Menschlichkeit auf dem Wohnungsmarkt" leisten und kündigte an, die Kaltmiete für die nächsten fünf Jahre zu deckeln. Und in den kommenden zehn Jahren werde es keine Eigenbedarfskündigungen geben.

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Von Verena Mayer, Berlin

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