Kommentar:Bitte alle einsteigen

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Seltsam ist, dass die Wolfratshauser Stadträte vom Erfolg des von ihnen initiierten Beschlusses eines kostenlosen Stadtbusses überrascht sind...

Von Konstantin Kaip

DDie Entschlusskraft, die der Wolfratshauser Stadtrat im Juli gezeigt hat, war bemerkenswert: Das Gremium, das sonst wenig Gelegenheiten verstreichen lässt, um Beschlüsse zurückzustellen, entschied sich kurzerhand einstimmig dafür, den Stadtbus für alle Schüler und Senioren kostenlos zu machen. Und das, obwohl der MVV nur Tickets für Ringe herausgibt und nicht für einzelne Linien. Nun, da 450 Schüler das Geschenk angenommen haben und die Stadt 180 000 Euro für Jahreskarten gezahlt hat, bekommen die Stadträte kalte Füße. Das eigentlich auf zwei Jahre angesetzte Experiment wird auf das laufende Schuljahr beschränkt. Denn was von den Ausgaben später vom MVV tatsächlich als Einnahmen der Wolfratshauser Linien verbucht und von den Betriebskosten der Stadt abgezogen wird, ist noch völlig unklar.

Dass man auf der so enthusiastisch angetretenen Fahrt nun die Notbremse zieht, ist verständlich: Das Risiko ist zu hoch angesichts der undurchsichtigen Abrechnung des MVV, bei der die Einnahmen der Linien anhand einer Fahrgastbefragung statistisch umgelegt und erst mit zweijähriger Verspätung berechnet werden. Das war zwar auch schon im Sommer klar, aber offensichtlich nicht allen. Das ernüchternde Fazit der späten Erkenntnis: Der kostenlose Stadtbus bleibt vermutlich ein teures Experiment. Eines, das allen Kommunen aufzeigt, wie viel Bürokratie der viel beschworenen Mobilitätswende im starren System des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds entgegensteht.

Seltsam ist hingegen, dass die Stadträte der Arbeitsgruppe vom Erfolg des von ihnen initiierten Beschlusses überrascht sind. Ein Ticket für den Ring 11, mit dem man jederzeit umsonst bis nach Geretsried und im August auch im Gesamtnetz fahren kann, ist schließlich auch für alle reizvoll, die es nur gelegentlich nutzen. Die Stadt hat also Glück gehabt, dass der überwiegende Teil der 1200 berechtigten Schüler das verlockende Angebot dankend abgelehnt hat. Alle anderen sollten von ihren Tickets nun so oft wie möglich Gebrauch machen. Nur so besteht die Chance, dass die an sich gute Idee des kostenlosen Stadtbusses auf irgendeine Weise weitergeführt wird.

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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