Denkmalpflege:Neues Projekt soll jüdische Friedhöfe dokumentieren

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Der Judaist Detlef Müller entziffert alte Grabinschriften auf einem jüdischen Friedhof. In Bayern wird die Erforschung jüdischer Friedhöfe nun am Landesamt für Denkmalpflege gebündelt. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Im Judentum wird kein Grab einfach entfernt. Die Inschriften sind oft Hunderte Jahre alt - ihre Lesbarkeit nimmt aber stetig ab.

Von Hans Kratzer, München

Das Judentum nimmt die Ewigkeit sehr ernst, das kommt nicht zuletzt in den jüdischen Friedhöfen deutlich zum Ausdruck. Dort haben die Toten nämlich ein ewiges Ruherecht, im Gegensatz zu christlichen Gottesäckern, wo die Gräber nach Ablauf einer festgeschriebenen Zeit aufgelöst werden. Weil die Totenruhe im jüdischen Glauben als unantastbar gilt, bleiben Gräber und Grabmale dauerhaft erhalten.

Dementsprechend heißen solche Friedhöfe auch Haus der Ewigkeit. Weil sie lange erhalten bleiben, werden die Gräber auf jüdischen Friedhöfen mit der Zeit auch zu wertvollen, aber bedrohten Zeugnissen der Vergangenheit. Allerdings sind die Grabsteine - je nach Beschaffenheit des Steinmaterials und durch zunehmende Umweltbelastung - vom Verfall bedroht.

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Das Ziel eines neuen Projekts ist es, diesen Wissensschatz zur jüdischen Geschichte zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass jüdische Friedhöfe öffentlich zugänglich bleiben. Gerade sie bilden eine oft Jahrhunderte zurückreichende Quelle zum jüdischen Leben. Die Inschriften, deren Lesbarkeit im Lauf der Zeit stetig abnimmt, geben beispielsweise Auskunft über Namen, Familienzugehörigkeit, Titel, den letzten Wohnort sowie das Sterbe- und in manchen Fällen auch das Begräbnisdatum des oder der Verstorbenen.

Initiiert wurde das auf drei Jahre angelegte Projekt von den bayerischen Bezirksheimatpflegern, umgesetzt wird es in einer Kooperation von Kunstministerium, Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und den sieben bayerischen Bezirken. Der Präsident des Bayerischen Bezirketages, Franz Löffler, begrüßt das Projekt sehr, gerade "in Zeiten eines zunehmenden Antisemitismus und eines Verlustes an Wissen über die jüdische Kultur in Bayern". Es müsse ein gemeinsames Anliegen sein, dem Verfall jüdischer Friedhöfe entgegenzutreten und eine breite Öffentlichkeit über diese wichtigen Zeugnisse der Geschichte zu informieren, sagte er und betonte, die Bezirke sähen hier ein wichtiges Thema ihrer Kulturarbeit.

Laut Generalkonservator Mathias Pfeil, dem Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, sind allein in der Bayerischen Denkmalliste 106 jüdische Friedhöfe erfasst. Es handelt sich dabei um verwaiste, geschlossene Friedhöfe, manche sind aber auch noch offen. "Diese Orte und damit auch die Geschichte der Verstorbenen dürfen nicht in Vergessenheit geraten", sagte Pfeil.

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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