Alternative Antriebe:Dem Gasauto könnte ein Comeback gelingen

Erdgas und der VW Golf TGI Blue motion

Erdgaszapfen dauert nicht viel länger als ein normaler Tankvorgang mit Flüssigkraftstoffen.

(Foto: Volkswagen AG)

Gasantriebe waren bisher kein Verkaufsschlager. Künftig sollen sie als Brückentechnologie jedoch eine zentrale Rolle spielen - wenn die Pläne der Regierung aufgehen.

Von Joachim Becker

Die Zukunft fällt erst einmal aus. "Im Modelljahr 2019 ist der Audi A4 Avant g-tron ausverkauft und daher nicht mehr individuell konfigurierbar", steht auf der leer geräumten Webseite, "Informationen zum Einsatztermin im Modelljahr 2020 erhalten Sie bei Ihrem Audi-Partner." Ein Autohersteller, der keine Fahrzeuge liefern kann: Erinnerungen an das WLTP-Chaos vor einem Jahr werden wach. Alle Modelle mussten neu zertifiziert werden. Audi, Porsche und VW kamen bei der Umstellung auf die neue Abgasnorm nicht nach. Die exotischen Erdgasmodelle hatten sich ganz hinten einzureihen. Jetzt ist es wieder so weit. Wenig verwunderlich bei rund 2800 g-tron-Fahrzeugen, die Audi im Jahr 2019 bislang verkauft hat.

Sieht so die Zukunft von Gas als Kraftstoff aus - abgeschlagen auf den hintersten Rängen der Zulassungsstatistik? Auf der IAA in Frankfurt gingen die Drucktank-Autos (CNG: Compressed Natural Gas) in der allgemeinen Elektro-Euphorie jedenfalls unter. Während die Stromer dank Fortschritten bei den Batteriezellen durchstarten, scheinen die Gasbrenner ihren Zenit überschritten zu haben. Zumal Erdgas als fossile Energiequelle bei Umweltverbänden auf dem Index steht: "Die energiebedingten CO₂-Emissionen aus Gas betrugen im Jahr 2017 in Deutschland rund 176 Millionen Tonnen CO₂", so die Deutsche Umwelthilfe (DUH): "Diese und alle weiteren Emissionen müssen spätestens 2050 vollständig vermieden werden."

Der ADAC hat Erdgasautos dagegen als besonders umweltfreundlich eingestuft: "Die Auswertungen zeigen, dass aktuell in der Golfklasse das Erdgasfahrzeug eine sehr gute Bilanz aufweist. Sein Treibhausgas-Ausstoß liegt über den gesamten Lebenszyklus unter dem des Elektroautos - bei Nutzung des deutschen Strommixes." Das Problem ist der hohe Kohleanteil bei der Energieerzeugung. Werden zur Herstellung der Antriebsbatterien und zum Fahren "Grünstrom" verwendet, sieht die Rechnung anders aus. Fakt ist, dass die Kunden durch immer neue Studien über die Antriebsalternativen und ihren Umweltbilanzen verunsichert werden. Kaufzurückhaltung ist die logische Folge.

Die Kunden erwarten Investitionssicherheit beim Autokauf, niemand will Wertverluste wie bei Dieselfahrzeugen erleben. Viele Autofahrer fragen sich zudem, wie lange CNG noch von einem Steuerbonus an der Tankstelle profitiert. Gas-Lobbyisten feiern es deshalb als Erfolg, dass der Absatzrückgang in Deutschland bei knapp 100 000 Bestandsfahrzeugen gestoppt werden konnte. Unbeeindruckt von dieser Stagnation verbreitet die Bundesregierung in jüngster Zeit Gas-Optimismus. Die Steuererleichterung für CNG als Kraftstoff wurde bis zum Jahr 2026 verlängert. Und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) lässt in den ersten Eckpunkten einer Antriebsstrategie durchblicken, dass gasförmige Kraftstoffe künftig eine wichtige Rolle spielen: Wer den neuen Zwischenbericht zum "Dialogprozess Gas 2030" liest, hält einen Steuerbonus bis 2030 und darüber hinaus für durchaus realistisch.

"Im Rahmen der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) haben sich Politik und Wirtschaft dazu bekannt, dass bereits bis 2030 eine erhebliche Anzahl gasbetriebener Fahrzeuge erforderlich sein wird, um das Klimaschutzziel 2030 im Verkehrssektor zu erreichen - als Potenzial werden bis zu drei Millionen Gas- sowie bis zu 1,8 Millionen Brennstoffzellen-Pkw genannt", heißt es in dem Eckpunktepapier des BMWi. Diesen Zahlen zufolge hätte der Gasantrieb seine besten Jahre noch vor sich.

Ist das der Grund, warum Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess, der einen radikalen "Systemwechsel" hin zur Elektromobilität fordert, der kommenden achten Golf-Generation einen CNG-Motor spendiert? Audi, Škoda, Seat und VW haben ihre Palette auf 19 verschiedene Gasmodelle ausgebaut. Im November wird auch der Audi A4 g-tron wieder als Neufahrzeug bestellbar sein. Nach den WLTP-Verzögerungen soll es im nächsten Jahr mit Vollgas vorangehen. "Erdgas ist sofort verfügbarer, nachhaltiger und kostengünstiger Klimaschutz!", wirbt der Wolfsburger Konzernbeauftragte Stephen Neumann. Mit Industrie-Partnern will Volkswagen die Zahl der Erdgastankstellen in den nächsten Jahren auf 2000 in Deutschland mehr als verdoppeln. Für einen Nachruf scheint es definitiv zu früh zu sein.

Erdgas und der VW Golf TGI Blue motion

Der Volkswagen-Konzern hat die größte Gasflotte im Markt: Audi, Škoda, Seat und VW haben ihre Palette auf 19 verschiedene Modelle ausgebaut

(Foto: Volkswagen AG)

Eigentlich müssten jetzt mehr Autohersteller in neue CNG-Modelle investieren. Doch das Gegenteil ist der Fall. Außer Fiat und den Marken des Volkswagen-Konzerns haben sich fast alle anderen Pkw-Marken von Erdgas als Kraftstoff verabschiedet. Angesichts der aktuellen Wirtschaftsflaute ist der Appetit auf ein derartiges Nischengeschäft gering. Entwicklungsetats für Pkw-Gasmotoren der nächsten Generation (Gasdirekteinblasung) lassen sich angesichts der schlechten Nachfrage nur schwer rechtfertigen. Selbst die Marken des Volkswagen-Konzerns haben im vergangenen Jahr gerade einmal 50 000 CNG-Fahrzeuge in ganz Europa verkauft. Man braucht Mut zum Risiko, viel Marktmacht und Durchhaltevermögen, um sich momentan für diese Antriebsalternative zu entscheiden. Und es schadet auch nichts, viel Vertrauen in die "technologieoffene" Position des Bundeswirtschaftsministeriums zu haben.

Gasantriebe sind zwischen die Fronten der Klimadiskussion geraten. Niemand bestreitet, dass sie etwa 25 Prozent weniger Kohlendioxid als Benziner ausstoßen und fast 15 Prozent weniger CO₂ als Diesel. Inklusive des zwanzigprozentigen Biomethan-Anteils im deutschen Tankstellengas sind die CO₂-Emissionen schon heute um 40 Prozent niedriger als bei Ottomotoren und 30 Prozent geringer als bei Selbstzündern. Aus dem Auspuff kommen so gut wie keine Rußpartikel, kein Schwefel und viel weniger Stickoxide als beim Diesel. Zudem werden in Deutschland zehn Terawattstunden Biomethan produziert - genug, um den gesamten deutschen Gasfahrzeugbestand zu versorgen, sagen die Lobbyisten.

Biomethan mag gut für das Klima sein, die anderen Autohersteller bleiben trotzdem kühl: Die EU-Richtlinie schreibt perspektivisch eine Mindestquote von 14 Prozent CO₂-neutralen Kraftstoffen in den Flotten vor. Was darüber hinaus geht, ist ein freiwilliger Obolus, der nicht auf die EU-Flottenziele angerechnet wird. "Für die zukünftige Rolle der Methanmobilität (inklusive Biomethan) dürfte insbesondere dem Review der Lkw-Flottenziele im Jahr 2022 entscheidende Bedeutung zukommen", schreibt das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Eckpunkte-Papier: Ob CO₂-neutrale Kraftstoffe für die Erreichung der Flottengrenzwerte berücksichtigt werden können, sei eine zentrale Frage. Damit steht die gesamte "technologieoffene" Antriebsstrategie der Bundesregierung auf tönernen Füßen.

Erdgas und der VW Golf TGI Blue motion

Gleicher Motor, andere Verbrennung: Der VW Golf TGI Blue motion verbrennt Gas statt Benzin. Die drei Gasflaschen liegen im Unterboden.

(Foto: Volkswagen AG)

Bislang will die EU-Politik konsequent in Richtung Elektromobilität umsteuern. Deshalb gibt es keinen CO₂-Bonus für alternative Kraftstoffe. Doch die Verkehrswende könnte zäher werden als gedacht: "Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektroautos ist in wenigen Jahren auf mittlerweile zirka 200 000 gestiegen, was einem Anteil von etwa 0,5 Prozent entspricht", erklärt das BMWi zurückhaltend: "Selbst bei einem über den derzeitigen Erwartungen liegenden Erfolg des Markthochlaufs wird der Beitrag der E-Mobilität allein nicht genügen, um die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen."

Erd- und Biogas sollen also die Energiejoker sein, wenn die Kunden nicht so wollen wie die Politik. Doch dieser Plan G setzt eine Modelloffensive bei Erdgasautos voraus. Um die Hersteller ins Boot zu holen, sollen sie mit einem CO₂-Bonus für alternative Kraftstoffe geködert werden. Als Zeichen an die Umweltverbände soll zudem der Methan-Schlupf bekämpft werden, der dazu beiträgt, dass Erdgas für 20 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich ist. In einem gerade veröffentlichten "Fahrplan für erneuerbares Gas" zeigen sich diese nicht prinzipiell abgeneigt: "Für eine vollständige Treibhausgas-Reduktion braucht es mehr erneuerbaren Strom, mehr Netze, mehr Speicher und auch erneuerbares Gas. Konkret bedeutet das: Mehr Bio-Gas und mehr nachhaltig produziertes Methan, das aus Strom hergestellt werden kann (Power-to-Gas-Verfahren)." Das könnte aus der Feder des Wirtschaftsministeriums stammen. Ob die neue EU-Kommission in Brüssel die Gasstrategie mitträgt, ist indes völlig offen.

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