Brose Bamberg:"Wir wollen wieder in die Rolle der Gallier"

Arne Dirks, Bambergs Geschäftsführer, über den deutlich gekürzten Etat, die Restrukturierung und die neue Rolle des Klubs im deutschen Basketball.

Interview von Ralf Tögel

Arne Dirks hat sich für das Treffen einen hippen Laden ausgesucht, die White Bulldog Kaffeerösterei im Herzen Nürnbergs. Coole Jungs stehen an der Theke, Wasser darf man sich selbst aus einem Hahn am Tresen zapfen. Dirks, 42, wohnt in der Nähe, er trinkt eine heiße Schokolade. Sein Arbeitsplatz ist 60 Kilometer weiter nördlich, in Bamberg. Dirks ist seit Jahresbeginn der neue Geschäftsführer von Brose Bamberg. Der Klub ist aktuell Sechster in der Basketball-Bundesliga (BBL), am Sonntag gastiert Gießen (18 Uhr), den Auftakt in der Champions League hat das neu formierte Team beim tschechischen Klub Nymburg verloren. Arne Dirks ist der Mann, der den Umbruch der Bamberger federführend begleiten soll - und erklären.

SZ: Der FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß sagte in der Auftakt-Pressekonferenz zum Bundesligastart, er finde es schade, dass seinen Münchnern in Bamberg ein ernster Konkurrent abhanden komme...

Arne Dirks: Ist das so?

Er sagt jedenfalls, er hoffe, dass Michael Stoschek (Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des Hauptsponsors Brose) bald wieder tiefer in die Tasche greift.

Wir haben nach meinen Kenntnissen in Brose immer noch den größten Einzelsponsor in der BBL. Michael Stoschek, beziehungsweise Brose, macht unheimlich viel für Bamberg. Und das wird auch weiterhin der Fall sein.

Also bleibt alles beim Alten?

Das nicht, es galt sicherlich in den letzten Monaten, den Verein zu restrukturieren, das hat viel Zeit und Energie gekostet. Für uns ist wichtig, uns neu aufzustellen, das tun wir gerade. Das bedeutet, uns nicht nur auf Brose zu verlassen, sondern auch im klassischen Sponsoring zuzulegen und den Etat zu erhöhen.

Der Status des Meisterschaftsanwärters ist aber erst mal verloren.

Mir gefällt diese Rolle. Vor dem Spiel gegen Berlin wurde mir von einem Journalisten prophezeit, dass wir nach deren Euroleague-Sieg gegen St. Petersburg mit mindestens 20 Punkten untergehen werden.

Sie verloren dann 74:78, ein Sieg war drin.

Sehen Sie! Ich glaube, wir werden unterschätzt, zumindest hoffe ich das. Wir haben eine Mannschaft, die sich anders darstellt als in den vergangenen Jahren, ohne große Namen wie Tyrese Rice.

Zählen Sie noch zum Favoritenkreis?

Wenn man die Experten hört, führt kein Weg an München vorbei, die haben einen Riesenetat und sind, wenn nichts schiefgeht, Topfavorit. Dann kommt Alba, Oldenburg, Ulm, und irgendwie sind wir nicht mehr dabei. Ich finde das schön: Auf der einen Seite können wir so in Ruhe arbeiten, auf der anderen Seite überraschen mit dem Basketball, den wir spielen wollen.

Oder müssen: Der Etat wurde empfindlich gekürzt.

Deutschland, Bamberg, Brose Arena - 06.10.2019 - Basketball, 1.Bundesliga - Brose Bamberg vs. Alba Berlin Bild: v. lk.Pa

Der wichtigste Bamberger: Auf den Schultern des Spielmachers Paris Lee (links) lastet viel.

(Foto: Ryan Evans/imago)

Da brauchen wir nicht herumreden, wir haben eine Kürzung von 30 Prozent, insofern sind wir finanziell nicht mehr da, wo wir waren. Das wollen wir aber über Leidenschaft, Kampf, Herzblut und mannschaftliche Geschlossenheit wettmachen.

Das hat dem Team gefehlt?

Ich will uns nicht mit Vechta vergleichen, aber sie haben gezeigt, was man erreichen kann, wenn man als Team zusammenwächst, wenn jeder für den anderen einsteht. Diese Philosophie haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Einige meiner BBL-Geschäftsführerkollegen haben mich bereits angesprochen, dass man die Spieler, die wir inzwischen holen, googeln muss, die kennt keiner. Ich finde das amüsant.

Wie viel sind 30 Prozent weniger im Etat?

Ich werde keine Zahlen nennen, aber ich denke, dass wir uns da einpendeln wo Alba ist, ein Stück weit vor den anderen.

Bei 15 Millionen, 20?

Netter Versuch.

Es gab epische Playoff-Duelle mit dem FC Bayern in den vergangenen Jahren, alles vorbei?

Rein auf dem Papier ist Bayern so weit weg, dass sie durch die Liga spazieren müssten. Aber es ist Sport, wie man im Pokal sehen konnte (da schied der FC Bayern am Montag gegen Bonn aus/Anm.). Wir wollen als Bamberg wieder mehr in die Rolle der Gallier schlüpfen.

Das große Bamberg, Freak City?

Berlin und München sind große Städte mit ganz anderen Möglichkeiten, um Sponsoren zu finden. Das soll aber nicht heißen, dass wir gegen die Bayern nicht gewinnen wollen.

Das klingt nach dem Pfeifen im Walde.

Wir haben einen Zwei- bis Dreijahresplan, wir wollen uns von Spiel zu Spiel verbessern und in der kommenden Saison voll aufschlagen. Auf der anderen Seite sind wir Brose Bamberg - ich kann jetzt nicht sagen, wir wollen um die Playoffs mitspielen. Ein klares Ziel benennen wir nicht, aber wir wollen oben dabei sein.

Ihr Klub hat viel für die Entwicklung der Liga getan, wollte sich international etablieren, hat auf eine Euroleague-Lizenz spekuliert. Das wurde beharrlich ignoriert. Dann kommt der FC Bayern und wird mit Wildcards hofiert. Nun dieser harte Schnitt, sind Sie beleidigt?

Nein, das sehe ich nicht so. Wir hatten einige finanzielle Schwierigkeiten aufzuarbeiten, das schlägt sich auch auf den Etat nieder. Der ist - möchte man in der Euroleague eine Rolle spielen - jetzt sicher zu niedrig, auch die Mannschaft ist zu klein. Da kann man nicht mit zwölf Spielern in eine Saison gehen, schauen Sie sich die Kader von Berlin und München an. Die Champions League ist für uns interessanter.

Muss man sich gleich fünf Jahre an die drittklassige Champions League binden?

Persönlich finde ich diese Spielklasse höchst interessant. Zum einen sehe ich den Qualitätsunterschied zum Eurocup nicht (der auch von der Euroleague organisiert wird und als der zweitbeste europäische Wettbewerb gilt/Anm. d.Red), und ich sehe in der Champions League einen ganz anderen sportlichen Wettbewerb.

Weil die Euroleague Fix-Starter hat?

Es wurde bei der jüngsten Sitzung in München sehr deutlich, dass die Euroleague das klare Ziel verfolgt, sich abzuschotten. Elf Teams haben eine Lizenz, dazu gibt es zwei fest vergebene Wildcards, unter anderem für München, also spielt die nationale Meisterschaft keine Rolle mehr. Würden wir Meister werden, wäre nicht einbmal klar, ob wir mitmachen dürften. In der Champions League spielt mit Sassari der letztjährige Meisterschaftszweite aus Italien, der dort im Halbfinale das Euroleague-Team aus Mailand geschlagen hat.

Das nervt Sie offenbar?

Die Euroleague hat ein Interesse an großen Teams und großen Namen, da gab es den Gedanken, London mitmachen zu lassen. Sportlich uninteressant, aber eine Wahnsinnsstadt. Wenn man so denkt, ist Bamberg nicht interessant. Aber ist das ein sportlicher Wettbewerb oder eine rein wirtschaftlich getriebene Liga?

Aber die besten Spieler wollen sich in der Euroleague zeigen, senkt das nicht Bambergs Attraktivität?

Solche Spieler, die nach München gehen, sind für unser Budget nicht machbar. Das ist aber sicher ein Argument für viele Spieler, besonders für Agenten. Wir haben das bei unseren Verpflichtungen nicht gespürt, für uns geht es auch darum, Bamberg als Standort für Spieler interessant zu machen, die sich weiterentwickeln wollen. Ich denke zum Beispiel an unseren Individualtrainer Stefan Weissenböck, der europaweit führend ist in der Entwicklung von Spielern. Er hat sogar die Wurfquote von Nikolaos Zisis (griechischer Basketballer, bis zum Sommer in Bamberg, d.Red.) verbessern können. Mit solchen Argumenten müssen wir punkten.

Sehen Sie angesichts der Entwicklung der beiden BBL-Topteams die Gefahr, den Anschluss zu verlieren?

Wir haben im Moment eine Situation wie in der Fußball-Bundesliga. Bayern München thront über allem, und es wäre eine absolute Überraschung, wenn sie nicht Meister werden. Gegen Alba waren wir auf Augenhöhe, am Ende fehlte uns die Kaltschnäuzigkeit, aber die Mannschaft wächst gerade erst zusammen.

In der vergangenen Saison schied Bamberg im Playoff-Viertelfinale gegen einen Aufsteiger aus, in der Champions-League-Endrunde gab es böse Pleiten - aber der Klub hat den Pokal gewonnen. Sie sind der neue Mann in der Schaltzentrale, wie beurteilen sie das Vorgefundene?

Der Pokalsieg ist stark, von den Zahlen her waren wir besser als Alba Berlin, das Pokalfinale war großer Sport. Auch das Erreichen des Final Four in der Champions League war kein Selbstläufer. Was wir dort gezeigt haben, war aber eine Katastrophe, wir haben uns nicht gut präsentiert. Wir haben also, auch schon in der Saison davor, extrem viel Kredit verspielt.

Gegen Berlin war die Halle nicht voll, die erste Quittung?

Das Publikum war ein Grund dafür, dass ich hierher gekommen bin. Da ist jeder Fan, vom Oberbürgermeister bis zum Neubürger. Jeder redet über Basketball, Fußball spielt keine Rolle. Aber als ich kam, war die Stimmung nicht gut. Denn das A und O ist für uns tatsächlich das Auftreten der Mannschaft. Wenn wir so weitermachen, ist die Halle bald wieder voll.

Glauben Sie, es reicht, tapfer zu kämpfen und mit 20 Punkten zu verlieren?

Tun wir ja nicht. In Bamberg ist Basketball fast Religion, die Fans kennen sich aus, sie wollen ein Team sehen, das alles gibt. Dann kann man auch Spiele verlieren, wie jetzt gegen Berlin. Alle sind trotzdem glücklich nach Hause gegangen.

Die Mannschaft war überaltert, teilweise mit hoch dotierten Verträgen ausgestattet. Gibt es noch Altlasten?

Nein, wir haben alle beglichen.

Pokal Halbfinale Brose Bamberg - Telekom Baskets Bonn; Basketball, Arne Dirks, Brose Bamberg

"In Bamberg ist Basketball fast Religion. Die Fans wollen ein Team sehen, das alles gibt, dann kann man auch Spiele verlieren." - Arne Dirks.

(Foto: Daniel Löb/OH)

Es wurden aber Verträge aufgelöst, die von Augustine Rubit oder Patrick Heckmann zum Beispiel.

Dafür haben wir etwas Geld ausgeben müssen, das stimmt. Aber wenn man einen Cut machen will, dann muss man richtig rein. Das haben wir getan und acht von zwölf Spielern ausgetauscht.

Sie leihen Spieler aus München, die Bayern holen Spieler aus der NBA. Ist der Unterschied tatsächlich so riesig?

Ja, das liegt schon allein am Etat. Unser Anspruch ist auch, Spieler zu holen, die passen. Wir haben nicht nach Namen geschaut, sondern nach Spielern, die unser Anforderungsprofil erfüllen. Nelson Weidemann ist jung, unglaublich athletisch, schnell und ein echter Kämpfer. Wir wollen ihn entwickeln und er hat Lust darauf, das passt. Wir haben ihn zwei Jahre vom FC Bayern ausgeliehen, mit Kaufoption.

Stoschek nannte erst Alba als Vorbild, dann kamen die Spiele gegen Antwerpen, plötzlich war der belgische Klub Vorbild. Der Sportdirektor, der Trainer und der Spielmacher wurden von dort geholt. Belgien ist aber nicht die Bundesliga - kann das gut gehen?

Sonst hätten wir es nicht gemacht. Das widerspricht sich doch nicht. Berlin ist in seiner Jugendarbeit herausragend, und sie haben einen Trainer, der die Talente auch spielen lässt. Das ist ein Anspruch, den auch wir verfolgen. Denken sie an Spieler wie Thiemann, Kratzer oder Obst: Sie wurden in Bamberg ausgebildet.

Bekamen dort aber kaum Spielzeit.

Dann gehen sie weg, richtig. Momentan haben wir nicht die Fülle von Talenten, daran sind wir selbst schuld.

Das soll die bisherige sportliche Führung der Antwerpen Giants ändern?

Die haben mit fünf, sechs Spielern aus der eigenen Jugend eine gute Rolle in der Champions League gespielt. Das sind also ähnliche Konzepte. Sportdirektor Leo de Rycke hat ein Leistungszentrum aufgebaut, aus dem tolle Spieler hervorgingen.

Der frühere Brose-Trainer Bagatskis war lettischer Nationalcoach, kam aus Tel Aviv; der litauische Sportdirektor Rutkauskas galt als bestens vernetzt. Jetzt kamen zwei unbekannte Belgier, ist das nicht ein bisschen viel Risiko?

Das beschreibt ganz gut, wer wir sind und wo wir hinwollen. De Rycke ist nicht weniger gut vernetzt, er kennt jeden Spieler aus der zweiten finnischen Liga, der Euroleague bis zur NBA. Aber er ist kein Lautsprecher, sondern ein unfassbar harter Arbeiter. Er schickt mir nachts Nachrichten, wenn er einen Spieler entdeckt, der zu uns passt. Ich bin sehr glücklich, ihn zu haben.

Seit der Entlassung von Meistertrainer Andrea Trinchieri ist der Klub nicht mehr zur Ruhe gekommen, Trainer und Sportdirektoren wechselten, Geduld war nicht viel vorhanden. Schlafen Sie gut?

Ja, ausgezeichnet. Wir haben eine Idee verfolgt und durchgezogen, wir haben in Roel Moors einen Trainer geholt, der uns überzeugt hat mit seiner klaren Vorstellung, wie er spielen will. Derzeit geht der Plan auf, wenn er das nicht mehr tut, müssen wir uns wenigstens nicht den Vorwurf machen, keine Philosophie verfolgt zu haben.

Vechtas Trainer Pedro Calles soll auch ein Kandidat gewesen sein?

Habe ich auch gelesen.

Er war also kein Thema?

Wir haben uns für Moors entschieden, mehr werden Sie von mir nicht hören.

Was ist mit diesem Team in dieser Saison zu erreichen?

An erster Stelle wollen wir attraktiven und guten Basketball spielen, das ist nicht nur so dahergesagt. Wir wollen den Fans und Partnern den Spaß wiederbringen, dass sie zufrieden heimgehen. Aber natürlich wollen wir auch vorne mitspielen, das gilt für Liga, Pokal und Champions League.

Und mittelfristig?

Definitiv oben angreifen. Momentan ist München weg, aber wir wollen schon um die Plätze zwei bis vier spielen.

Leo de Rycke hat bei seiner Vorstellung die Euroleague ins Spiel gebracht, Sie haben das schnell wieder eingefangen. Fehlt da nicht die Vision?

Wir haben langfristig in der CL unterschrieben und fühlen uns da wohl. Die Euroleague ist momentan keine Option.

Reicht das nachhaltig? Früher haben Sie die Bayern gedemütigt, jetzt spielen Sie um den zweiten Platz?

Wirtschaftlich ja, aber natürlich wollen wir sie ärgern. Man tritt ja nicht an und sagt, man will Zweiter werden. Wir wollen auch gegen München gewinnen, verwundbar sind sie, das hat Bonn gezeigt. Aber wir haben keinen Greg Monroe im Kader (einen Center, den der FC Bayern aus der NBA geholt hat/Anm.).

Aber Paris Lee. Auf den Schultern des Spielmachers lastet viel. Er sollte sich lieber nicht verletzen.

Daher haben wir auch reagiert. Gegen Gießen wird erstmals Retin Obasohan im Kader stehen. Er hat letzte Saison für das Farmteam der Phoenix Suns in der G-League gespielt und besitzt durch die Saison 2017/18 bei den Oettinger Rockets Gotha auch Bundesligaerfahrung. Er ist unser letztes Puzzleteil für diese Spielzeit.

Aleix Font wurde als Talent aus Barcelona angepriesen, muss er wieder gehen?

Ja, er wird uns wieder verlassen. Es ist schade, er ist ein klasse Typ und passt gut ins Team. Aber für ihn ist der Sprung von der zweiten spanischen Liga zu groß.

Uli Hoeneß hatte auf der angesprochenen PK noch erzählt, wie Spielerverpflichtungen in München ablaufen: Geschäftsführer und Sportdirektor gucken sich einen aus, den sie unbedingt wollen und er schaut, dass er das nötige Geld besorgt. Wäre das kein Muster? Fragen Sie doch mal Herrn Stoschek?

Das wäre viel zu einfach, ich mag Herausforderungen. Ich habe ein Budget, das gilt es einzuhalten. Aber ich kann es verbessern, indem ich weitere Partner finde, mehr Tickets verkaufe und so weiter. Das Budget sieht nicht vor, dass ich zu Herrn Stoschek renne und sage, ich will den und den Spieler haben. Also ist die Kunst jetzt, einen Spieler zu finden, der sportlich und finanziell passt.

Die neue Führung ist ohnehin nicht sehr verwöhnt: Trainer und Sportdirektor kommen aus Antwerpen - und Sie waren lange für Bremerhaven tätig.

Wir haben eine Etatkürzung, sind nicht mehr da, wo wir mal waren, für die handelnden Personen sind das aber immer noch tolle Spieler. Das ist auch gut so, Leute zu haben, die gelernt haben, Spieler zu finden, die sich weiterentwickeln.

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