SZ-Kultursalon:Mehr Inhalt, weniger Glanz

Beim SZ-Gespräch im Rahmen der Frankfurter Buchmesse erzählt Model Sara Nuru von ihrer Familie

"Irgendwann hockte ich in New York vor diesem Eisbecher, der 1000 Dollar kostet, mit Blattgold bestreut ist, und den ich bewerben sollte. Da wusste ich: Das kann es nicht sein. Das passt nicht zu mir. Ich komme woanders her, ich habe anderes gesehen, und ich will so nicht weitermachen", sagt Sara Nuru, deren Karriere vor zehn Jahren als Gewinnerin von Heidi Klums Supermodel-Show begann. Nun war sie zu Gast beim SZ-Kultursalon, der an diesem Wochenende zum zweiten Mal im Rahmen der Frankfurter Buchmesse stattfand, und saß in der lässigen Szene-Location "Tumult". Einer Bar mit Yogastudio und mehreren Escape-Rooms, also mit allerlei Tücken ausgestatteten Kammern, in denen man sich einsperren lässt, um sich mit Köpfchen und Geschick wieder herauszufinden. Nuru sprach über ihr Buch "Roots" (Goldmann), in dem sie den bemerkenswerten Weg ihrer Familie von Äthiopien nach Bayern beschreibt - und wie es ihr gelang, von Deutschland aus, die Heimat ihrer Eltern zu unterstützen.

Als 19-Jährige wurde die gebürtige Erdingerin in Münchens Fußgängerzone entdeckt und zu dem TV-Contest eingeladen. Ihr Hauptgewinn 2009: ein Vertrag mit einer Kosmetikfirma, die seinerzeit noch kein einziges Make-up für Menschen mit dunkler Hautfarbe im Sortiment hatte. Seither hat sich manches verändert. Vor allem für Nuru.

Sie hat in Äthiopien eine eigene Hilfsinitiative gegründet, die Frauen mit Mikrokrediten unterstützt. Sie hat gemeinsam mit ihrer Schwester einen Fair-Trade-Kaffeehandel aufgezogen. Und sie hat, mit der Unterstützung der Berliner Journalistin Sarah Borufka, "die mir geholfen hat, meine Stimme als Autorin zu finden", ihr erstes Buch geschrieben.

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Model, Gründerin einer Hilfsorganisation und Autorin: Sara Nuru war Gast beim SZ-Kultursalon in Frankfurt.

(Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

"Mitte der achtziger Jahre, haben meine Eltern entschieden, Äthiopien zu verlassen", sagt Nuru zu Susanne Hermanski, Leiterin der SZ-Kulturredaktion und Moderatorin des Abends. In dem von Hunger und Krieg gepeinigten Land habe es keine Perspektive mehr für die Familie gegeben. Doch weil das Geld nicht reichte, um die Flucht der gesamten Familie zu finanzieren - die beiden älteren Schwestern von Sara Nuru waren bereits geboren - schickte ihr Vater seine Frau und die Mädchen vor.

"Weil es ein Abkommen zwischen dem kommunistischen Regime Äthiopiens und der DDR gab, führte der Weg über Ostberlin", erzählt Nuru. Als Asylbewerberin sei die junge Frau schließlich nach Bayern weitergeschickt worden, genauer in den Landkreis Erding, in die 400-Seelen-Gemeinde Grünbach. "Hätte es dort nicht Hilde und Werner gegeben, die meiner Mutter in jeder Weise und aus ihrem Verständnis von christlicher Nächstenliebe heraus weitergeholfen haben, säße ich heute nicht hier", sagt Nuru. Sie schildert, wie ihre Mutter, die kein Wort Deutsch, geschweige denn Bayerisch sprach, zunächst um Akzeptanz rang, als Fremde, als Muslima, als alleinerziehende Mutter. Die Kaffeezeremonie aus ihrer Heimat, die bald auch die Grünbacher neugierig machte, habe bei dieser gelungenen Integration viel geholfen, schildert Nuru. So sehr, dass das Dorf schließlich Spenden gesammelt habe, um ihren Vater nachholen zu können. Doch weil in der Zwischenzeit die Mauer gefallen, und eine Flucht über die DDR damit unmöglich war, geriet der Weg von Saras Vater mehr als abenteuerlich.

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Hilde, Werner und deren beide Kinder waren es schließlich, die ihn in ihrem VW Bus, unter einem Tisch versteckt, aus Italien über die Grenze schmuggelten. Ein knappes Jahr danach wurde Tochter Sara geboren, auf die Welt geholt von Werner, der Arzt war am Erdinger Kreiskrankenhaus. Der Münchner Merkur titelte damals "Erstes schwarzes Baby in Erding geboren". "Meine Eltern haben den Artikel aufgehoben, der sie stolz mit mir auf dem Arm zeigte", sagt Nuru. Als diskriminierend hätten sie das damals nicht empfunden. Auch seien ihr in ihrer Kindheit nie Rassismus oder Anfeindungen widerfahren. "Ich wollte mich aber auch nie als Opfer verstehen", sagt sie, "auch wenn das vor allem die Presse später so gerne von mir gehört hätte, als das erste farbige, deutsche Topmodel. Die Geschichte schien ihnen einfach zu gut."

Es sei die zweite Reise in die Heimat ihrer Eltern gewesen, "in der ich verstanden habe, dass ich etwas verändern will, bei der ersten war ich noch ein Teenager und wie ein Strandurlauber unterwegs", sagt sie. 93 Frauen in Äthiopien konnten sie und ihre Schwester seit 2017 mit einem Kleinkredit versorgen. Zu sehen, was sie als Unternehmerinnen daraus machen, sei großartig, und dass Äthiopien nun einen Präsidenten habe, der den Friedensnobelpreis erhalten hat, eine wunderbare Hoffnung. Ach ja, und wie hoch so ein Mikrokredit ist? "250 Euro pro Frau", sagt Sara. Wirklich klein also, gemessen an dem, was manche New Yorker in Gold-Eisbecher investieren.

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