Unterwegs in Bad Tölz:Heiße Rhythmen, flirrende Isarluft

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Bad Tölz verwandelt sich in der "Nacht der blauen Wunder" in eine große Musikbox. 13 Bands in 13 Lokalen bieten Live-Unterhaltung für Jedermann und jede Menge Überraschungen

Von Arnold Zimprich, Bad Tölz

"Wie schaut's aus - ihr habt's sicher schon einige andere Bands g'sehn. Ist die Stimmung auch so gut wie hier?", fragt Singer-Songwriter Bonifaz Prexl das Publikum in der Bar N19 in der Tölzer Nockhergasse - und erntet breite Zustimmung. Es ist Mitternacht, der 36-jährige Erdinger hat gerade die letzten Takte von REMs "It's the End of the World" gespielt, das N19 ist zum Bersten voll. Die Bedienung schafft es gerade noch, sich durch die dicht an dicht stehenden Menschen einen Weg zu bahnen.

Bonifaz ist nur einer von 13 Musikerinnen und Musikern, die Bad Tölz in dieser angenehmen Oktobernacht in einen musikalischen Schmelztiegel verwandeln. Das Repertoire der Solo-Künstler und Bands reicht dabei von Folk über Reggae bis Rock, von Soul über Funk bis Rock'n Roll. Gespielt wird in 13 Lokalen auf der Ostseite der Isar - vom Kolberbräu über die Alte Madlschule bis zum "Kult" in der Wachterstraße, vom Gast- über das Kesselhaus bis zum Jailhouse im Moraltpark. Ob es wohl jemand schafft, alle 13 Lokale abzuklappern?

Die Band Orange G brachte das Publikum im Kult gegenüber der Mühlfeldkirche generationenübergreifend zum Schunkeln und Mitwippen. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Kult gegenüber der Mühlfeldkirche sind Orange G in ihrem Element. Bei "Lonely" von The Police wird wild getanzt, wenig später stimmt Sänger Muna Godfrey Bruno Mars' "Locked Out of Heaven" an - generationenübergreifendes Schunkeln ist das Ergebnis. Doch die Nacht ist noch jung, also heißt es nach drei Songs weiterziehen. Schnell wird der Plan gefasst, sich wenigstens die Hälfte der Bands anzusehen. Immerhin hat man so die Möglichkeit, sich die ein- oder andere Combo genauer anzuhören - so wie Uncle Beat aus Rosenheim, die im Kellergewölbe des Gasthauses Begeisterungsstürme auslösen. Das Sextett um Sängerin Marina Lampl und Sänger Florian Schilling nimmt das Publikum mit auf eine Reise von Paul Simon bis Tina Turner. Die ungebändigte Spielfreude der Rosenheimer ist fast schon mit den Händen greifbar, Lampl als Rock-Röhre zu bezeichnen, wird ihrem beeindruckenden Stimmvolumen nur bedingt gerecht - der Funke springt Song für Song auf das Publikum über, es wird gewippt, geschunkelt, genickt und getanzt. In den Gassen der Stadt sind derweil Menschengüppchen unterwegs, fachsimpelnd, sich über Bands austauschend, die ideale Route planend, um möglichst viele Bands zu sehen - selten dürfte in Tölz "auf d'Nacht" so viel los sein wie zu dieser Gelegenheit.

Wer derweil die Fishermen in der Alten Madlschule hören möchte, steht vor verschlossenen Türen - die überall sehr freundlich, aber bestimmt auftretende Security bittet, sich wegen Überfüllung doch in der Warteschlange einzureihen, was man angesichts der Fülle des musikalischen Angebots dann doch nicht tut und ins benachbarte "Click" ausweichen will, wo Black Jack ihren "unplugged Pop" unter die Leute bringen. Treppenstufe um Treppenstufe geht es hinab in das Kneipengewölbe, gefühlt nimmt die Temperatur Stufe für Stufe um mehrere Grad zu. Unten angekommen ist es so brechend voll und schwülheiß, dass sofort der Rückzug angetreten wird - hier kommen nur hart gesottene Kneipengäste auf ihre Kosten. Also schnell Luft geschnappt und über die Osterleite zum Kesselhaus gegangen - wo schon Irmgard Schröcke auf den Auftritt von Micart wartet, einer Rockband rund um Gitarrist Mick B. Hardt. Das Trio lässt es krachen und schraubt einige Bretter in die Tölzer Nacht, darunter ZZ Tops "La Grange", dessen "A haw, haw, haw, haw, a haw" Sänger Markus Gerold dem rund 100-köpfigen Publikum entgegenschmettert. Schröcke ist angetan - besonders aufgrund der Lautstärke. Die 50-jährige aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck ist eigens für die Nacht der blauen Wunder nach Tölz gekommen. "In Fürstenfeldbruck gibt's so was auch", sagt Schröcke, der Micart ein wenig zu laut war und der die gemäßigteren Töne des Berni Holzner Trios im Kolberbräu besonders gut gefallen haben - an diesem Abend ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Auch im Shelter Music Pub heizten Gruppen wie die Benny Okos Band dem tanzfreudigen Publikum kräftig ein. (Foto: Manfred Neubauer)

Nach dreieinhalb Stunden Musik stellt sich ein gewisses Sättigungsgefühl ein. Es ist ein bunter Blumenstrauß voller musikalischer Eindrücke, die die Nacht der blauen Wunder ihren Besuchern mit auf den Weg gegeben hat.

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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