Mitten in der S-Bahn:Befreit die Daten!

Die Angst vor Datenmissbrauch geht um. Aber nicht überall. Manch einer hantiert völlig sorglos mit Nummern und Buchstaben

Kolumne von Simon Groß

Wer einem heute noch weismachen will, persönliche Informationen wie Anschrift, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse seien im Netz sicher, der hat entweder kein Gedächtnis oder arbeitet in der PR-Abteilung eines jener großen Digital-Unternehmen, die sich trotz zahlreicher Skandale um Verkauf oder Verlust personenbezogener Angaben an Dritte keine Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Denn die Reaktion auf etwaige Enthüllungen ist entweder der Versuch der größtmöglichen Abschottung ( es kennt wohl jeder einen dieser Nokia-Rebellen, die noch hartnäckig SMS schreiben und im Internet eine Suchmaschine benutzen, die angeblich keine Suchprofile erstellt) - oder aber die Resignation vor der Allmacht der Datensammler. Letztere ist deutlich häufiger zu beobachten und kippt gelegentlich in eine bedenkliche Laissez-Faire-Haltung, was den Umgang mit den empfindlichen Informationen über die eigene Privatsphäre anbelangt.

Ein besonders schwerwiegender Fall dieser Mir-doch-egal-wer-meine-Email-Adresse-kennt-Einstellung trug sich zuletzt in der analogen Welt zu, genauer: in der S6 Richtung München. Ein Paar wollte die Fahrt dazu nutzen Urlaubsflüge zu buchen. Die Dominikanische Republik war das Ziel. Am 31. Oktober wollte man fliegen, über Madrid um ganz genau zu sein, Rückflug dann am 14. November. Während sich das Abteil immer weiter füllte, buchstabierte der Sitznachbar - in mehrfacher Wiederholung, die Verbindung war schlecht - Vor- und Nachnamen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern, Wohnadresse und schließlich noch die Kreditkartennummer ins Telefon. Einzig bei letzterer schaute sich der junge Mann kurz um, als ob er erkennen könnte, welcher der Smartphone betätigenden Passagiere gerade mitschrieb.

Man kann dies natürlich als gefährliche Form von Daten-Exhibitionismus deuten. Oder aber man begreift die Offenherzigkeit als Votum für eine transparente, demokratische Gesellschaft, in der nicht nur Silicon-Valley-Giganten, sondern auch der Sitznachbar in der Bahn alles wissen darf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: