Obama: Rede in Kairo:Obamas Kunst der perfekten Umarmung

US-Präsident Obama hat sich für einen Neuanfang zwischen der islamischen Welt und dem Westen ausgesprochen und Maßnahmen angekündigt: Einsatz für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt, den Abzug aus dem Irak bis 2012 - und ein Zugeständnis an Iran.

Gökalp Babayigit und Barbara Vorsamer

Von wegen Medienvielfalt: Um 12.10 mitteleuropäischer Zeit ist Barack Obama auf allen Kanälen. Beinahe jede Nachrichten-Website macht mit der Rede des Präsidenten auf. Die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Youtube begleiten den Auftritt. Und zusätzlich zu den Nachrichtenagenturen schickt auch das Außenministerium jeden neuen Satz Obamas an die Welt.

Obama, AP

US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede in der Kairo-Universität.

(Foto: Foto: AP)

Jeder, der diese Rede live mitverfolgen will, kann das tun. Auf Facebook tun das viele. Obama vermag es, die Internetgemeinschaft zu fesseln. So schreibt ein User kurz vor Beginn der Rede: "Es ist hier nun 4.10 Uhr und ich bin extra aufgestanden. Wehe, das war es nicht wert!"

Es war es wert. Der wichtigste Satz: US-Präsident Obama verspricht der islamischen Welt einen neuen Anfang in den Beziehungen zum Westen. "Der Kreislauf von Verdächtigungen und Zwietracht, den sich gewaltbereite Extremisten zunutze machten, müsse durchbrochen werden", forderte Obama in seiner Grundsatzrede an der Kairo-Universität. Die gemeinsamen Werte der islamischen Welt und des Westens seien stärker als die Unterschiede.

Er werde gegen negative Vorurteile gegenüber dem Islam kämpfen, wo immer er sie antreffe, versprach Obama. Das Gleiche müsse aber auch für die Beurteilung der USA in der muslimischen Welt gelten. Auffällig: Das Wort "Islamisten" nimmt der Präsident nicht in den Mund, sondern spricht strikt von Extremisten. Dadurch macht er deutlich, dass die, die an den Islam glauben, und die, die gewaltbereit sind, nicht dieselben sind.

Für die Extremisten hatte Obama auch eine Botschaft: Gewalt führe in eine Sackgasse - und sein Land werde sich stets unerbittlich gegen gewalttätige Extremisten stellen. "Meine erste Pflicht als Präsident ist, das amerikanischer Volk zu beschützen."

Den Iranern sprach Obama das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie zu, solange Teheran sich an den Atomwaffensperrvertrag halte. " Der gemeinsamen, turbulenten Vergangenheit der USA und Irans zum Trotz kündigte Obama an, weiter den Weg der Annäherung gehen zu wollen.

Auch der Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nahm einen prominenten Platz in der Grundsatzrede des Präsidenten ein - und Obama fand deutliche Worte. Die Bindung zwischen den USA und Israel sei zwar unzertrennlich, sagte Obama zunächst. "Aber ebenso ist nicht zu leugnen, dass die Palästinenser an den täglichen Demütigungen leiden, die sie durch die Besetzung erleben müssen."

Es sei einfach, mit dem Finger auf den anderen zu deuten. Aber beide Seiten müssten Verantwortung übernehmen und an einem friedlichen Zusammenleben arbeiten. Dem Siedlungsbau erteilte Obama eine Absage. Er unterstrich, was schon seit längerem seine Position ist: Unter seiner Führung werde sich Amerika für die Zwei-Staaten-Lösung einsetzen. "Das ist in Israels Interesse, das ist in Palästinas Interesse, das ist in Amerikas Interesse - und das ist im Interesse der ganzen Welt."

Die Lage in Afghanistan und die Ausbreitung der Extremistenorganisation al-Qaida in andere Regionen der Welt zeige, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen des Westens und der muslimischen Welt sei. "Wir wollen unsere Truppen nicht in Afghanistan behalten. Wir streben keine dauerhaften Militärstützpunkte dort an", sagte Obama.

Diese Betonung machte klar: Obama versuchte, die Sorge zu zerstreuen, die USA wollten aus geostrategischen Gründen auf Dauer einen Stützpunkt in der Region behalten. Afghanistan liegt zwischen Iran, der instabilen Atommacht Pakistan und den rohstoffreichen zentralasiatischen Staaten und Russland.

Auch der Krieg im Irak war Thema in Obamas Rede. Nach den Worten des Präsidenten demonstriere er die Versäumnisse der US-Politik der vergangenen Jahre.

Auch wenn er glaube, dass der Irak ohne Saddam Hussein besser dran sei, habe der Krieg auch gezeigt, dass es wichtig sei, Diplomatie und internationalen Konsens zur Lösung von Problemen zu nutzen, sagte Obama. Er betonte unter großem Beifall in der Universität, dass die USA ihren humanitären Prinzipien treublieben. Deswegen habe er Folter jeder Form verboten. Einen kompletten Abzug der amerikanischen Truppen stellte er für 2012 in Aussicht.

Das Thema Demokratie-Export, das unter dem Neokonservativen Bush mit seinem missionarischen Eifer groß wurde, schnitt Obama ebenfalls an - und rückte sein Land in eine demütigere Rolle. Amerika wisse nicht, was das beste für alle sei - und werde sich hüten, das zu behaupten. Ein Seitenhieb auf die Regierung Bush.

Geschliffene Rede, gekonnte Worte

Apropos Bush: Obama bewies in Kairo einmal mehr, was für ein brillanter Redner er ist - im Gegensatz zu seinem Vorgänger, bei dem man sich nur schwer vorstellen kann, Zwischenrufe wie "We love you" aus einem Kairoer Publikum zu hören, so wie es Obama erleben durfte. Der Präsident sprach frei und ohne Unterlagen. Falls er vom Teleprompter abgelesen hat, machte er es unauffällig. Und wenn er Textteile auswendig gelernt hat, dann sprach er trotzdem so, als käme jedes Wort von Herzen. Es ist eine Wohltat, ihm zuzuhören, noch mehr so, wenn man sich an das unbeholfene Gestotter seines Vorgängers erinnert.

Dieser ist oft sogar über englische Begriffe gestolpert - Obama blamierte sich auch bei fremdsprachigen Worten, Ortsnamen und Koranzitaten nicht. Der erste schwarze US-Präsident pries die jahrhundertealten Errungenschaften des Islam in den Wissenschaften und grüßte seine Zuhörer auf Arabisch mit den Worten "Assalamu alaikum", "Friede sei mit Euch". Lauten Applaus erntete er, als er mehrfach aus dem Koran zitierte.

"Amerika befindet sich nicht im Krieg gegen den Islam"

Zugleich räumte er ein, dass der Westen den Muslimen viel Unrecht getan habe. Im Kolonialismus seien Rechte verweigert worden. Später im Kalten Krieg seien die Muslime dann als Instrumente der Stellvertreterkriege zwischen den Weltmächten missbraucht worden.

"Amerika befindet sich nicht im Krieg gegen den Islam und wird dies auch niemals sein", betonte Obama. Der Westen und die muslimische Welt müssten vielmehr gemeinsam gegen gewaltbereite Extremisten vorgehen.

Gleichberechtigung der Frauen

Nach den Punkten Nahost, Irak, Afghanistan sprach Barack Obama die Rechte der Frauen an - bewusst als "Punkt Nummer sechs", eingehängt zwischen all die außenpolitischen Brennpunkte.

Damit gönnte der US-Präsident dem Kampf für weltweite Gleichberechtigung eine Bedeutung, die dieser nur selten bekommt. Das Publikum in der Universität belohnte ihn mit langem Applaus, auch als er betonte, nicht das Tragen von Kopftüchern sei das Problem, sondern der Zugang für Frauen zu Bildung, Ausbildung und Arbeitsplätzen. "Unsere Töchter können ebenso viel leisten wie unsere Söhne", sagte Obama.

Mit seiner Rede richtete sich Obama demonstrativ an die mehr als eine Milliarde Muslime auf der Welt. Indem er Kairo dafür wählte, unterstrich der Präsident zugleich die Bedeutung, die er dem Nahen Osten und seinen Problemen zumisst. Obama will ein Bündnis muslimischer Regierungen schmieden, um mit ihrer Hilfe dem Nahost-Friedensprozess einen neuen Anschub zu geben und Iran mit seinem Atomprogramm in Schach zu halten. Er selbst räumte allerdings vor seinem Auftritt in Kairo ein, dass es mehr als eine Rede brauchen werde, um die USA und die muslimische Welt auszusöhnen.

Das Verhältnis zu den islamischen Staaten hatte sich unter Obamas Vorgänger George W. Bush rapide verschlechtert. Bush ist vielen Muslimen verhasst wegen der Kriege im Irak und in Afghanistan, die er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 startete und in denen viele Muslime starben.

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