Online-Hetze:"Hass auf Frauen, die den Mund aufmachen"

Beate Walter-Rosenheimer, Die Grünen

Gegen den Hass: Die Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Beate Walter-Rosenheimer (beide Grüne) wehren sich gegen Beschimpfungen und Beleidigungen.

(Foto: Die Grünen)
  • Laut einer Umfrage des ARD-Politmagazins Report München sind fast 90 Prozent aller weiblichen Bundestagsabgeordneten mit sogenannter Hate Speech konfrontiert.
  • 38 Prozent der Befragten bringen inzwischen jede Hassnachricht zur Anzeige - doch jeder geht anders mit den Bedrohungen um.
  • Auch bayerische Politikerinnen sind mit dem Problem konfrontiert.

Von Jacqueline Lang

Katrin Staffler (CSU) und Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) wissen, wie es sich anfühlt, von anonymen Hetzern beschimpft zu werden. Zwar kommt es glücklicherweise selten vor, dass die beiden Bundestagsabgeordnetinnen des Wahlkreises Dachau/Fürstenfeldbruck Hass-Schreiben bekommen. Doch sowohl Katrin Staffler als auch Beate Walter-Rosenheimer haben jeweils schon eine konkrete Drohung erhalten - und mussten damit irgendwie umgehen.

Das ist leider die Regel. Laut einer Umfrage des ARD-Politmagazins Report München sind fast 90 Prozent aller weiblichen Bundestagsabgeordneten mit sogenannter Hate Speech konfrontiert. "Insgesamt haben 57 Prozent der Befragten mit sexistischen Beleidigungen und Bedrohungen zu kämpfen - quer durch alle Parteien", heißt es dazu in einer Pressemitteilung. Jede zehnte der befragten Parlamentarierinnen denke demnach sogar übers Aufhören nach.

Beate Walter-Rosenheimer überraschen diese Zahlen nicht: "Es gibt ganz offenbar besonders viel Hass auf Frauen, die den Mund aufmachen und sich nicht einschüchtern lassen und die Beleidigungen sind mehr als unterirdisch." Persönliche Beleidigungen, die unter die Gürtellinie gingen, kenne sie so zwar eigentlich kaum, aber sie vermutet, dass das vor allem daran liegt, "dass meine Themen Jugend- und Ausbildungspolitik nicht besonders polarisierend sind". Sobald sie sich aber beispielsweise zum Thema Rechtsextremismus äußere, würden die Anfeindungen sofort zunehmen.

Persönliche Drohungen habe sie noch nicht erhalten, allerdings empfinde sie es auch als bedrohend, wenn anonyme Briefe direkt in ihren Briefkasten geworfen würden, die ganz viel Hass auf Grüne enthielten wie: "Hängt die Grünen, bevor der letzte Baum gefällt ist." Sie verstehe das so, dass jemand ihr sagen wolle, dass er wisse, wo sie wohne. "Ich bin dafür, alles konsequent zur Anzeige zu bringen", sagt Walter-Rosenheimer. Sie hält es damit wie 38 Prozent der Befragten, die Hassnachrichten inzwischen anzeigen. Allerdings werden nach wie vor die meisten dieser Verfahren eingestellt. Als möglichen Grund hierfür sieht Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund, dass das Thema offenbar "nicht so richtig ernst genommen" werde in der Strafverfolgung, auch wenn es in einigen Fällen durchaus rechtliche Ansprüche gegen die Täter gebe.

Auch Katrin Staffler (CSU) kennt Kommentare und E-Mails mit "kruder Wortwahl", doch bislang habe sie nur einmal eine Drohung per Mail erhalten: "Seien sie froh, dass Sie mir gerade nicht gegenüber sitzen", habe darin gestanden. Zur Anzeige habe sie das damals allerdings nicht gebracht, sagt sie. Nach längerer Überlegung entschied sie, nur auf die sachliche Kritik zu antworten. Ihre Begründung: "Ich möchte mich nicht auf diese Ebene begeben." Diese Ebene, Menschen aufs Tiefste persönlich zu beleidigen, sei etwas, das in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe - nicht nur, aber vor allem in den sozialen Medien. "Im persönlichen Gespräch, also beispielsweise am Infostand, ist mir das so noch nie passiert", sagt Staffler. Fragt man sie nach der Richtung, aus der die Anfeindungen kommen, will sie sich nicht festlegen. "Man sollte nicht einem Lager allein die Schuld geben." Hasskommentare kämen, je nach Thema, sowohl aus dem linken als auch aus dem rechten Spektrum.

Ganz anders sieht das ihr Kollege von der SPD, Michael Schrodi. Auch er sitzt für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau im Bundestag und für ihn ist ganz klar, aus welcher Richtung der Hass kommt beziehungsweise von welcher Partei er geschürt wird: "Die Verschärfung des Tons ist ein Produkt der AfD." Gerade an aktuellen Beispielen wie Halle, aber auch die Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeige mehr als deutlich: "Aus Worten werden Taten." Er stimmt Staffler aber insofern zu, als dass "die Grenzen des Sagbaren" sich in den letzten Jahren verschoben haben. Die Hemmschwelle sei drastisch gesunken. Gerade in den sozialen Netzwerken gehe es nicht um einen Austausch, sondern lediglich um die Verbreitung von Hass.

Katrin Staffler

Auch die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler (CSU) hat mit Hass-Post bedrückende Erfahrungen gemacht.

(Foto: privat)

Ebenso wie Staffler hat Schrodi es noch nie erlebt, dass jemand im persönlichen Gespräch, etwa am Infostand oder in einem Bürgergespräch, ähnlich ausfällig geworden ist wie im Netz. Im Gespräch könne man Dinge klären und gehe meistens im Guten auseinander - trotz Meinungsverschiedenheiten, die es natürlich ohne Frage gebe, sagt Schrodi. Ihm ist es aber auch wichtig zu betonen, dass es aus seiner Sicht nach wie vor eine Minderheit ist, die einen Großteil der Kommentare schreibt. Wer glaubt, dass die Mehrheit so denkt, der habe ein "verzerrtes Bild" von der Realität.

Ob der Hass auf Politiker und vor allem Politikerinnen zunimmt, je höher ihr Amt steht, lässt sich für die drei Berliner Abgeordneten nur schwer beantworten. Fest steht für alle nur, dass Hass im Netz zugenommen hat. So stehen beispielsweise auch der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der Arbeitskreis Asyl Dachau, der Runde Tisch gegen Rassismus und der Freiraum nach wie vor auf der "Schwarzen Liste" der rechten Prangerplattform "Nürnberg 2.0 Deutschland". Obwohl Michael Schrodi ein Mann ist und bislang weder auf einer schwarzen Liste steht, noch mit sexistischen Beleidigungen konfrontiert wurde, sieht er die Justiz in der Pflicht. Sie müsse mit aller Härte gegen alle Formen der Hetze vorgehen. Gerade ein Urteil wie im Fall von Renate Künast, deren Gegner sie laut einem Urteil des Berliner Landgerichts von Mitte September weiter als "Stück Scheiße", "altes grünes Drecksschwein" und "Schlampe" beschimpfen dürfen, sei ein "fatales Signal". Das Internet und die sozialen Medien dürften nicht länger wie ein "rechtsfreier Raum" behandelt werden, fordert Schrodi.

Trotzdem würde er all seine Kollegen - vor allem aber die weiblichen - dazu ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen, dagegen zu halten. Auch Katrin Staffler hofft, dass gerade Frauen, von denen es sowieso schon zu wenige gebe in der Politik, sich davon nicht abschrecken lassen. "Wir müssen ein Klima schaffen, in dem insbesondere Frauen sich wohl fühlen", sagt sie. Für Walter-Rosenheimer steht zudem fest: "Das ist kein Frauenproblem." Ihre Meinung sei deshalb klar: Nicht die Politikerinnen sollten aufhören, sondern Hass und Hetze müsste gestoppt werden, die Zivilgesellschaft, Männer wie Frauen, zusammenstehen. Sie selbst werde sich in jedem Fall nicht abschrecken lassen und weiter "für unsere Demokratie, für Feminismus, Gleichstellung und Vielfalt eintreten".

Was aber tut man, wenn es mal wieder zu einem Shitstorm, einer Welle von Hass kommt? Michael Schrodi glaubt, dass es keinen Sinn hat, damit anzufangen, auf den sozialen Kanälen in eine Diskussion einzusteigen. "Da wird man nicht mehr fertig." Dennoch sei es wichtig, Farbe zu bekennen. Das wünscht sich auch Walter-Rosenheimer: "Es ist in meinen Augen besonders wichtig, dass Männer, von denen Hate Speech in der Regel ausgeht, sich klar davon distanzieren und deutlich machen: mit uns nicht."

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Deutschland, Berlin, Bundestag, Fraktion B90/Grüne, Renate Künast, 24.09.2019 *** Germany, Berlin, Bundestag, B90 Green

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