Transplantationen:Wiener Klinik reagiert auf Vorwürfe zu Organspenden

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  • Die Medizinische Universität Wien und das ihr zugehörige Allgemeine Krankenhaus Wien reagieren auf einen Bericht der SZ zu Auffälligkeiten bei Transplantationen.
  • Die Aktivitäten des Lungentransplantationsteams sollen einem umfassenden Audit unterzogen werden.
  • Die SZ hatte berichtet, dass am AKH über Jahre internationale Patienten in großer Zahl eine Spenderlunge erhielten und dies zu Lasten österreichischer (und auch deutscher) Kranker ging

Von Christina Berndt

Die Vergabe von Spenderlungen an internationale Patienten schlägt hohe Wellen in Österreich. Nachdem die SZ am Samstag über Auffälligkeiten bei Transplantationen am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) berichtet hatte, reagieren nun die Medizinische Universität Wien und das ihr zugehörige AKH: Sie gaben bekannt, dass "die Aktivitäten des Lungentransplantationsteams einem umfassenden Audit" unterzogen werden sollen. Eine bereits gegründete Kommission, die "ausschließlich aus internationalen, nicht österreichischen ExpertInnen" bestehe, werde so rasch wie möglich ihre Arbeit aufnehmen. Beide Institutionen stützen weiterhin den Verantwortlichen für die Wiener Lungentransplantationen, Walter Klepetko, betonen aber: "Die erhobenen Behauptungen werden äußerst ernst genommen."

Der Chirurg vermutet eine Intrige hinter den Enthüllungen, den "Ausdruck einer Neidgesellschaft"

Die SZ hatte berichtet, dass am AKH über Jahre internationale Patienten in großer Zahl eine Spenderlunge erhielten und dies zu Lasten österreichischer (und auch deutscher) Kranker ging. Außerdem erhielten die internationalen Patienten höhere Rechnungen als die österreichischen. Der Chirurg Klepetko wehrt sich gegen die Vorwürfe. Alle Patienten würden gleich behandelt, betont er, und die höheren Honorare seien legale "offizielle Verrechnungen". Zudem habe die Gemeinschaft der Eurotransplant-Länder, zu denen neben Deutschland und Österreich auch Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Ungarn, Slowenien und Kroatien gehören, von seiner Zusammenarbeit mit weiteren osteuropäischen Ländern profitiert.

Der 64-Jährige vermutet eine Intrige hinter den Enthüllungen, sie sei ein "Ausdruck einer Neidgesellschaft". Er zieht Zahlen aus Griechenland heran, um den Nutzen seiner Zusammenarbeit mit Osteuropa zu betonen. Tatsächlich ist die Bilanz im Falle von Griechenland in der Summe positiv für die Patienten in den zu Eurotransplant gehörenden Ländern: Eurotransplant hat zwischen 2009 und 2019 insgesamt 74 Spenderlungen aus Griechenland bekommen, aber nur 55 griechische Patienten mit Lungen versorgt; das macht ein Plus von 19 Organen. Allerdings kann dies nicht die insgesamt negative Bilanz aus Klepetkos übrigen Kooperationen mit Nicht-Eurotransplant-Ländern aufwiegen, aus den sogenannten "Twinnings".

So führte allein die Kooperation mit der Slowakei in diesem Zeitraum zu einem Minus von 26 Organen, die mit Serbien zu minus zehn und die mit Rumänien zu minus sieben, wie einer umfangreichen Analyse des Organverkehrs zwischen Wien und seinen osteuropäischen Partnern zu entnehmen ist, die der SZ vorliegt. Außerdem veränderte sich die Bilanz mit Griechenland erst 2016 zum Positiven - nachdem Eurotransplant Klepetko auf die ungünstigen Auswirkungen seiner Aktivitäten für die hiesigen Kranken hingewiesen hatte. Am Wiener AKH ist die Bilanz bis heute negativ: Nur 27 Lungen kamen seit 2009 aus Griechenland an das Haus, 53 griechische Patienten erhielten aber eine Lunge in Wien.

Dass Eurotransplant die Twinnings ab 2017 wegen der Organverluste vollständig unterband, ist für die österreichischen Patienten jedenfalls spürbar. Im Jahr 2018 gingen am AKH 81 Prozent der Spenderlungen an Österreicher, 2016 waren es - ähnlich wie in den Vorjahren - nur 52 Prozent. Dabei blieb die Zahl der Transplantationen mit rund 100 konstant. Heißt das, dass Österreicher zuvor geringere Chancen auf eine Transplantation hatten, weil die Plätze mit internationalen Patienten belegt waren? Klepetko verneint das auf Anfrage: Im Gegenteil, durch die Kooperationen hätten Patienten besonders zeitnah versorgt werden können, erklärt er, der Tod auf der Warteliste sei an seinem Zentrum selten. Der steigende Anteil von Österreichern unter den Lungentransplantierten am AKH sei "in erster Linie Ausdruck eines erhöhten Bedarfs aufgrund der guten Ergebnisse dieser Therapieform". Ein erhöhter Bedarf? Gibt es nicht schon seit Jahren zu wenige Spenderlungen? Seinen persönlichen, derzeit erhöhten Bedarf an findigen Erklärungen kann Klepetko jedenfalls erfüllen.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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