Digitalwährung Libra:Was habt ihr denn alle?

Facebook CEO Mark Zuckerberg Testifies Before The House Financial Services Committee

"Ich glaube, das wird Amerikas Führungsrolle in Finanzfragen stärken", sagt Mark Zuckerberg über seine Digitalwährung Libra.

(Foto: Chip Somodevilla/AFP)
  • Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat vor dem US-Kongress seine Digitalwährung Libra verteidigt.
  • Er stellt in Aussicht, diese könne die US-Vormachtstellung in Finanzfragen stärken - und mahnt zur Eile, da auch China in den Startlöchern stehe.
  • Zumindest US-Notenbankchef Jerome Powell und US-Finanzminister Steven Mnuchin, beide einst Libra-Skeptiker, sind plötzlich gar nicht mehr so abgeneigt.

Von Alan Cassidy, Washington, und Claus Hulverscheidt, New York

Es passiert nicht allzu häufig, dass Olaf Scholz für eine Rede gefeiert wird, entsprechend geschmeichelt fühlte sich der Bundesfinanzminister, als ihm im Sommer bei einem Treffen der führenden Wirtschaftsnationen genau das passierte. Der japanische Amtskollege Taro Aso sprach von einem grandiosen Vortrag, US-Notenbankchef Jerome Powell applaudierte gar auf offener Bühne. Jerome Powell! Scholz wähnte sich am Ziel: Der Plan des Facebook-Konzerns, ein globales digitales Zahlungsmittel mit Namen Libra zu schaffen, war tot, noch bevor die neue Währung das Licht der Welt erblickt hatte.

Vielleicht jedoch hat sich Scholz zu früh gefreut, denn die Frage, ob Powell und US-Finanzminister Steven Mnuchin wirklich an seiner Seite stehen oder am Ende nicht doch gemeinsame Sache mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg machen werden, ist seit der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am letzten Wochenende in Washington wieder offen. Urplötzlich nämlich klang die Ablehnung der Amerikaner sehr viel weniger entschlossen, ja, sie vereitelten sogar Scholz' Vorhaben, den Facebook-Plänen in einem Bericht der sieben führenden Industrieländer ein für allemal eine klare Absage zu erteilen. Stattdessen werden in der G-7-Erklärung lediglich viele Hürden genannt, die zur Libra-Realisierung übersprungen werden müssen.

Auch Zuckerberg selbst legte am Mittwoch nach: In einer Anhörung vor dem Finanzdienstleistungsausschuss des Repräsentantenhauses sagte er, Libra werde Millionen Menschen erstmals Zugang zu Geldüberweisungen verschaffen und zugleich die globale Vormachtstellung der USA im Finanzsektor festigen. Es sei aber Eile geboten, denn auch China stehe beim Thema Digitalwährung in den Startlöchern. "Während wir reden, wartet die Welt nicht", erklärte Zuckerberg vor den Abgeordneten.

Dass Facebook mit dem Plan einen wunden Punkt trifft, räumt sogar Libra-Kritiker Scholz ein. Nicht nur, dass 1,7 Milliarden Menschen weltweit kein Konto haben. Vielmehr ist es auch mit Bankverbindung schwierig, Geld rasch und günstig ins Ausland zu überweisen. Ein Transfer von einem deutschen auf ein US-Konto dauert mehrere Tage, zudem kassieren die Banken hohe Gebühren. "Die Zahlungen sind zu langsam und zu teuer", sagte Scholz beim IWF-Treffen. Libra dagegen soll es ermöglichen, per Smartphone und in Echtzeit Geld in alle Welt zu senden, gleichsam so, wie man heute eine SMS verschickt.

Hinter dem neuen Zahlungsmittel steht ein von Facebook geführtes Firmenkonsortium. Libra soll an einen Korb unter anderem aus Dollar, Euro und Yen gebunden und so vor großen Kursschwankungen geschützt werden. Mit dem herkömmlichen Geld, das Nutzer für den Libra-Kauf ausgeben, will das Konsortium Staatsanleihen und andere sichere Anlagen erwerben, um den Wert des Zahlungsmittels zu sichern.

Aus Sicht von Kritikern jedoch lädt eine privat organisierte, anonyme Digitalwährung Kriminelle und Terroristen zu Geldwäsche und anderen illegalen Machenschaften geradezu ein. Zudem bestünden große Datenschutzrisiken und die Gefahr, dass die Notenbanken in ihrer zentralen Aufgabe, der Steuerung des Geldangebots, behindert würden. Entscheidend ist für Scholz aber noch etwas anderes: Die Bereitstellung einer Währung, so der Minister, sei nicht der Job privater Firmen, sondern "allein die Aufgabe souveräner Staaten".

Das Ansehen Facebooks im US-Kongress ist miserabel

Bisher dachte Scholz, dass Mnuchin das genauso sieht. Zuckerberg hat jedoch seine Strategie zuletzt angepasst und betont, Libra könne statt an einen Währungskorb auch mehr oder weniger allein an den Dollar gekoppelt werden. "Ich glaube, das wird Amerikas Führungsrolle in Finanzfragen stärken", sagte er am Mittwoch. Diese Perspektive gefällt offenbar auch Mnuchin und Powell, wie aus G-7-Kreisen verlautete. Tatsächlich nämlich würde die führende Rolle des Dollars im Weltwirtschaftssystem mit all ihren Vorteilen für den Staat wie für US-Unternehmen auf die digitale Welt ausgeweitet und weiter gestärkt. Am Ende bekäme die US-Regierung womöglich gar ein neues politisches Druckmittel in die Hand: So könnte sie Personen oder gar Staaten, die ihre Wünsche nicht erfüllen, den Rückumtausch von Libra in Dollar verweigern - eine verlockende Aussicht.

Allerdings müssen Zuckerberg und Mnuchin nicht nur die Welt für Libra gewinnen, sondern erst einmal den US-Kongress, wo das Ansehen Facebooks aus vielerlei Gründen miserabel ist. So klagen etwa rechte Politiker, Organisationen und Medien schon lange, dass Facebook auf seinen Plattformen konservative Meinungen unterdrücke. Um die Kritiker zu besänftigen, lud Zuckerberg führende Rechts- und Mitte-Rechts-Repräsentanten nach einem Bericht des Onlinemagazins Politico auf sein Anwesen in Kalifornien ein, darunter den Fox-News-Moderator Tucker Carlson und Senator Lindsey Graham. Beide stehen Präsident Donald Trump nahe, der Facebook gerne strenger reguliert sähe.

Dagegen kritisieren die Demokraten, Zuckerberg tue immer noch zu wenig dafür, Politik-Falschmeldungen von seinen Plattformen zu löschen. Kürzlich tauchte bei Facebook eine Anzeige auf, in der es hieß: "Breaking News: Zuckerberg und Facebook rufen zu Trumps Wiederwahl auf". Das war natürlich falsch. Geschaltet hatte die Anzeige die demokratische Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren, um darauf hinzuweisen, dass Facebook Politiker-Lügen verbreitet und damit auch noch Geld verdient. Warren fordert seit Längerem die Zerschlagung des Konzerns.

Zuckerberg räumte vor dem Kongressausschuss ein, dass das Image seines Konzerns nicht das beste sei - auch nach den zahlreichen Datenschutzskandalen der vergangenen Jahre. Er sei fest davon überzeugt, dass es notwendig sei, umgehend mit dem Aufbau einer Digitalwährung wie Libra zu beginnen, sagte der Firmenchef. Er wisse aber auch, dass viele Bürger seinem Konzern nicht trauten und dächten: "Es hätte jeder andere sein dürfen, der diese Idee vorantreibt - nur nicht Facebook."

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