Tod von Benno Ohnesorg:"Die Falsche am falschen Ort"

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Friederike Hausmann am 2. Juni 1967 mit dem sterbenden Studenten Benno Ohnesorg. (Foto: dpa)

Gebeugt über Benno Ohnesorg: Friederike Hausmann über das berühmte Bild, das sie mit dem Sterbenden zeigt, und die Stasi-Verbindung des Todesschützen Kurras.

Evelyn Roll

Auf dem Foto vom 2. Juni 1967 hält Friederike Hausmann den Kopf des schwerverletzten Benno Ohnesorg. Im damaligen Prozess gegen den Todesschützen sagte sie als Zeugin aus. Die Autorin und Übersetzerin lebt heute in München.

SZ: Frau Hausmann, was haben Sie gedacht, als Sie erfuhren, dass der Polizist, der Ohnesorg erschoss, für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet hat?

Hausmann: Was ich gedacht habe? Ich habe gedacht: Nicht schon wieder!

SZ: Nicht schon wieder, was heißt das?

Hausmann: Mir war klar, dass jetzt wieder überall dieses Foto gedruckt wird und ich noch einmal die Zeitzeugin geben soll. Das geht mir auf die Nerven.

SZ: Aber warum?

Hausmann: Ich war damals auf dieser Demonstration in Berlin. Gut. Alles andere aber war Zufall, ich war nur die Richtige am richtigen Ort, vielleicht war ich auch die Falsche am falschen Ort. Aber, mein Gott, das ist jetzt vierzig Jahre her, und ich werde immer noch und immer nur mit diesem einen Moment identifiziert. Dabei engen sich meine Erinnerungen an jenen Tag immer mehr ein, sie erstarren wie eine alte Familienlegende.

SZ: Aber jetzt ist etwas Neues herausgekommen. Vielleicht können Sie sich noch einmal in die junge Frau hineindenken, die Sie damals waren. Was hätte die junge Frau gedacht, die Benno Ohnsorg schwerverletzt findet, seinen Kopf hält und um Hilfe ruft, wenn ihr in diesem dramatischen Moment jemand gesagt hätte: Ein Stasispitzel hat geschossen.

Hausmann: Damals hätte ich das als eine Lüge der West-Berliner Behörden und der Bild-Zeitung interpretiert.

SZ: Und jetzt, wo es keine Lüge ist?

Hausmann: Ich weiß es nicht. Das bestätigt nur noch einmal mehr den schlechten Charakter dieses Karl-Heinz Kurras. Man weiß ja schon seit vierzig Jahren, dass das nicht einfach ein normaler Polizist gewesen ist, sondern ein Mensch mit dunklen Seiten, ein Mensch mit einer Neigung zu Waffen. Jetzt ist eben noch eine weitere dunkle Seite herausgekommen. Er hat für die Stasi gearbeitet. Mehr weiß man bis jetzt ja nicht.

Und auch über die DDR sagt diese Enthüllung nichts Neues. Die DDR, da hat unsere Kanzlerin nun einmal recht, war ein Unrechtsstaat, das ist jetzt noch einmal bewiesen worden. Viel interessanter finde ich ohnehin, was der Autor Uwe Soukup in seinem Buch "Wie starb Benno Ohnesorg" schon 2007 nachgeweisen hat und was erstaunlicherweise nicht so eine Aufregung provoziert hat.

SZ: Was genau meinen Sie?

Hausmann: Soukup hat nachgewiesen, wie die Eskalation vor der Deutschen Oper in Berlin ganz gezielt von den Behörden und der Polizei provoziert worden ist. Es gab die Verabredung, ganz hart und provozierend einzugreifen. Es wurden ja nicht Polizisten von Demonstranten angegriffen, sondern Demonstranten wurden von Polizisten mit Gummiknüppeln zusammengeprügelt.

SZ: Hat sich Ihre Haltung gegenüber der Bundesrepublik nach diesem Schuss eigentlich verändert?

Hausmann: Das Entscheidende war dabei gar nicht der Schuss. Entscheidend war der Freispruch für Kurras. Das hat meine Distanz und Skepsis gegenüber der Bundesrepublik seinerzeit vergrößert: dieser gewundene Begriff der putativen Notwehr, der allem widersprach, was ich an jenem Abend erlebt habe.

SZ: Und jetzt ist es also ein Stasi-IM gewesen, der in putativer Notwehr gehandelt hat...

Hausmann: ... was den Freispruch nur noch schlimmer macht.

SZ: Sie haben damals bei der Verhandlung als Zeugin ausgesagt.

Hausmann: Ich war als Zeugin da, aber später noch als Zuschauerin, weil es mich interessierte.

SZ: Und das Foto? Haben Sie es zuhause gerahmt an der Wand hängen?

Hausmann: Nein.

SZ: Im Fotoalbum? Im Tagebuch?

Hausmann: Um Gotteswillen, nein.

SZ: Sie mögen dieses Foto nicht?

Hausmann: Nein, ich mag dieses Foto nicht.

© SZ vom 23.05.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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