Kolumne: Augsteins Welt:Investieren!

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An dieser Stelle schreiben WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger, Franziska Augstein und Nikolaus Piper jeden Freitag im Wechsel. (Foto: N/A)

Deutschland hat einen hohen Außenhandelsüberschuss. Das geht auf Kosten der EU-Nachbarn. Mittlerweile ist das auch bei deutschen Politikern angekommen: So geht es nicht weiter. Was tun? Die Bundesrepublik muss Geld ausgeben.

Von Franziska Augstein

Einmal hat der englische Sozialphilosoph Herbert Spencer in seinen "Prinzipien der Ethik" von 1879 heftig geklagt: Wie oft sei es nicht schon vorgekommen, dass "falsch gebrauchte Wörter zu falschen Gedanken führen"! Auf diesem Irrweg ist Spencer freilich selbst gewandelt: Charles Darwins rein biologisch gemeinten Begriff von der "natürlichen Selektion" transponierte er in das Denken der Soziologie, was ihm die Formulierung vom "survival of the fittest" eingab, dem Überleben der am besten angepassten Individuen, die später Faschisten nützlich sein sollte, die vom "Kampf ums Dasein" schwadronierten.

Dessen ungeachtet: Spencers Satz ist richtig. Die meisten Leute denken, was das Vokabular ihnen suggeriert. Im Hinblick auf das Feld der Außenhandelsbilanzen ist das in Deutschland eklatant. Die Bundesrepublik ist auch 2018 "Exportweltmeister" gewesen, das kommt fast so gut an, wie wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft einmal wieder den Weltmeistertitel gewonnen hat. Ebenso gut funktioniert das Wort "Außenhandelsüberschuss". Da freuen sich alle: Wir haben einen Überschuss, wir haben gewonnen.

Alle freuen sich? Nicht ganz. Kritik daran kam bezeichnenderweise nicht im Inland auf. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), auswärtige Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftszeitungen rufen schon seit vielen Jahren die Bundesrepublik dazu auf, ihre Handelsüberschüsse wenigstens zum Teil abzubauen. Das haben viele falsch verstanden, weil sie Exporte mit Exportüberschüssen verwechseln. Die genauere Empfehlung lautet: Die Bundesregierung solle im Inland mehr investieren.

Mittlerweile und endlich sind hochrangige deutsche Wirtschaftsexperten auch dafür. Das würde einhergehen mit Importen, die bei großen Investitionen nötig sind, und so werde das Gleichgewicht der Außenhandelsbilanzen innerhalb der EU allmählich halbwegs ins Lot kommen. Das hat allerdings auch nicht alle überzeugt. Sie kontern: Das Geld, gut eingesetzt, würde die Wirtschaftskraft erhöhen und damit auch die deutschen Exporte.

Die gute deutsche Bilanz im Außenhandel ist schön. Doch sofern die Bundesrepublik Teil der EU und der Eurozone sein will, bringt es ihr gar nichts, wenn sie sich exponiert, als ob sie allein auf den Weltmärkten bestehen könne. Nur die EU und die Eurozone werden bestehen, dafür braucht es - das Wort ist heutzutage verpönt - so etwas wie Solidarität. Die Deutschen mögen sich an der weltweiten Nachfrage nach ihren Gütern trunken berauschen, auf die Dauer aber werden sie die europäischen Nachbarn mit ihren Exporten - rein bildlich gesprochen - nicht unter den Tisch verkaufen können.

Deutsche Unternehmen bunkern ihre Profite in ausländischen Aktien

In Deutschland ist man gegen eine Transferunion und hält nichts davon, die Idee des innerdeutschen Lastenausgleichs auf europäische Länder zu übertragen. Denn einige Länder - die Pappenheimer sind bekannt für ihr sonniges Klima - würden das ja bloß als Einladung zur Verschwendung ansehen. Dieses pauschale Urteilen hat Deutschland den Ruf als "Schulmeister" eingetragen.

Der französische Baron de Montesquieu wurde berühmt, weil er Mitte des 18. Jahrhunderts als erster die Gewaltenteilung vorschlug: Exekutive (die Regierung), Legislative (das Parlament) und Jurisdiktion (in Deutschland das Bundesverfassungsgericht) müssten unabhängig voneinander arbeiten. Darüber hinaus hat er die Völker der Welt nach ihren Eigenarten einsortiert. Klar war für ihn, grob referiert: Im Süden gehe alles schnell. Die Mädchen reiften schnell und würden schnell alt; im Süden gebe es keinen Sinn für ordentliche, zeitraubende Prozeduren; Absprache funktioniere besser in klimatisch gemäßigten Gefilden. Dort sei man, so meinte er, rationaler Planung eher zugeneigt. Die deutschen Exportfreunde denken kaum anders als Montesquieu. Das macht ihr Votum aber nicht besser.

Deutsche Unternehmen erzielen gute Profite. Die haben viele nicht in ihre Unternehmen reinvestiert, sondern auf den Aktien- und Finanzmärkten (dies bevorzugt im Ausland, obgleich sie mit deutschen Aktien besser gefahren wären, aber das ist ein anderes Thema). Deutschland muss mehr investieren. Und weil die Unternehmen das nicht tun, muss der Staat es machen. Es ist himmelschreiend nötig, dass die Deutsche Bahn wieder so gut wird, wie sie vor Jahrzehnten war. Und wer da denkt, die Privatisierung der Bahn sei das Gebot der Stunde, möge einen Blick auf Großbritannien werfen, wo genau das in die Hose ging. Die Firma Bosch ist aus der Entwicklung von weniger umweltschädlichen Auto-Batterien ausgestiegen. Gut war es, dass der Wirtschaftsminister Peter Altmaier daraufhin mit französischen Kollegen vereinbart hat, die diesbezügliche Forschung staatlich zu subventionieren.

Im August wurde Peter Altmaier vom Magazin Spiegel gefragt, warum die Bundesregierung nicht mehr investiere. Er antwortete, das habe man doch gemacht: "Das Geld fließt aber nur zögerlich ab, weil die Planungsbehörden unterbesetzt und die Unternehmen mit bürokratischen Regeln überlastet sind." Das ist sehr komisch: Die Planungsbehörden sind unterbesetzt, weil der Staat an allem gespart hat. Und nun kann die Bundesrepublik - leider, leider - nicht mehr Geld für die Infrastruktur aufwenden?

Hier ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Bundesregierung die Planungsbehörden soweit wieder aufforsten würde, dass da Leute sitzen, die sich auskennen und das vorhandene Geld abrufen können? Wenn die Unternehmen es schon nicht machen: Der Staat muss in der Bundesrepublik investieren!

© SZ vom 25.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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