Termiten II:"Man nimmt, was vom Klima kommt"

Architektur von Mick Pearce

Die Klimaanlage im Eastgate Centre in Simbabwes Hauptstadt Harare, entworfen von Mick Pearce, gleicht der eines Termitenbaus.

(Foto: David Brazier)

Der Architekt Mick Pearce zeigt, was Menschen von der Ingenieurskunst der Termiten lernen können.

Von Jan Schwenkenbecher

SZ: Herr Pearce, Sie haben 1992 in Harare das Eastgate-Gebäude gebaut, das atmet wie ein Termitenbau. Warum haben Sie es so konstruiert?

Mick Pearce: Zu dieser Zeit war Klimatechnik hier in Simbabwe teuer. Sowohl die entsprechenden Materialien als auch die Energie kosteten viel Geld. Es gab also genügend Anreize, den Klienten davon zu überzeugen, auf eine Klimaanlage im Gebäude zu verzichten.

Ist in Harare eine Klimaanlage denn unbedingt nötig?

Glücklicherweise haben wir ein freundliches Klima. Harare liegt auf 1500 Metern. Es liegt zwar in einer tropischen Region, aber wegen der Höhe sind die Temperaturen fast perfekt für Menschen. Gewisse Schwankungen gibt es aber und so sind die Nächte etwas zu kalt und am Tag wird es etwas zu warm. In der wärmsten Zeit des Jahres, von September bis November, wird es recht unangenehm. Da braucht man schon irgendeine Form von Klimatisierung.

Und wieso dachten Sie da nicht an moderne Technik, sondern an Termiten?

Als das Projekt gerade anlief, schickte mir meine Tochter ein Video, eine Tier-Dokumentation der BBC. An einer Stelle ging es um Termitenhügel im Norden Nigerias, und David Attenborough, der für die Doku in einen Termitenhügel gekrabbelt war, erzählte davon, wie in den Hügeln eine merkwürdige Form der Klimatisierung ablaufe. Das hat mich wahnsinnig interessiert und ich habe mich dann weiter informiert. Hier in Harare gibt es einen Golfplatz, an dem ich beim Spazierengehen oft vorbeikomme, und dort leben auch Termiten. Mitten auf dem Golfplatz bauen sie ihre Türme. Am Anfang wusste ich das noch nicht, aber diese Türme sind Atem-Türme, oben offen wie Schornsteine. Mit diesen Türmen bekommen sie frische Luft in ihren Bau unter der Erde. Die brauchen sie zum atmen, aber auch um ihren Hügel zu kühlen. Dieses System schien uns für das Eastgate-Gebäude sehr interessant zu sein.

Das haben Sie dann nachgebaut?

Ja, im Prinzip schon. Die ganze Idee ist im Grunde, die kalte Nachtluft zu nutzen, um das Gebäude zu kühlen. Wir haben Ventilatoren installiert, die Luft durch das Gebäude blasen. Die Luft fließt dabei durch bestimmte Kanäle, die in die Gebäudestruktur eingeplant sind. Es gibt keine separaten Luftschächte, etwa aus Metall. Die Luft fließt also direkt am Beton entlang und der speichert die Kälte. Am Tag, wenn die Luft wärmer wird, die durch das Gebäude fließt, kühlt das Material sie ab, indem es die Hitze aufnimmt. Die Kapazität genügt dabei bis zum Abend, wenn die Luft von draußen wieder kälter wird. In den Büros funktioniert das genauso, weil auch dort Beton liegt, der die Wärme der Menschen und Maschinen aufnimmt. Und was man nicht sieht: Die Betonplatten haben an der Unterseite ganz viele Zähne. Das vergrößert ihre Oberfläche und wenn kalte Luft vorbeifließt, können sie noch schneller abkühlen.

Also nachts kühlt die Luft das Gebäude, am Tag kühlt das Gebäude die Luft.

Genau.

Sie haben aber beim Design auch besonders darauf geachtet, dass sich das Gebäude nicht so schnell aufheizt.

Das ist richtig. In diesen Zeiten hatten wir große Angst vor der Wärme. Wir hatten uns die Regel auferlegt, dass nur 25 Prozent der Außenfläche Fenster sein dürfen. Heute würde ich den Anteil erhöhen. Zum einen, weil wir wissen, wie wichtig Tageslicht ist. Zum anderen hat die Glasindustrie enorme Fortschritte gemacht, und die Isolierungen sind viel besser geworden. In den Räumen haben wir die Lichter außerdem so gedreht, dass sie die Decke und nicht den Raum anstrahlen. Damals hatten wir sehr ineffiziente Leuchtstofflampen und so gelangte ihre Hitze nicht in den Raum, sondern in die Wand.

Hat das alles denn funktioniert?

Eine sehr gute Gruppe von Physikern aus London hat das alles ausgerechnet. Es gab damals ja keine Software, mit der wir das hätten simulieren können. Aber die haben es geschafft, das alles zusammenzufügen. Und ja, mit diesem sehr simplen Beton-Hitzeaustausch sparen wir eine Menge Energie.

Wie viel denn?

Die Ingenieure haben das mal mit sechs ähnlichen Gebäuden aus der Umgebung verglichen und da hat Eastgate am wenigsten Stromkosten je Quadratmeter von allen gehabt. Teilweise sogar mehr als die Hälfte weniger. Aber man muss dazu sagen: Das System, so wie wir es gebaut haben, funktioniert auch nur hier in diesem freundlichen Klima so gut.

Man könnte Eastgate also nicht irgendwo anders nachbauen?

Ich habe später ein Gebäude in Melbourne in Australien entworfen. Das Klima dort ist total verschieden von dem in Harare. Manchmal ist es sehr heiß, weil der Wind aus dem Landesinneren über die Wüste kommt. Dann aber wird es binnen weniger Tage über 20 Grad kälter, wenn der Wind dreht und vom südlichen Ozean her bläst. Das Gebäude wird schon auch vom Wind gekühlt, aber wir haben zusätzlich andere Techniken eingesetzt. Zum Beispiel haben wir mit der Verdunstung von Wasser gearbeitet. Außerdem besteht die Front des Gebäudes aus vielen vertikalen Latten, die ihre Position anhand der Sonne ausrichten. Der Zyklus zieht sich auch nicht wie beim Eastgate-Gebäude über einen Tag, sondern über drei.

Klingt tatsächlich sehr verschieden.

Aber der Ansatz ist der Gleiche: Man nimmt, was man vom Klima bekommt, und orientiert sich daran bei seinem Entwurf. Das ist genau das, was die Termiten optimiert haben. Bei ihren Hügeln könnte man deswegen auch sagen, dass nicht sie die Architekten sind, sondern die Sonne und der Wind. Wenn wir diese Form des Denkens in unsere Arbeit integrieren, können wir die Umgebung nutzen, um passiv zu kühlen oder zu wärmen. Da könnten wir viel cleverer arbeiten, als wir es in der Vergangenheit getan haben.

Machen das moderne Architekten?

Ja, ich glaube so langsam tun sie das. Wenn man nach New York schaut, fragt man sich schon, warum zur Hölle die Häuser so viel Glas ohne Sonnenblenden haben. Ganz viel Architektur ist zwar schön. Sie basiert aber auf der Annahme, dass es keine Natur gibt und dass die Technologie das schon ausgleicht. Hier tut sich schon etwas, das Interesse an Biomimikry steigt stark, und immer mehr Architekten versuchen, die Prozesse und nicht die Form aus der Natur zu kopieren. Es ist nicht immer einfach, diese Prozesse überhaupt zu verstehen, aber es geht. Ich mache das ja auch die ganze Zeit - das ist, wie ich arbeite.

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