Bundesliga:Illusion eines Schlagabtauschs

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Gladiatorenmoment in einem wilden Kampfspiel: Wolfsburg Marcel Tisserand (in Grün), umstellt von einem Augsburger Trio. (Foto: Cathrin Mueller/Getty Images)
  • Wolfsburg und Augsburg liefern sich ein Duell ohne Abenteuerlust und spielen 0:0.
  • Für den größten Aufreger sorgt Schiedsrichter Tobias Stieler, der ein Tor der Wolfsburger nicht anerkennt.
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Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Der FC Augsburg hat den möglichen Sprung des VfL Wolfsburg an die Spitze der Bundesliga verhindert. In einer mit maximalem bürokratischen Ernst, aber ohne individuelle Abenteuerlust geführten Partie kamen die Wolfsburger gegen den Liga-Vorletzten nicht über ein 0:0 hinaus. Aufreger des Spiels war kurz vor Schluss ein nicht gegebenes Tor von VfL-Stürmer João Víctor (85.), das juristische Proseminare beschäftigen könnte.

Der Brasilianer stand zunächst im Abseits, kam aber erst an den Ball, nachdem er wieder in eine legale Position gelaufen war - und ein Augsburger den Ball mit der Hand berührt hatte. Abseits? Oder gar Handelfmeter? Kein Tor jedenfalls - und auch kein Strafstoß! "Bitter", sagte der Brasilianer. Die Wolfsburger können nach dem 0:0 zwar weiter von sich behaupten, als einzige Mannschaft der Bundesliga in dieser Saison wettbewerbsübergreifend unbesiegt zu sein. Allerdings haben sie nun in der Liga schon fünfmal unentschieden gespielt. Und gegen die Augsburger, die nach dem 2:2 gegen den FC Bayern ihren zweiten Achtungserfolg erzielten, schossen sie erstmals kein Tor.

Umgekehrt blieben die Schwaben erstmals in dieser Saison ohne Gegentreffer - ausgerechnet an der Stätte, an der sie im Mai ein peinliches 1:8 kassiert hatten. Bei Augsburg waren am Sonntag aber nur noch Spurenelemente der damaligen Elf zu finden; nur Marco Richter und Daniel Baier waren aus der Startformation vom 1:8 noch dabei. Bei den Wolfsburgern wirkt durch den neuen Trainer Oliver Glasner ohnehin alles weitgehend neu.

Der Österreicher hatte mit Blick auf das Pokalspiel am Mittwoch gegen Leipzig, die am Samstag folgende Partie in Dortmund und auch eingedenk des Europa-League-Ausflugs vom Donnerstag nach Gent/Belgien vier Wechsel vorgenommen. Zu den Spielern, die eine Chance zur Bewährung erhielten, zählte Felix Klaus. Der VfL-Stürmer hatte gleich zwei verheißungsvolle Szenen. Erst lief er allein auf das von Tomas Koubek gehütete FCA-Tor zu. Aber statt quer auf den frei stehenden Spezialisten Wout Weghorst abzulegen, der in dieser Saison schon fünfmal getroffen hat, schob er Koubek den Ball in die Beine (8.). Kurz danach war Klaus wieder allein unterwegs, diesmal setzte er den Ball neben das Tor. Zwischendurch scheiterte Augsburgs Stürmer Ruben Vargas an Wolfsburgs Torwart Pavao Pervan.

Augsburg wirkt selbstzufrieden, Wolfsburg überspielt

Diese Torchance der Augsburger schuf aber eine Illusion. Sie bestand darin, dass die Szene einer enttäuschenden Kulisse suggerierte, es könnte sich nun ein spannender Schlagabtausch entwickeln. Doch nichts von dem, was sich danach abspielte, folgte diesem Versprechen. Augsburg wirkte selbstzufrieden aus Gründen, die wohl in der Tabellensituation zu suchen waren. Der VfL wiederum wirkte überspielt und ideenlos. "Unsere Leistung war nicht so, dass ein Sieg rausspringen musste", gab Trainer Glasner zu, "uns hat geistige Frische gefehlt. Das 0:0 geht in Ordnung, wir müssen mit dem Punkt leben." Im VfL-Mittelfeld wurde der hinausrotierte Maxi Arnold bitter vermisst. Josip Brekalo, der vielleicht fantasievollste Akteur auf dem Platz, setzte keinen kreativen Impuls. Zu den emotionalsten Einlagen zählte die Aufopferung des VfL-Stürmers Weghorst, der einen Pawlowschen Reflex verspürt, wann immer der gegnerische Torwart den Ball am Fuß hat - und diesen dann "anrennt". Eine Vorlage, durch die er seinen Torinstinkt ausleben konnte, erhielt der Niederländer aber nicht.

Nach der Pause änderte sich an der Gemengelage wenig. Die Augsburger vermieden es selbst dann, Gefahr auszustrahlen, wenn sie versehentlich im gegnerischen Strafraum auftauchten, sei es bei einem Abschluss von Florian Niederlechner, den man besser in Gänsefüßchen setzen sollte, oder bei einem Zweikampf zwischen Stürmer Alfred Finnbogason und VfL-Verteidiger Jérome Rousillon.

Glasner reagierte, er brachte den Brasilianer João Víctor für den rundum glücklosen Klaus. Etwas später kam noch der Nachwuchsnationalspieler Lukas Nmecha, 20, für Brekalo - und er versprühte immerhin ein paar Funken, die angetan waren, das Spiel noch zu zünden. Doch auch das blieb ein Trugschluss. Die aufregendste Szene war das annullierte Tor von João Víctor. Ob es die richtige Entscheidung war? So oder so war es ein Akt höherer Gerechtigkeit. Denn einen Sieger hatte die Partie nicht verdient.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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