Erneuerbare Energie:Autark auf der Klimaschutz-Insel

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Umwelt- und klimafreundlich: die Geothermieanlage in Kirchstockach bei Brunnthal. (Foto: Claus Schunk)

Brunnthal will die erste Gemeinde werden, die ihre Energie ausschließlich selbst und CO₂-neutral produziert.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Das Ziel ist ambitioniert und mag überraschen: Das 5500 Einwohner zählende Brunnthal soll zur ersten CO₂-freien Kommune im Landkreis werden und sogar zum deutschland- und europaweiten Modell für das Gelingen der Energiewende. Hinter dem Plan, der jetzt dem Gemeinderat vorgestellt wurde, steckt das Unternehmen Greencom Networks, das am Beispiel Brunnthals zeigen will, wie eine Energie-Gemeinschaft aufgebaut werden kann, von der alle, die am Ort Energie produzieren und verbrauchen, gleichermaßen profitieren. Nicht zuletzt die Umwelt.

Dass sich Brunnthal in einer Vorreiterrolle wiederfindet, liegt daran, dass Christian Feißt, der Vorstandschef von Greencom Networks, in der Gudrunsiedlung wohnt. Seine Firma, die sich als junges, international aufgestelltes Unternehmen im Bereich "Internet der Dinge" präsentiert, hat ihren Sitz in München und schreibt sich auf die Fahnen, unter der Marke "Shine" die Branche in Richtung digitale Zukunft zu führen - mit erneuerbarer Energie, die Menschen am Ort produzieren und untereinander teilen. Die "Community", wie es heißt, wird gerade aufgebaut, Kunden werden akquiriert. Im November sollen die Verträge geschlossen werden, sagt Greencom-Sprecher Klaus Müller.

Per App hat jeder Teilnehmer das Netzwerk im Blick

Die Idee dahinter ist im Grunde einfach: Angenommen Herr Mayer produziert mit seiner Fotovoltaikanlage mittags einen Überschuss, dann soll er diesen Strom mit Herrn Müller teilen. Und wenn abends das Blockheizkraftwerk von Herrn Müller läuft, gibt dieser Strom an Herrn Mayer und dessen Mieter ab. So beschreibt Greencom Networks das Prinzip. Eingebunden in das Netzwerk werden Fotovoltaikanlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen und auch Elektroautos, eine Software und smarte Steuerung ermöglicht, dass jeder Teilnehmer das Netzwerk auf dem Handy im Blick hat. Ein Bonussystem soll die Teilnahme belohnen. Da das Stromnetzwerk zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben wird, wird bei Engpässen Strom aus Wasserkraft eingespeist.

Das Bonussystem - laut Müller eine Besonderheit am Brunnthaler Modell - funktioniert so: Wenn mehr Strom produziert wird als verbraucht, gibt es einen Cent pro Kilowattstunde auf die normale Einspeisevergütung oben drauf. Für den Verbrauch von lokal erzeugtem Strom erhalte der Nachbar drei Cent Rabatt. Dadurch würden die Bürger zum Mitmachen animiert. "Ich kann als Verbraucher mit dazu beitragen, dass die Gemeinde auf dem Weg zur CO₂-Neutralität vorankommt", sagt Müller. Als Christian Feißt kürzlich im Rathaus seine Ideen vorstellte, sprach er zudem eine Garantie aus, wonach Teilnehmern pro Kilowattstunde keine höheren Kosten als im Vorjahr entstünden.

Die Gemeinde Brunnthal hat bereits beschlossen, ihre öffentlichen Gebäude und auch stromproduzierenden Anlagen in das Netzwerk einzubinden. Es werden Strommessgeräte und technologische Schnittstellen installiert. Bürgermeister Stefan Kern (CSU) zufolge ist das für die Gemeinde zunächst "kein größeres Ding". "Wir stellen nur die Liegenschaften zur Verfügung." Dafür erhalte man Live-Informationen über die Stromproduktion kommunaler Fotovoltaikanlagen sowie den Stromverbrauch.

Zeitgleich läuft noch die Debatte um Windräder im Hofoldinger Forst

Bei eine Bestandsaufnahme hat Greencom festgestellt, dass in der Gemeinde 200 Fotovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von circa 3200 Kilowatt Peak am Netz sind. Damit sollte man einiges machen können, so Greencom-Sprecher Klaus Müller. Hinzu kämen Biogasanlagen und Blockheizkraftwerke. Den restlichen Strombedarf könne man mit zertifiziertem Ökostrom decken. Langfristig strebe man an, dass sich das Netzwerk ohne Strom von außerhalb klimafreundlich von selbst trägt.

Solche Worte werden in Brunnthal derzeit mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen, wo eine hitzige Debatte läuft, ob vier Windkraftanlagen im Hofoldinger Forst einem Umweltfrevel gleichkommen oder schlicht notwendig sind, um die Energiewende zu meistern. Gemeinderat Matthias Amtmann (UWB) rief zuletzt dazu auf, auf andere CO₂-freie Energieträger zu setzen und zu zeigen, dass Windkraft nicht notwendig sei.

Bürgermeister Kern indes warnt vor überzogenen Vorstellungen. Ihm zufolge können in der Spitze allenfalls 15 bis 20 Prozent des örtlichen Verbrauchs von den aktuell in Brunnthal installierten Solarstrom-Kapazitäten erzeugt werden. Laut Kern wird das Greencom-Projekt von großen Energie-Unternehmen aufmerksam verfolgt. So sei bereits ein Vertreter von Bayernwerk im Rathaus gewesen, um der Gemeinde Live-Daten zu Energieerzeugung und Verbrauch zu liefern. Kern will das Angebot demnächst dem Gemeinderat vorstellen.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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