Anklage gegen syrische Folterer:Niemand hat das Recht zu gehorchen

Anklage gegen syrische Folterer: Spuren der Grausamkeit: Im Jahr 2012 zeigt ein Syrer nach seiner Entlassung aus einem Gefängnis in Aleppo seinen von der Folter gezeichneten Rücken.

Spuren der Grausamkeit: Im Jahr 2012 zeigt ein Syrer nach seiner Entlassung aus einem Gefängnis in Aleppo seinen von der Folter gezeichneten Rücken.

(Foto: James Lawler Duggan/AFP)

Der Foltermeister hat nur getan, was in seiner Position jeder getan hätte? Das wird vor dem deutschen Gericht nicht als Ausrede gelten, da sind die gesetzlichen Regeln zum Glück sehr klar.

Kommentar von Ronen Steinke

Vollkommen freiwillig hat er sich offenbart. Der Mann, der jetzt in Deutschland vor Gericht kommen soll, weil er mutmaßlich einer der grausamsten Folterknechte des syrischen Regimes von Präsident Baschar al-Assad war, ist einfach in eine deutsche Polizeiwache hineinmarschiert. Ein skurriler Moment für die Geschichtsbücher. Er hat alles offengelegt, von Reue jedoch keine Spur.

Anwar R., einst Herr über das Foltergefängnis der syrischen Geheimdienstabteilung 251 in Damaskus, bat um Schutz und erklärte, er habe nichts zu verbergen. Was er damals in Syrien getan habe, vor seiner Flucht, sei halt Teil des Jobs gewesen. So seien die Regeln gewesen in Syrien, sagte Anwar R. - und nahm an, dass es damit sein Bewenden haben würde.

Nein. Egal, was die Regeln waren, egal was in Gesetzen oder Dienstanordnungen ganz gleich welches Staates steht: Es gibt Verbrechen, die so pechschwarzes Unrecht darstellen, dass kein Federstrich des Gesetzgebers und kein Bellen eines Befehlshabers sie je legal machen kann. Auch nicht im Krieg.

Dieser Gedanke, etabliert durch die Alliierten in den Nürnberger Prozessen gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher, gilt für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie der syrische Geheimdienst jeden Tag verübt, und er gilt auch heute. Dies ist der große Wert der Anklage gegen Anwar R. und einen zweiten, weniger prominenten Geheimdienstler, Eyad A., die jetzt in Deutschland erhoben worden ist.

Das Regime des Baschar al-Assad ist riesig

Es ist das erste Mal weltweit, dass eine solche Anklage gegen Schergen des Assad-Regimes kommt. Viele haben es versucht, die internationale Justiz in Den Haag hat sich bemüht, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auch. Aber selbst Carla Del Ponte, die ehemalige Chefanklägerin gegen den serbischen Kriegsherren Slobodan Milošević, ist an dieser Aufgabe gescheitert. Sie hat vor den mächtigen politischen Freunden Assads, die bei den Vereinten Nationen vieles blockieren, kapituliert und entnervt hingeworfen. Nun ist es so: Es klappt. Die kleine Anklagebehörde in Karlsruhe macht es. Man soll es nicht übertreiben mit dem Wort historisch. Aber das ist historisch.

Doch ist es nicht nur symbolisch? Zwei Angeklagte. Zwei von wie vielen? Das Regime des Baschar al-Assad ist riesig, Geheimdienstler gibt es Zigtausende, überall wird gefoltert und exekutiert, Straflosigkeit ist die Regel und bleibt auch fortan die Regel. Ja, selbstverständlich ist es nur symbolisch. Was sollte es auch anderes sein. Die deutschen Ankläger in Karlsruhe bekommen nur einen winzigen Zipfel dieses Regimes des Grauens zu greifen, das 4000 Kilometer entfernt liegt. Aber was für eine Symbolik es ist: Die Karlsruher Juristen packen zu. Sie stellen auch für die Nachwelt einige Dinge klar, dem deutschen Staat ist das ein Anliegen, auch weil viele Syrer hier leben.

Er hat nur Befehle befolgt? Der Foltermeister, der von seinem Schreibtisch aus unsagbare Gräuel angeordnet haben soll, hat nur getan, was in seiner Position jeder andere auch getan hätte?

Das wird vor dem deutschen Gericht nicht als Ausrede gelten, da sind die gesetzlichen Regeln zum Glück sehr klar, da dürfte vom Oberlandesgericht Koblenz eine Botschaft ausgehen, die man auch in Flüchtlingsheimen aufmerksam verfolgen wird. So leicht kann sich kein Menschenschinder rausreden. Niemand hat das Recht zu gehorchen.

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