Wein-Reise nach Sachsen:Côtes de l'Elbe

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Die Weinberge unter dem Spitzhaus bei Radebeul mit Blick über das Elbtal stehen unter Denkmalschutz und gehören zum Unesco-Welterbe (Foto: imago/Rainer Weisflog)

Da es in der DDR nur staatlichen Weinbau gab, ist die Winzerszene im Osten Deutschlands jung. Besonders in Sachsen finden Besucher vielversprechende Weingüter in malerischer Umgebung.

Von Patrick Hemminger

Als Weinbaugebiet hat Sachsen keinen guten und keinen schlechten Ruf - es hat genau genommen gar keinen. Denn die Weine sind außerhalb der Region so gut wie unbekannt, da sie nur selten die Region verlassen. Dabei gibt es in Sachsen einiges zu entdecken - nicht nur die malerischen Städtchen entlang der Elbe, die viele Urlauber auf dem perfekt ausgebauten Elberadweg erkunden. Die vom Fluss geprägte Landschaft ist flankiert von steilen Weinbergen. Die am häufigsten angebauten Rebsorten sind Müller-Thurgau, Riesling und Weißburgunder. Die Böden sind sehr vielfältig: von Granit über Lehm und Löss bis hin zu Sandstein. Wer mit dem Auto von Dresden anreist, sieht schon nach kaum einer halben Stunde die ersten Weinberge.

Sachsen ist mit rund 500 Hektar bewirtschafteter Fläche nicht nur eines der kleinsten deutschen Anbaugebiete, sondern auch ziemlich nördlich gelegen. Entsprechend schwierig sind die klimatischen Bedingungen für die Reben. "Wir haben wenig Niederschläge, im Winter bis zu minus 30 Grad und immer wieder Spätfröste", sagt Martin Schwarz. Die jungen Weinstöcke bräuchten ein bis zwei Jahre länger als andernorts, bis sie Ertrag geben. Schwarz ist einer von rund 40 Haupterwerbswinzern, die es in Sachsen gibt. Er bewirtschaftet bei Meißen knapp drei Hektar und zählt mit seinen Weinen - Riesling, Chardonnay, Spätburgunder - zu den besten Winzern Sachsens.

Die zahlreichen Touristen sind für den Weinbau Segen und Fluch zugleich. Sie bringen Geld in die Region, die inzwischen touristisch sehr gut erschlossen ist. Für die Winzer sind die Urlauber zwar eine zuverlässige Absatzquelle. "Aber Touristen trinken, was ihnen vorgesetzt wird", sagt Schwarz. So fehlt der Konkurrenzkampf unter den Winzern, die Notwendigkeit, es im nächsten Jahr noch ein bisschen besser zu machen. Sein Wunsch wäre, dass die Region sich mehr in Richtung Topqualität bewegt. Er ist sich sicher, dass Sachsen das Potenzial für große Weine hat - nur werde es noch zu selten genutzt.

Schloss Proschwitz liegt in der Nähe von Meißen und ist mustergültig saniert. (Foto: imago/Rainer Weisflog)

Dabei darf man nicht vergessen, dass die sächsischen Weingüter alle sehr jung sind. Da es in der DDR nur staatlichen Weinbau gab, werden die meisten privaten Betriebe heute noch in der ersten oder seit wenigen Jahren in der zweiten Generation nach der Wende bewirtschaftet. Schwarz blickt trotzdem optimistisch in die Zukunft: "Es sind viele kleine Weingüter dazugekommen, die Neues ausprobieren." Die jungen Kollegen experimentieren auch mit pilzwiderstandsfähigen Sorten, sogenannte PIWI, die kaum gespritzt werden müssen. Oder sie rekultivieren alte Steillagen. Einfach ist das Geschäft mit dem Wein trotzdem nicht. Aufgrund der klimatischen Bedingungen bleiben die Erträge niedrig. Holt ein Pfälzer Winzer im Schnitt 9000 Liter Wein aus einem Hektar, kommt sein sächsischer Kollege auf gerade mal die Hälfte. Entsprechend teuer muss er seine Weine verkaufen.

Georg Prinz zur Lippe, Besitzer des Schlosses Proschwitz, hat das Weingut seiner Familie seit der Wende wieder aufgebaut und konkurrenzfähig gemacht (Foto: imago stock&people)

Einer der wenigen, die im nationalen und auch internationalen Konkurrenzkampf mithalten können, ist Georg Prinz zur Lippe mit seinem Weingut Schloss Proschwitz. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war die Familie enteignet und in die westlichen Besatzungszonen ausgewiesen worden. 1990 begann Prinz zur Lippe damit, die Weinberge seiner Vorfahren und das Schloss zurückzukaufen, aktuell bewirtschaftet er rund 80 Hektar. Dort wachsen mehr als ein Dutzend Rebsorten, besonders gut gelingen in den meisten Jahrgängen die rest- und edelsüßen Weine. Das ganze Jahr über gibt es auf dem Schloss Veranstaltungen mit Weinbezug. 1996 wurde Proschwitz in den VDP aufgenommen, den Verband deutscher Prädikatsweingüter. In diesem Verband sind derzeit 196 Betriebe Mitglied, einige zählen zur nationalen Spitze, das Durchschnittsniveau ist sehr hoch. In Sachsen ist außer Prinz zur Lippe nur noch sein Kollege Klaus Zimmerling Mitglied. "Durch den VDP habe ich Austausch mit Kollegen aus dem ganzen Land. Ohne das würde ich anders denken", sagt Prinz zur Lippe. Jahr für Jahr müssen sich seine Weine gegen die all seiner deutschen Kollegen behaupten.

Dabei sieht er wie Schwarz in den sächsischen Weinen enormes Potenzial. "Wir haben hier ein kontinentales Klima mit einem langen Winter, heißen Sommertagen und kühlen Nächten, sind also eine sogenannte Cool-Climate-Region", sagt Prinz zur Lippe. So könne man Weine mit "anderem Charakter, mit höherer Frische und mehr Mineralität" auf den Markt bringen.

Schloss Wackerbarth ist ein viel besuchtes Staatsweingut nahe Meißen und für seine Schaumweine bekannt. (Foto: imago/Hohlfeld)

Noch mehr Weinberge als Proschwitz hat Schloss Wackerbarth in Radebeul, das sächsische Staatsweingut, das deutschlandweit zu den besten Schaumweinproduzenten zählt. 92 Hektar bewirtschaftet das Erlebnisweingut, wie sich der Betrieb nennt. 190 000 Besucher kommen jedes Jahr dort vorbei, um sich bei rund 200 Veranstaltungen pro Monat die Herstellung von Wein und Sekt erklären zu lassen, um Märkte, Lesungen oder Feste zu besuchen. Die Lage ist beeindruckend. Hinter dem Schloss mit seiner gepflegten Außenanlage erheben sich steile Weinberge mit restaurierten Trockensteinmauern. Die Kelter ist in einem modernen Flachbau untergebracht. Sogar während der Lese hat sie für Besucher geöffnet. Man kann also live dabei sein, wenn aus Trauben Wein oder Sekt gemacht wird. Jürgen Aumüller, der Kellermeister, sieht sich und seine Kollegen noch in einem Lernprozess. "Man hat als Winzer ja immer nur einen Schuss pro Jahr. Deshalb lernen wir unsere Weinberge immer noch kennen. Ich würde sagen, wir sind jetzt bei 60 bis 70 Prozent", sagt er.

Auch er sieht die Zukunft Sachsens in den Cool-Climate-Weinen. Aber so denkt er auch erst seit einigen Jahren. "Zu Beginn sind wir immer der Pfalz und dem Rheingau hinterhergelaufen und haben versucht, den Wumms in die Weine zu bringen", sagt Aumüller. Die Pfalz und der Rheingau sind sehr warme Weinanbaugebiete. Und Weine aus warmen Gegenden sind immer eher etwas wuchtiger und alkohollastiger als solche aus kühlen Regionen. "Aber dann haben wir uns darauf besonnen, was wir hier können", sagt Aumüller, "nämlich leicht und filigran."

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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