Lokaltermin:Mrs. Robinson

Seit Fermentieren Trendthema ist, kommt kein Lokal in Berlin mehr ohne Miso oder vergorene Beeren aus. Leider ersetzt das noch nicht den Koch.

Von Harriet Köhler

Fermentation ist ein Prozess, bei dem Lebensmittel durch Bakterien oder Pilze haltbar gemacht und veredelt werden. Mit Erfindung des Tiefkühlfachs geriet das Wissen darüber etwas in Vergessenheit. Doch seit Starköche mit Mikroben und Edelschimmel wahre Wunder bewirken, kommt kaum ein Restaurant mehr ohne Miso, Spargel in Essigwasser oder fermentierte Beeren aus. Leider ersetzt all das noch nicht den Koch und auch für das Mrs. Robinson's in Berlin gilt: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

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Als invasiv bezeichnet man Tier- und Pflanzenarten, die in fremde Ökosysteme eindringen und diese schädigen oder zumindest durcheinanderbringen. Zu ihnen gehört in Deutschland seit einiger Zeit auch der Rote Amerikanische Sumpfkrebs, den wohl überdrüssige Aquarienbesitzer in den Tümpeln des Berliner Tiergartens aussetzten, wo er sich seither mit einer Geschwindigkeit ausbreitet, die man sonst nur von Kaninchen kennt - oder von bestimmten Kochstilen.

Dem Fermentieren zum Beispiel. Dieses Verfahren, bei dem durch Bakterien oder Pilze Lebensmittel haltbar gemacht und/oder geschmacklich veredelt werden, hat der Welt zwar Köstlichkeiten wie Sojasauce, Spätburgunder und Mailänder Salami beschert, geriet jedoch darüber hinaus seit der Erfindung des Tiefkühlfachs in Vergessenheit. Bis vor einigen Jahren nordische Spitzenköche wie René Redzepi und Magnus Nilsson das kulinarische Potenzial der mikrobiellen Zubereitung erkannten und erweiterten - seither breitet sich die alte Technik wieder aus. Kaum ein Koch zwischen Halensee und Helmholtzkiez, der nicht irgendetwas Selbstfermentiertes auf der Karte hat, und seien es nur Kombucha oder Kimchi. Das ist grundsätzlich positiv, weil die Fermentation uns ganz neue Geschmackswelten erschließt. Doch sind Bakterien und Pilze keine Köche: Sie können gute Produkte in noch bessere Produkte verwandeln, aber über Hochgenuss oder nicht entscheidet am Ende allein der Mensch, der sie in der Küche zum Einsatz bringt.

Im "Mrs. Robinson's", einem minimalistisch eingerichteten und von Köchen wie Gastrokritik häufig gelobten Lokal in Prenzlauer Berg, verwendet man fermentierte Produkte gerne und viel. Vor allem den Koji-Schimmelpilz, der auch zur Herstellung von Sake, Miso und Mirin verwendet wird - aus mit Koji fermentiertem Reis und Salz zum Beispiel wird nach ein paar Tagen ein feines, glutamatreiches Küchengewürz. Mit guter Rohmilchbutter und sehr gutem, hausgebackenem Brot bereitet dieses Hipster-Maggi viel Vergnügen (5,50 Euro). Das Produkt hat also Potenzial - allerdings braucht es dafür einen Sparringspartner.

Die "gegrillten ganzen Flusskrebse", mit denen die Shio-Koji-Butter, diesmal aufgeschäumt, auf den Teller kommt, sind das nicht - dazu schmeckt das wenige, das man aus den Panzern pult, viel zu lasch und eindimensional. Kein Wunder, denn es handelt sich in Wirklichkeit um jene invasiven Sumpfkrebse aus dem Tiergarten, die ein hiesiger Händler mal als "Berlin Lobster" verkauft hat, während sie in ihrer Heimat am Mississippi ehrlicher als "Mudbugs" bezeichnet werden, also "Schlammwanzen". Dort werden sie übrigens mit großen Mengen Gewürzen gekocht, um ihnen wenigstens etwas Geschmack aufzuzwingen. Im Mrs. Robinson's sorgt nur etwas verbrannte Zitrone für ein bisschen Leben auf der Zunge (24 Euro).

Der Wille zur guten Küche ist auch beim "Wolfsbarsch mit Mais, scharfer Blaubeere & Lardo" erkennbar - doch auch hier fehlt das Händchen. Das Fischfleisch selbst: in Ordnung. Der Speck dazu: prima. Die fermentierte Blaubeerpaste: wird von viel Chili mundtot gemacht, was nicht weiter schlimm wäre. Doch es findet sich noch mehr auf dem Teller, nämlich unaromatische, knorpelige Maiskörner, ein fader Maissud und - ein ganzer Berg Maisfäden. Nichts gegen Zero-Waste-Cooking, aber wenn man etwas nach langem Kauen wieder ausspucken muss wie eine Katze ihr Gewölle, dann ist das nicht nachhaltig, sondern Quatsch (28 Euro).

Auch bei der "60 Tage gereiften Holstein-Kuh" treffen erstklassige Produkte auf komplette Ideenlosigkeit, was damit anzustellen wäre. Das wirklich sehr aromatische, gut durchwachsene Fleisch ist zwar perfekt gegart, auch die Kartöffelchen dazu haben Geschmack - doch sie sind pappweich. Darüber hinaus dümpeln sie in einer Creme aus Eigelb und Rinderfett vor sich hin, die das Fleischaroma nicht kontrastiert oder unterstreicht, sondern bloß wiederholt, was dazu führt, dass man sich von all dem Rinderfett auf dem Teller fast umzingelt fühlt. Gut, das Schälchen Ponzu-Sauce muntert mit etwas Säure auf, der geröstete Buchweizen cruncht ein wenig - doch beiden gelingt es nicht, das Gericht aus seiner redundanten (und 86 Euro teuren!) Bräsigkeit herauszuholen. Dazu passt die Luft im Lokal: Im Mrs Robinson's sitzt man mangels leistungsfähiger Abzugshaube in einem kopfweherzeugenden Mief.

Aromenakkorde oder Kontraste? Kräuter oder Gemüse? Frische oder wenigstens etwas, das irgendwie belebend wirkt? Nichts davon erleben wir an diesem Abend - allein das Dessert, ein Amazake-Eis (wieder aus fermentiertem Reis, quasi einer Sake-Vorstufe) ist fein und säuerlich und interessant, und der Weiße-Spargel-Essig dazu bringt eine Frische, die nach den Gängen davor wie eine kalte Dusche erquickt (12 Euro).

Eigentlich schade: Grundsätzlich sind Lokale, die sich biodynamischer und lokaler Landwirtschaft verschrieben haben, ja unterstützenswert - zumal das Personal im Mrs. Robinson's wirklich ganz herzig ist. Als kulinarische Idee reicht das jedoch nicht aus. Leider.

In einem Satz

Der Service im Mrs. Robinson's ist reizend, das Konzept der Küche wirkt indes noch nicht ganz ausgereift.

Qualität: ●●○○○

Ambiente: ●●●○○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●○○○

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