Energiewende:Frische Brise für Windräder im Fünfseenland

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Die Bürgermeister zeigen sich offen für den Vorstoß von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, in Bayern 300 Anlagen zu bauen. Gilching plant bereits eine Machbarkeitsstudie.

Von Michael Berzl und Christine Setzwein, Starnberg

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will, dass im Freistaat 300 neue Windräder gebaut werden - trotz der 10-H-Regelung, die vorschreibt, dass der Abstand von Windrädern von Siedlungen das Zehnfache ihrer Höhe betragen muss. Die Bürger sollen dabei mitgenommen werden, in Anlagen investieren und in Bürgerentscheiden abstimmen dürfen. Der Minister kündigt "lukrative Angebote" an. Die Gemeinden sollten Vorrangflächen für den Bau von Windkraftanlagen ausweisen.

Aiwanger müsste nur einen Blick in den Landkreis Starnberg werfen. Dort existiert seit 2012 der Teilflächennutzungsplan "Windkraft", in dem 15 potenzielle Flächen für den Bau von Windrädern festgelegt sind. Dank dieses Plans, der früh genug rechtskräftig wurde, wird die 10-H-Regel hier ausgehebelt.

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(Foto: Nila Thiel)

In Gilching wird die Windkraft demnächst Thema im Gemeinderat. Bürgermeister Manfred Walter (SPD) will vorschlagen, für die drei Standorte im Gemeindegebiet eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Er ist bereits dabei, diesen Vorstoß innerhalb der Rathausverwaltung vorzubereiten. Besonders eine Fläche südöstlich von Streiflach, die sich auf beiden Seiten der Römerstraße erstreckt, erscheint ihm dabei interessant zu sein, denn sie gehört der Kommune. Ob dort die Windverhältnisse tatsächlich geeignet sind, und ob sich dort ein Windrad rentiert, ist allerdings völlig offen.

Von ihrem Amtszimmer schaut die Starnberger Bürgermeisterin Eva John (BMS) jeden Tag auf die vier Berger Windräder. Sie hat den Eindruck, dass die Akzeptanz von Windkraftanlagen in der Bevölkerung zugenommen habe. Windkraft habe viele Vorteile, sei vielleicht sogar Pflicht, wenn man die Energiewende schaffen wolle. Trotzdem müsse man die Kritiker ernst nehmen. Eines habe Aiwanger richtig erkannt: "Wenn der Wirtschaftsminister Windräder bauen will, braucht er die Bürgermeister, und die Bürgermeister brauchen die Bürger", sagt John. Den Worten müssten aber auch Taten folgen.

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(Foto: privat/oh)

Prinzipiell findet die Wörthseer Bürgermeisterin Christel Muggenthal (SPD) Windräder gut, auch wenn sie die Landschaft nicht unbedingt schöner machten. Dem Vorstoß Aiwangers kann sie trotzdem nichts abgewinnen. So groß könne der versprochene Anreiz gar nicht sein, als dass ein Bürgermeister das Thema momentan anfassen würde. Aber vielleicht ändere sich das in einigen Jahren, "wenn wir feststellen, das wir ohne Windkraft die Energiewende nicht schaffen". Die Wörthseer CSU wollte 2015, dass die Kommune die 10-H-Regelung übernimmt, der Gemeinderat lehnte das ab.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Walter Bleimaier (CSU) ist ein Freund von Windrädern, trotzdem werde er im Moment nichts unternehmen. Drei Windkraftanlagen auf Inninger Flur wurden 2015 per Bürgerentscheid abgelehnt. Die rechtliche Bindungsfrist sei zwar längst abgelaufen, "aber nicht die moralische", sagt der Inninger Bürgermeister. Er ist überzeugt, dass es ohne regenerative Energien nicht geht. "Aber der Leidensdruck bei den Bürgern ist noch nicht so hoch." Wenn der Strompreis weiter so steige, würde sich ein Bürgerkraftwerk auch rentieren. "Ein Windrad ist jedenfalls schöner als ein Starkstrommast."

Bis heute stehen aber nur vier Anlagen in den Wadlhauser Gräben in Berg, durchgesetzt gegen heftigen Widerstand von Bürgern vor allem aus den Nachbargemeinden. Dort wird nun etwas mehr Strom produziert, als in der ganzen Gemeinde verbraucht wird - also 100 Prozent erneuerbare Energie -, während in den anderen Gemeinden der Anteil um die 15 Prozent liegt, vor allem aus Solaranlagen. Keine Chance hatten die Gemeinde Inning und die Stadtwerke München mit ihrem Vorhaben, drei Anlagen auf der Vorrangfläche nördlich der Lindauer Autobahn zu errichten. Die Windräder wurden 2015 per Bürgerentscheid geknickt. Seitdem herrscht Flaute bei der Windkraft. In Gilching aber soll diese wieder auf die Tagesordnung, dort will Bürgermeister Manfred Walter (SPD) dem Gemeinderat eine Machbarkeitsstudie vorschlagen.

Die möglichen Standorte für Windkraftanlagen im Landkreis befinden sich vor allem an der Peripherie. Es gibt Flächen im Westen bei Inning, zwischen Etterschlag und Gilching, zwischen Hanfeld und Hochstadt, bei Buchendorf und Königswiesen, in Oberalting oder zwischen Drößling und Perchting. Die Höhenzüge rund um den Starnberger See bleiben frei. Generell wird ein Abstand von einem Kilometer zur nächsten Bebauung gewahrt.

Panorama-Bilder
:Der spektakuläre Blick aus den Windrädern am Starnberger See

Seit 2015 stehen südlich von München vier Windkraftanlagen. Der Aufstieg ist abenteuerlich, aber lohnt sich. Ein Besuch.

Von Franz Xaver Fuchs (Fotos) und Kassian Stroh

Vater dieser "Konzentrationsflächen" ist Kreisbaumeister Christian Kühnel. Sein Anliegen seinerzeit: einen Wildwuchs von Windrädern und damit die "Verspargelung" der Landschaft zu verhindern. Für die landkreisweite Standortplanung hat er viel Zeit und Ausdauer investiert, ist durch die Gemeinden getourt und hat viel Überzeugungsarbeit geleistet. Trotzdem ist außer in Berg nichts mehr geschehen. Kühnel macht dafür auch die seiner Ansicht nach viel zu aufwendigen und zu bürokratischen Genehmigungsverfahren verantwortlich, die immensen Aufwand verursachten, viel Geld kosteten und Investoren abschreckten. Das müsste vereinfacht werden, findet er und kritisiert außerdem, dass beim Bau eines Windrades nicht nur Ausgleichszahlungen geleistet, sondern auch Ausgleichsflächen nachgewiesen werden müssten.

Neuen Schwung in die Diskussion brachte die Kreistagsfraktion der SPD, die im Februar von der Kreisverwaltung einen Bericht forderte, wo und wie weitere Windkraftanlagen realisiert werden könnten. Als Vorbild kann dabei immer wieder das Berger Modell dienen. Dort sind außer den Gemeinden Berg und Gaißach, einer Bank und den Stadtwerken Bad Tölz auch mehr als 160 Kommanditisten beteiligt. Sie haben in den vergangen Jahren vier bis sechs Prozent Rendite kassiert, und es soll noch mehr werden. Bürgermeister Rupert Monn hält es für wichtig, dass die Wertschöpfung im Ort bleibt, denn das erhöhe die Akzeptanz.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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