Union gegen Hertha BSC:Torwart Gikiewicz gegen die vermummten Fans

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Schickte die vermummten Fans höchstselbst wieder vom Platz: Union Berlins Torwart Rafal Gikiewicz. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der 1. FC Union gewinnt das Berliner Stadtderby gegen Hertha BSC durch einen späten Elfmeter mit 1:0.
  • Hinterher geht es vor allem um Fans, die mit Pyrotechnik auf die Tribünen schießen. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch.
  • Union-Torwart Rafal Gikiewicz stellt sich vermummten Union-Fans entgegen, die das Spielfeld stürmen wollen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Das erste Bundesliga-Hauptstadtderby zwischen dem 1. FC Union Berlin und Hertha BSC endete in einem Flirt mit der Tragödie. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn Unions Torwart Rafal Gikiewicz nicht so beherzt eingegriffen hätte, als nach Schlusspfiff ein paar vermummte Fans des 1. FC Union sich anschickten, über den Platz zu stürmen, um sich mit Hertha-Anhängern zu prügeln. Es wäre, andererseits, nur eine weitere Eskalationsstufe gewesen. Aus dem Lager der Hertha-Fans waren zahlreiche Leuchtraketen aufs Feld und in die Tribüne gefeuert worden; zunächst hieß es, nur eine Person sei leicht verletzt worden. Zudem verbrannten Hertha-Fans Fanutensilien der Unioner, was in der mitunter etwas seltsam anmutenden Kultur der Ultras einer Schändung gleichkommt.

Ach ja, und wie man so schön sagt: Fußball gespielt wurde auch. Der 1. FC Union feierte ausgerechnet gegen den Stadtrivalen einen 1:0-Sieg, damit den dritten Triumph der Saison - und rückte in der Tabelle auf einen Punkt an die enttäuschende Hertha heran. "Wichtig ist, dass wir in der Tabelle weiter vor Union sind", sagte Hertha-Trainer Ante Covic.

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Es passte zu der Partie, dass sie durch einen nicht ganz unumstrittenen Elfmeter in der Schlussphase entschieden wurde. Bei einem Schussversuch von Unions Christian Gentner rauschte der insgesamt gut aufspielende Verteidiger Dedryck Boyata heran, traf den früheren Stuttgarter just, als dieser den Ball übers Tor gesetzt hatte. Schiedsrichter Deniz Aytekin entschied sofort auf Elfmeter und lief, um auch jeden letzten Restzweifel auszuräumen, zum TV-Monitor, um die Bilder anzusehen. Am Ende war es dann Einwechselstürmer Sebastian Polter, der in der 90. Minute den Strafstoß verwandeln und sich selbst zum Derbykönig krönen durfte. Denn in den elf Minuten Nachspielzeit geschah nichts mehr, was das Ergebnis verändert hätte.

Die Situationen übertrafen die schlimmsten Befürchtungen

Diese außergewöhnlich lange Zugabe wurde nötig, weil sich das Spiel kurz nach Anpfiff und kurz nach der Pause unterbrochen war. Zu Beginn der Partie hatten die Union-Fans aus Teilen ihrer Choreo Papierkügelchen geformt und aufs Feld geworfen. Ungleich gefährlicher war, was nach der Pause geschehen war und zur ersten Unterbrechung geführt hatte: Die Fans von Hertha BSC schossen Fackeln aufs Spielfeld und auch in Richtung Union-Ersatzbank. Referee Aytekin schickte daraufhin die Mannschaften zurück in die Katakomben. "Es droht ein Spielabbruch, wenn das so weiter geht", rief Stadionsprecher Christian Arbeit. Doch am Ende blieb es bei der Drohung. Aytekin sah wegen möglicher schwerer Ausschreitungen von einem Abbruch ab. Er erklärte nach der Partie, er sei über den vierten Offiziellen in Kontakt mit der Polizei gewesen, die im Falle eines vorzeitigen Endes Chaos befürchtete. "Deswegen haben wir Schiedsrichter die Verantwortung, das Spiel vernünftig zu Ende zu bringen", sagte der 41-Jährige.

Dramatisch wurde die Lage erst wieder nach Schlusspfiff, als die Hertha-Fans ihr letztes verbleibendes Arsenal verschossen und nicht davor Halt machten, die Ränge mit Union-Anhängern anzuvisieren. Polter, der Torschütze, sagte, dass seine beiden Kinder fast von einer Rakete getroffen worden wären. "Das ist schrecklich, nicht zumutbar. Ich hatte auf der Bank gesehen, dass die Pyro ungefähr in die Richtung meiner Kinder und meiner Freundin gegangen ist."

Damit ging die Szenerie weit über das hinaus, was vorher vermutet werden musste: Dass die Begleitumstünde der Partie Relevanz verleihen würden. Vor Anpfiff trugen Fans einen Wettstreit um die beste "Choreo" (und das provozierendste Plakat) aus, Unioner und Herthaner nahmen sich dabei nicht viel, wenn man mal davon absieht, dass die Platzherren aufgrund ihrer numerischen Überlegenheit flächendeckender operierten. Bereinigt um Lärm und Qualm hatte das Hauptstadtduell aber nicht gar so viel zu bieten. "Das Beste an dem Spiel aus meiner Sicht war, dass ich fast nichts gesehen habe von meiner Position da unten in dieser Bank", sagte Hertha-Manager Michael Preetz.

"Das geht in die Geschichte ein", sagt Elfmeter-Schütze Polter

Allenfalls eine Überraschung gab es: dass Union in der ersten Halbzeit so dominant und Hertha außerordentlich passiv auftrat. Offenbar war der Aufsteiger mit der Maßgabe auf den Platz geschickt worden war, zu zeigen, wem jeder Quadratzentimeter des Platzes im Stadion An der Alten Försterei gehört. "Wir haben das Spiel nicht nur kontrolliert - wir waren überzeugend", sagte Union-Trainer Urs Fischer. Sein Team brachte den Herthanern nach nur drei Minuten auch einen Schrecken bei, als Christopher Lenz eine Flanke von Sebastian Andersson per Kopf an den Pfosten setzte. Marcus Ingvartsen (6.), Robert Andrich (19.) und Christian Gentner brachten den Ball ebenfalls gefährlich in Richtung des Hertha-Tores, während die Gäste den Unionern nur durch Dodi Lukébakio (14.) und Marco Grujic (36.) ein paar unangenehme Gedanken bereiteten.

Dann kam die Pause, reichlich fußballerischer Leerlauf - und letztlich der spielentscheidende Elfmeter. "Es macht mich stolz. Das geht in die Geschichte ein", sagte Polter, der das Heldenkostüm nicht anziehen wollte: "Der ganze Verein ist heute der Hero."

© SZ vom 03.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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